Was macht man als Leser, wenn einem ein Buch so gar nicht zusagt? Nein, hier muss ich mich genauer ausdrücken: Was macht man als Literaturblogger in so einem Fall? Denn als Literaturblogger ist man zwar auch – und in erster Linie – Leser, aber daneben hat man doch noch eine andere Aufgabe, eine, die nicht ohne Verantwortung dem Buch gegenüber auskommt.
Für mich persönlich besteht diese Verantwortung darin, dass ich meine Meinung zu einem Buch, zu dem Kind eines Autors gewissermaßen, öffentlich und für alle Welt zugänglich mache. Ein gewisses Maß an Macht steckt da schon drin – auch wenn ich das jetzt nicht überstrapazieren will – aber eine einmal in die Welt hinausgerufene Rezension lässt sich nicht mehr so schnell rückgängig machen. Darum ist es mir wichtig, genau zu begründen, wenn mir ein Buch nicht gefällt, auch wenn meine Reaktion darauf noch so emotional ausfallen mag. Und ein wenig Schmerz schwingt darin auch immer mit – es ist nicht leicht, einem Vater oder einer Mutter zu sagen, dass einem das liebevoll und unter Mühen aufgezogene Kind nicht gefällt.
Aber ich sehe es auch als Verantwortung mir gegenüber an, ehrlich zu sein. Mir und meinen Lesern gegenüber. Ich kann und will nichts beschönigen, wo es nichts schön zu reden gibt. Ehrlichkeit kann brutal sein, ist aber immer noch hilfreicher als vorgelogenes Lob.
Real oder bizarr – was ist dir lieber?
Natürlich kann es immer vorkommen, dass ein Buch nicht gefällt. Platt ausgedrückt. Weil einem der Stil nicht zusagt oder einen die Geschichte nicht berührt. Das gehört zum Risiko des Lesers auf der einen und zum Risiko des Autors auf der anderen Seite, damit müssen beide leben. Aber es gibt auch Fälle, wo es eben nicht nur beim subjektiven Nicht-Gefallen bleibt, wo mehr fehlt als nur das Lesegefühl. Lesen ist immer subjektiv – und da kann mir auch kein noch so professioneller Kritiker sagen, dass das nicht stimmt – aber es gibt auch Bücher, bei denen das Nicht-Gefallen weit über den subjektiven Eindruck hinausgeht. Dann, wenn das Herzblut fehlt, nicht alleine beim Autor, sondern auch beim Verlag.
Ich habe schon Bücher gelesen, die mich wirklich geärgert haben, durch die ich mich lesend gequält und mir danach mühsam eine Rezension abgerungen habe. Aus Pflichtbewusstsein dem Verlag und dem Autor gegenüber. Ich bin an einem Punkt angelangt, wo ich das nicht mehr machen möchte. Ausschlaggebend war ein Fantasyroman eines kleinen Verlages. Nein, ich werde Verlag, Buch und Autor hier nicht nennen – ich finde es unschön, Menschen an den Pranger zu stellen und dieses eine Buch ist auch nur exemplarisch und war der Auslöser für diesen Artikel – das Gefühl dahinter brodelt schon länger in meinem Leser-Blogger-Bücherherzen. Schon auf den ersten Seiten fiel mir der holperige Schreibstil der Autorin auf. Adjektive noch und nöcher, Füllworte ohne Ende und zudem noch völlig unpassend, lieblos aneinandergereihte Sätze. Wo war hier das Lektorat? habe ich mich gefragt. Wie kann man es verantworten, ein Buch so zu veröffentlichen?
Das Gefühl beim Lesen
Nachdem der erste Zorn über das Buch – vielmehr die 15 Seiten, die ich geschafft habe, zu lesen – verraucht war, wich dieses Gefühl einem ernsten Ärger. Ja, ich habe mich regelrecht geärgert, so wie man sich über ein schlecht produziertes Möbelstück ärgert, oder über ein Elektrogerät, das den Anforderungen nicht standhält. Denn letzten Endes ist ein Buch – und das bei aller meiner Liebe zu Büchern – auch nur ein Produkt. Und wenn es wie in diesem Fall schlampig produziert ist, auch ein Grund zum ärgern.
Ist ein Lektorat nicht dann dazu da, um solche Fehler im Manuskript aufzudecken und zusammen mit dem Autor zu beseitigen? Ihn davor zu bewahren, ein schlechtes Produkt auf den Markt zu bringen? Ihn davor zu schützen, dass sein Baby in der Luft zerrissen wird?
In diesem Fall habe ich mich dazu entschlossen, das Buch nicht zu Ende zu lesen und auch nicht zu rezensieren. Nicht, weil ich es nicht könnte – ich will einfach nicht. Ich will meine Zeit nicht mit einem schlecht produzierten Roman verschwenden, ich will mich nicht weiter beim Lesen darüber ärgern, über Stilbrüche stolpern und dann unzufrieden zu Bett gehen. Und ich will die Autorin nicht dafür verantwortlich machen, dass sie kein verantwortungsbewusstes Lektorat hinter sich hatte. Wer weiß – vielleicht hätte mir die Geschichte durchaus gefallen, vielleicht steckt eine Menge Potential in dieser jungen Autorin. Aber ich werde das nie erfahren – weil jemand am falschen Ende, am Lektorat gespart hat.
Was bleibt zurück – nur ein paar Flecken oder alles verschwommen?