Gedanken zur Corona-Krise

Gedanken zur Corona-Krise
Vorab: Natürlich bin ich kein Experte und dies sind nur erste Einschätzungen. Vieles ist noch unklar über den Virus selbst, welche globale Folgen entstehen werden und wie lange die aktuellen Einschränkungen aufrecht erhalten werden müssen. Ich halte mich bewusst kurz und weise besonders auf die Links am Ende hin.
Bis vor einigen Wochen schien der Corona-Virus eine abstrakte und weit entfernte Gefahr zu sein. Das hat sich in kürzester Zeit geändert. Bis letzten Freitag war ich selbst noch im Krankenhaus und habe erlebt, wie sich Regeln im Stundentakt verändert haben. Von Therapieeinschränkungen, Beschränkungen bei Physiotherapie- und Gruppenangeboten bis zum Ausfall von Therapien. Ausgangsbeschränkungen wurden empfohlen, gemeinsames Essen wurde untersagt, die Pfleger waren von Tag zu Tag mehr vermummt und die Anspannung wuchs rasant.
Im Haus gab es auch Intensivpatienten und in dieser Situation wird klar, dass sie in umittelbarer Gefahr sind, genau wie die Ärzte und Pfleger, die dazu angehalten sind, auch dann weiterzuarbeiten, wenn sie sich selbst infiziert haben. Sicher haben wir global gesehen ein gutes Gesundheitssystem. Dennoch rächt sich jetzt, dass man den Pflegeberuf nicht attraktiver gemacht hat, in dem man Bezahlung und Besetzung von Pflegekräften und Ärzten nicht erhöht hat. Sonst wäre ich vielleicht noch immer Pfleger. Hygienebedingungen waren lange unnötig schlecht, was in solch einer Krises schlicht gefährlich ist. Noch fehlen Atemmasken und Schutzkleidung in erheblichem Umfang. Man hätte das Gesundheitssystem niemals dem Markt überlassen dürfen. Und es sei klar gesagt: Die Pfleger und Ärzte sind die (unfreiwilligen) Helden dieser Krise und ich hoffe, dass sie in Zukunft die verdiente Anerkennung erhalten. In dieser Krise zeigt sich, wer wirklich "systemrelevant" ist. Ich hoffe, das wird eine Erkenntnis sein, die nachhaltig wirkt und nicht schnell wieder vergessen wird!
Wir befinden uns in einer bedrohlichen Situation. Und während ich das sage, bin ich selbst davon (noch) kaum betroffen. Sicher, ich hatte Pläne, die ich jetzt verschieben muss, Reisen wird mittelfristig nicht möglich sein und ich hatte mich auf eine neue Stadt gefreut und darauf, Freunde zu besuchen. Aber das sind Luxusprobleme!
Ganz anders sieht das für die Flüchtlinge aus, die in Moria auf Lesbos und in anderen Lagern oder zwischen Griechenland und der Türkei festsitzen. Oder die Menschen, die schon viel zu lange unter dem schrecklichen Krieg in Syrien leiden. Und Alle, die in Slums in Asien, Afrika oder Lateinamerika leben müssen und die kaum Zugang zum Gesundheitssystem haben. Für sie ist diese Krise eine lebensbedrohliche Katastrophe. Wem es schon zuvor schlecht ging, wird leider am meisten an dieser Krise leiden.
Auch die Lage in Italien ist dramatisch, Europa hat insgesamt viel zu träge auf die Bedrohung reagiert, aus den U.S.A. hört man auch von einer drastischen Zunahme der Erkrankungen.
Für Andere hierzulande ist die Lage existenzbedrohend, besonders für alle Selbständigen, Künstler und alle die vom Verlust ihrer Arbeit oder gar Wohnung bedroht sind!
All diesen Menschen sende ich meine besten Wünsche!
Vielleicht wird diese Krise langfristig auch "gute" Seiten haben. Leider lernt der Mensch oft nur so.
Und darin setzte ich meine Hoffnung: Die Erkenntnis, dass wir uns für solche Krisen rüsten müssen, wir lernen uns sowohl global als auch lokal zu koordinieren und Netzwerke auf- bzw. auszubauen.
Es wird nun mehr denn je sichtbar werden, was wirklich wichtig zum Leben ist, wie entscheidend die sozialen Kontakte sind, wie wertvoll es ist, sich solidarisch zu organisieren, sich unabhängiger von globalen Lieferketten zu machen. Etwa, indem Gemüse wieder lokal produziert wird, die Bedeutung von Geschäften in der unmittelbaren Umgebung neu erkannt wird oder Medikamente und viele andere Produkte wieder vor Ort produziert werden. Insgesamt hoffe ich darauf, dass das reine Profitdenken Risse bekommt.
Wir standen schon vor der Krise an einem Scheideweg. Vielleicht führt die Krise dazu, den radikalen Umbau unserer Gesellschaft hin zu erneuerbaren Energien und neuen Genossenschaftsmodellen zu beschleunigen und der schon lange nötige Bewusstseinswandel Rückenwind erhält. Im Moment erlebt die Natur eine Ruhepause, die vor kurzem noch unmöglich schien. Sicher wird vieles nach der Krise wieder anlaufen, aber ich hoffe, dass wir aus der Zeit, die vor uns liegt, Erkenntnisse für die Zukunft liefert, und wir diese endlich umsetzen.
