Gedanken zur Online-Erreichbarkeit

Die liebe Renate von Mamis Blog hat zu einer Blogparade zur (Online-) Erreichbarkeit aufgerufen, zu der ich gern einige persönliche Gedanken beitragen möchte. Ich nutze Facebook privat seit ein paar Jahren, Twitter erst seit April 2014, blogge seit November 2014 und lese viele Mama-Blogs. Ich möchte nur über die private Online-Erreichbarkeit schreiben. Den dienstlichen Aspekt kann ich außer Acht lassen. Ich habe kein Diensthandy und bin für meine Kollegen wirklich nur im äußersten Notfall zu erreichen. Meine Kollegen besitzen meine Festnetznummer und Mailadresse. Die Handynummer hat nur eine einzige Kollegin, der ich absolut vertraue und die mich nur anrufen würde, wenn es sich absolut nicht vermeiden ließe. Ich habe das von Anfang an klar und deutlich vermittelt und meine Kollegen haben das akzeptiert. Nun habe ich glücklicherweise auch nicht den Job, wo man direkt auf aktuelle Ereignisse etc. reagieren muss. Das würde mich sehr belasten, müsste ich dafür jederzeit erreichbar sein oder meinen Urlaub früher beenden oder vom Krankenbett aus arbeiten. Das ist dankenswerterweise nicht der Fall.
Ich bin gerne bei Facebook und Twitter sowie in der Welt der Mama-Blogger unterwegs und vermisse es tatsächlich, wenn ich mal einen ganzen Tag gar nicht in die entsprechenden Netzwerke schauen kann. An manchen Tagen bin ich selbst aktiver, an anderen lese ich nur still mit, aber immer interessiert es mich, was andere schreiben. Einige Twitterer und Blogger sind mir mittlerweile ans Herz gewachsen, andere sind so gegensätzlich zu meinen eigenen Einstellungen, dass ich trotzdem aus Interesse mitlesen muss. Ich versuche, mehrmals am Tag die Netzwerke nachzulesen. Das ist meist auf dem Weg zur Arbeit und nach Hause der Fall sowie mit etwas mehr Ruhe abends, wenn die Kinder im Bett sind. Ich merke aber auch, dass ich unruhig werde, wenn ich an einem Tag so gar keine Gelegenheit dazu hatte. Oder kein Netz, wie es manchmal im Urlaub der Fall ist. Dann habe ich schon das Gefühl, etwas zu verpassen. Im Urlaub stellt sich meist erst nach ein paar Tagen ein neutrales Gefühl ein. Nun bin ich zum Glück eine unbedeutende Privatperson, die nicht nach wenigen Stunden Twitter- oder ein paar Tagen Blogabstinenz vermisst wird. Wäre dem so, würde mich das durchaus unter einen negativen Druck setzen. Ich denke aber, dass man da selbst schon ein wenig gegensteuern kann, in dem man eben nicht täglich postet und keinen Erwartungsdruck weckt.
