Gedanken zur uneuropäischen deutsche Haltung

In der letzten Zeit schlagen die Wellen um die Rettung der bedrohten Euro-Zonen Länder hoch. Von französischer Seite wie von luxemburgischer Seite wurde Deutschland nun schon wiederholt uneuropäisches Verhalten vorgeworfen. Was aber hat es damit auf sich? Im Folgenen präsentiert der Oeffinger Freidenker zwei kurze Artikel, die sich der Frage nähern. Manuel König argumentiert dabei, dass die Mitfinanzierung der Länder anderer Schulden die Arbeitnehmer in Deutschland doppelt belastet, während Stefan Sasse erklärt, dass die Suche nach kurzfristigen intereuropäischen Wettbewerbsvorteilen generell in die Irre führt. Viel Vergnügen!
Die Mitfinanzierung von Schulden anderer Euro-Länder bestraft die Arbeitnehmer doppelt
Von Manuel König
Seit einigen Tagen werden der deutschen Regierung aus dem Ausland Vorwürfe bezüglich ihrer Haltung zur Bewältigung der Schuldenkrise in Europa, insbesondere zum Thema E-Bonds, gemacht. Es ist zu lesen, dass die eigensinnige Haltung der Deutschen un-europäisch und sogar schädlich für die Europäische Währungsunion sei.

Gedanken zur uneuropäischen deutsche Haltung

Lohnstückkosten im Vergleich

Die deutsche Regierung handelt hier jedoch im engeren Sinne genau richtig. Sie verteidigt zuallererst die Interessen Ihres Souveräns, welcher in der breiten Masse den eigenen Wohlstand über die Interessen der Europäischen (Währungs-)Union stellt. Vom rein demokratischen Gesichtspunkt her handelt sie somit wie vorgesehen. Auch moralisch ist dieser Ansatz durchaus zu rechtfertigen, da die deutschen Arbeitnehmer durch Lohnzurückhaltung in den vergangenen Jahren bereits große Einschnitte hingenommen haben.
Deutschland in dieser Hinsicht Lohndumping vorzuwerfen macht jedoch deshalb keinen Sinn, da es ja grundsätzlich im Interesse der Europäischen Union sein sollte die Lohnstückkosten auf dem internationalen Markt wettbewerbsfähig zu halten. Daher sollte der Wettbewerb der Europäer untereinander eher positiv zu betrachten sein. Allein das scheinbar kein anderes Land dem Beispiel der Bundesrepublik folgen wollte sollte nun nicht zu einer Beschuldigung Deutschlands führen. Solange es keine gemeinsame Fiskalpolitik innerhalb der EU gibt, gehört der Wettbewerb der Länder in dieser Hinsicht genauso ins Bild wie der um Steuersätze für Körperschaften.
Die Mitfinanzierung von Schulden anderer Europäischer Staaten, sei es über im Vergleich zu Bundesanleihen höher verzinsten E-Bonds oder über andere Transferzahlungen, hätte auf lange Sicht eine höhere Steuerbelastung der deutschen Bürger zu Folge. Würde diese wiederum über höhere Steuern auf nichtselbständige Arbeit oder indirekte Steuern finanziert, würde das die Kaufkraft in Deutschland weiter verringern und somit die Bevölkerung ein weiteres Mal zur Kasse bitten.
Des Weiteren ist insbesondere die Permanenz der Forderung nach E-Bonds von Seiten Jean-Claude Junckers, die sich in Kreisen der Kritiker der deutschen Haltung zur Euro-Frage so großer Beliebtheit erfreut, möglicherweise kein Akt reiner Verbundenheit zum Euro. Luxemburg selbst begibt aufgrund seines Reichtums keine Anleihen an den Kapitalmärkten und wäre somit durch die auf E-Bonds fälligen Zinssätze nicht belastet. Seinen EFSF Anteil in Höhe von 1,101 Millionen Euro müsste das Land bei dessen Ablösung jedoch nicht mehr bezahlen...
Die Fixierung auf weiche Wettbewerbsvorteile führt in die falsche Richtung
Von Stefan Sasse
Manuel König bemerkt richtig, dass die E-Bond-Variante zur Lösung der aktuellen EU-Finanzprobleme sozial besonders auf denen lasten würde, die bereits jetzt unter finanziellen Belastungen ächzen, da eine Refinanzierung der Kosten durch eine erhöhte Körperschafts- oder Kapitalertragssteuer eher nicht zu erwarten ist, die Kosten aber irgendwie gedeckt werden müssen. Am wahrscheinlichsten sind hierfür dann Szenarien wie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Ich stimme jedoch überhaupt nicht der „moralischen“ Legitimität der Position überein. Es ist zwar richtig, dass Deutschland prinzipiell im eng umrissenen deutschen Eigeninteresse handelt, wenn es nicht die durch „Blut, Schweiß und Tränen“ der durchschnittlichen Arbeitnehmer zweifellos erworbenen „Wettbewerbsvorteile“ wieder verschenken will. Es macht, eigennützig betrachtet, tatsächlich sehr wenig Sinn, sich zuerst einen Wettbewerbsvorteil zusammenzusparen und den dann gleich fahren zu lassen.
Nur ist bereits die Schaffung dieses Vorteils, das heißt der intereuropäische Wettbewerb auf der Ebene der Unternehmersteuern und Lohnstückkosten, von vornherein der falsche Weg gewesen. Es ist vollständig sinnlos, innerhalb der EU um die niedrigsten Steuern und Löhne einen Wettbewerb auszurichten. Letzten Endes schaden damit nämlich mittelfristig alle nur sich selbst, ein Effekt, den Deutschland in seinem aktuellen Dilemma am eigenen Leib erfährt: der Wettbewerb kennt nur die Richtung nach unten, doch da alle gleichziehen müssen, ist der Effekt wenn überhaupt nur kurzfristig erzielbar, während die Einnahmen auch langfristig fehlen.
Deswegen wäre es umgekehrt sinnvoller, die Krise endlich zu einer Vereinheitlichung der europäischen Finanz- und Wirtschaftspolitik zu nutzen, anstatt ein Niedrigsteuerschaulaufen zu veranstalten. Das heißt beileibe nicht, dass Löhne und Steuern überall die gleiche Höhe erreichen müssen; selbst ein ökonomischer Volllaie erkennt, dass Osteuropa kaum dasselbe absolute Lohnniveau wie Deutschland halten kann oder muss und welche Rolle Lohnstückkosten spielen. Aber eine Vereinheitlichung in den Relationen, die den Wettbewerb auf die Ebene harter Standortfaktoren wie Bildung, Infrastruktur und Ähnliches führt wäre für die Bevölkerung insgesamt deutlich zielführender als ein simpler Wettbewerb um die niedrigsten Kosten für Unternehmen, der mittelfristig für alle Beteiligten ruinös ist – mit Ausnahme der Investoren, versteht sich, deren nächste Krise wir so gleich mit planen helfen.

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