Gleichzeitig liegen in der aktuellen Situation auch Gefahren gesellschaftlicher Natur. Viele esentielle Bürgerrechte sind im Moment ausgesetzt und es wird wichtig sein, sie so schnell wie möglich wieder zurückzugewinnen.
Im Moment macht es jedoch definitv Sinn, das öffentliche Leben zurückzufahren.
Wir werden uns wohl auf einen längeren Ausnahmezustand einstellen müssen. Bisherige Prognosen rechnen erst in über einem Jahr mit einem Impfstoff. Natürlich hoffe ich, dass es schneller geht, aber insgeheim rechne ich vor dem Herbst kaum mit einer Normalisierung der Zustände. Möglicherweise wird 2020 mit vielen Einschränkungen zu Ende gehen. Aber ich bin kein Virologe. Und auch die wissen noch zu wenig.
Die Alternative ist, dass 70 % der Bevölkerung erkrankt und immun geworden sind. Noch ist nicht klar, ob es eine vollständige Immunität sein wird oder nur ein milder Verlauf bei einer Neuansteckung. Völlig unklar ist auch, in wieweit der Erreger weiter mutieren wird.
Sicher ist nur eins: Eine unkontrollierte Ansteckung muss unbedingt vermieden bzw. eingedämmt werden, daher macht es Sinn, das Leben auf das Notwendige zu beschränken und den direkten Kontakt zu meiden. Sonst würden wir Hundertausende Tote in Kauf nehmen und das Gesundheitssystem zum Kollabieren bringen. 
Wahrscheinlicher ist, dass das Leben in den nächsten Wochen stark eingeschränkt bleibt und danach immer wieder die Regeln gelockert werden, um dann erneut verschärft zu werden, um die unvermeidlichen Ansteckungen feststellen und behandeln zu können.
Allen da draußen wünsche ich Gesundheit, Geduld und, wenn möglich, Gelassenheit.
Meine Gedanken sind bei denen, die von der Krise unmittelbar betroffen sind und um ihre Existenz oder das Leben ihrer Angehörigen bangen!
Einige Artikel  und Beiträge, die ich für besonders lesenswert halte:
Medium: Coronavirus - The Hammer and the Dance
Für mich die bisher beste Informationsquelle, die auf das Vorgehen in China eingeht, mögliche Szenarien vorstellt und durchspielt. Hier im englischen Original. Am Ende des Kapitels ist eine deutsche Übersetzung verlinkt.
Zeit: Der Virologe Christian Drosten im Interview
"Wir müssen jetzt die Fälle senken. Sonst schaffen wir es nicht" .
Quarks: Deshalb ist die Corona-Pandemie nicht in wenigen Wochen vorbei
Ausführliche Analyse. Ähnlich lesenswert wie der Artikel "The Hammer and the Dance".
TTT: Das Ende der Welt, wie wir sie kennen?
"Die Corona-Pandemie ist eine weltweite Tragödie – auch für den globalen Kapitalismus. Wenn das Schlimmste vorbei ist, werden wir die Systemfrage stellen müssen, glaubt der Psychoanalytiker und Star-Philosoph Slavoj Žižek." - Unbedingt ansehen! Slavoj Žižek trifft auf seine unnahmliche Art den Nagel auf den Kopf!
Kurier: Matthias Horx - "Das ist ein historischer Moment"
"Nichts wird so sein, wie zuvor": Der Zukunftsforscher bietet Denkanstöße für die Zeit nach der Krise.
FAZ: Mein Fenster zur Welt: Mailand - Ein Zeitalter geht zu Ende
Ein sehr lesenswerter Text über das Leben in Mailand mit Perspektiven.
Der Postillon (Satire): Politiker, die die letzten Jahrzehnte damit verbrachten, Gesundheitssystem kaputtzusparen, bedanken sich bei Gesundheitspersonal für unermüdlichen Einsatz
Spricht für sich!
Der Spiegel: Sascha Lobo - Wider die Vernunftpanik
Viele gute Denkanstöße, die auch intensiv die Frage aufgreift, wie unterschiedlich wir in unseren sozialen Realitäten betroffen sind.
Der Tagesspiegel: Die dopplete Hölle von Lesbos
"Bis das Coronavirus das griechische Lager Moria erreicht, ist nur eine Frage der Zeit. Es trifft dort auf 20.000 Menschen, Gewalt – und besten Nährboden."
Coronavirus in Italien: "Entschuldigung, aber ich muss weinen"
Wer die Dramatik der Situation nicht begreifen kann, sollte das lesen.
TAZ: Corona-Dämmerung für Neoliberalismus: Ende einer Theorie
SZ: Coronavirus - Die Demokratien müssen Krise lernen
Der Tagesspiegel: Gewaltenteilung in Gefahr
"Die Exekutive hat derzeit extreme Macht, das darf nicht von Dauer sein"

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