Insgesamt haben mir die Online-Netzwerke, vor allem Twitter und die Mama-Bloggerwelt, sehr geholfen, mich in meiner Mutterrolle immer besser zu etablieren und abzugrenzen. Schon durch das reine Lesen der Texte von Gleichgesinnten/ Gleichgeprägten wurde mir unglaublich viel Trost zuteil, ohne dass ein direkter Austausch stattgefunden hatte. Selten trifft man doch im Alltag auf Eltern, die beispielsweise das Leben mit einem Schreibaby mit den ehrlichen Worten der knallharten und schlimmen Realität beschreiben. Im Netz dagegen findet man viele ähnlich lautende Berichte und fühlt sich getröstet, weniger alleingelassen und auch weniger verantwortlich. Dafür bin ich einigen, mir persönlich unbekannten, aber gern gelesenen Bloggern zutiefst dankbar. Durch das Mama Miez Blog Bis einer heult! bin ich beispielsweise vor 2 Jahren auf die Hochsensibilität aufmerksam geworden, was für mich die größte Wende im Umgang mit dem Charakter meines Großen (und im Erkennen meines eigenen) war. Für mich haben sich gerade durch die sozialen Netze unglaublich viele Wege und Denkweisen aufgetan, auf die ich durch reine Buchlektüre nicht oder viel mühsamer gestoßen wäre. Themen wie Langzeitstillen, bedürfnisorientierte Erziehung, postnatale Depressionen u.v.m. kann man sich online in einer Bandbreite "erlesen", die man in seinem privaten Umfeld nie finden wird. Mir würde etwas existenziell fehlen, würde man mich davon komplett abschneiden. Dafür nehme ich auch gern den doch manchmal belastenden Suchtfaktor in Kauf. Was ich allerdings wirklich bedauere: das Lesen von Büchern, was früher ein Grundpfeiler meines Wesens war, hat durch die Online-Präsenz leider stark abgenommen. Aber dies akzeptiere ich als eine temporäre Verschiebung von Prioritäten, die sich in ein paar Jahren vielleicht auch wieder anders darstellen mag.
Was mir auch wirklich sehr viel bedeutet, ist der direkte und unmittelbare Austausch, der im Alltagsleben nicht vergleichbar stattfinden kann. Ich tippe einen Gedanken in die Twitter-Timeline und es antwortet jemand. Ich stelle eine Frage und bekomme verschiedene Anregungen. Ich lese, was andere bewegt, und zwar direkt und (hoffentlich) unverstellt. Das ist fantastisch. Weder möchte ich wegen jedes kleinen Gedankens jemanden anrufen noch angerufen werden. Auf Twitter geht der Austausch ohne Verpflichtungen, sehr direkt und meist herzlich vonstatten. Das mag ich wirklich sehr. Auf den Blogs lese ich, wie sich manche Leben entwickeln, Berufseinstiege gemeistert werden, Kinder Fortschritte machen, neue Babys geboren werden usw. So unmittelbar kann man am Alltag von realen Freunden und Bekannten meist gar nicht beteiligt sein, zumindest nicht jetzt, wo man durch die Kinder sehr viel weniger Zeit zum Treffen und Telefonieren hat. Deshalb bedeutet das für mich auch eine kleine Kompensation für weniger intensiv gewordene private Kontakte. Ich bedauere es zutiefst, dass ich in der Babyzeit meines Großen noch nicht annähernd so vernetzt war wie jetzt. Das hätte mir manche schweren Stunden, manch einsamen Kinderwagenspaziergang und die zähen, unglücklichen Tage mit ihm sehr erleichtert. Nahezu täglich denke ich, ach, wenn ich doch damals schon Blogs gelesen hätte und auf Twitter gewesen wäre! Vielleicht wäre dann alles nicht ganz so schrecklich gewesen...
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir die private Online-Erreichbarkeit sehr viel bedeutet und im Großen und Ganzen überwiegend positive Anregungen gebracht hat. Im Moment würde es mir sehr schwer fallen, mich gänzlich davon abzukapseln. Ich kann aber verstehen, dass jemand ausbrennt, wenn er/sie auf zu vielen Hochzeiten gleichzeitig tanzt und sich zu sehr verpflichtet fühlt. Da muss man tatsächlich die Reißleine ziehen und eine Zeitlang pausieren. Ich glaube nicht, dass jemand dafür kein Verständnis hat. Ich denke, es ist wichtig, sich selbst noch als Herr der Lage zu fühlen und "stop" zu sagen, wenn man sich nur noch getrieben fühlt. Ein wenig Suchtfaktor dagegen kann auch Motivation und Antrieb sein, zum Beispiel für das Schreiben von neuen Blogbeiträgen.
Wie fühlt sich das für euch an? Bedeutet die Online-Präsenz eher Belastung oder Motivation für euch? Macht bis 28. Februar 2015 auch mit bei der Blogparade von Mamis Blog!

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