Nachdem ich mich als Autorin vorgestellt habe, möchte ich nun etwas näher auf mein Schreiben eingehen. Genauer gesagt, möchte ich euch mein nächstes Galgenmärchen präsentieren:
»Bärenbrut«.
Eine längere Kurzgeschichte, die am 20. Juli als e-Book only veröffentlicht wird. Nichts könnte die Geschichte besser beschreiben als sie sich selbst, darum habe ich euch ein besonderes leckeres Stück Leseprobe rausgesucht – bisher unveröffentlicht, versteht sich :)
Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen! Vorab der Klappentext zum Blutlecken:
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Nie wird Thorben den Anblick seines toten Vaters vergessen: zerfleischt von einem Bären.
Nachdem er den Schrecken des Krieges nur knapp entronnen ist, baut er sich als Jäger ein neues Leben auf. Er heiratet, bekommt einen Sohn. Doch die Menschen in seinem Dorf sind ihm gegenüber misstrauisch. Ein Fluch soll auf seiner Familie lasten.
Als seine lang verschollene Mutter wieder auftaucht und ihr der Tod ihres Mannes beigebracht werden muss, brodeln die Gerüchte von damalswieder. Thorbens Vater sei nicht von einem Bären getötet worden, heißt es. Ein Mensch in Bärenhaut habe die Bluttat begangen … ein Gestaltwandler.
Was ihn auch getötet hat, es lauert noch immer im Dorf – und Thorben muss sich ihm stellen. Wenn nicht für seinen Vater, dann um sich und seine Liebsten zu schützen.
Das Prequel zur preisnominierten Novelle »Wolfssucht«: Eine dunkelfantastische Kurzgeschichte zur Vorzeit des 30-jährigen Krieges, angelehnt an das Grimm'sche Märchen »Der Bärenhäuter«.
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Leseprobe »Bärenbrut« [unveröffentlichte Fassung]
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Alles brannte. Thorbens Augen, sein Gesicht, die Welt um ihn herum. Er konnte sich nicht rühren, nicht schreien, war dem höllischen Brennen hilflos ausgeliefert. Durch seinen Tränenschleier sah er das Kanonenrohr, zerfetzt auf verrußtem Stein. Nicht nur das Geschütz war zerrissen worden, auch die Zinne und einige seiner Kameraden.
Thorben lag da, im Schweigen des Todes, selbst nicht tot – oder doch? Eine schwarze Angst grub sich in seine Knochen, wie er sie noch nie in seinem Leben verspürt hatte.
»Na, Junge?« Ein Fuß trat neben ihn. Ein unnatürlich klobiger Fuß, der den Stiefel regelrecht anschwellen ließ. Thorben wusste sofort, wer vor ihm stand: Es war der Fremde, der ihm vor seinem toten Vater erschienen war. »Willst du also den Soldatentod sterben?«
Die Angst wurde zu Grauen, fand einen Weg, schmerzhaft durch Thorbens Hals zu kratzen: »Ich … ich sterbe nicht.«
Der Fremde kniete sich nieder, versenkente seinen Schlangenblick in Thorbens Augen. »Doch, das tust du. Bist dem Tod aber auch verzweifelt nachgejagt.«
Seine Worte vergifteten ihn bis aufs Mark: Es stimmte. Thorben war die ganze Zeit dem Schatten seines toten Vaters nachgelaufen. Nun, da er an der Schwelle des Todes stand, war sein Vater nicht da. Hier gab es nichts. Nur Stille, auslöschendes Brennen, das irgendwann selbst zu Nichts erkalten würde. Tränen liefen aus Thorbens Augen, vergingen schreiend auf seinem Gesicht, das eine einzige Wunde war.
»Ich kann doch nicht einfach so sterben«, wimmerte er. »Was … was hat mich überhaupt …«
Der Reisende unterbrach ihn: »Schau!« Thorbens Sicht wurde plötzlich klar, obwohl das nicht möglich sein sollte. Er sah die Festung und wie in ihr gekämpft wurde. Die christlichen Kämpfer wurden gnadenlos von osmanischen Säbeln niedergemäht.
»Erlau wird fallen, Junge. Und du auch.« Der Fremde bleckte die Zähne. »Tu es schon – sieh deinem Fall ins Gesicht!«
Thorben wollte es nicht. Doch irgendeine böse Macht hielt seine Augen offen, ließ ihn trotz Schmerz und Tränen nicht blind werden. Er sah die osmanischen Krieger mit ihren vor Blutdurst verzerrten Gesichtern. Und Thorben, der hier gebrochen lag, erkannte, dass er nicht mehr Jäger war, sondern Gejagter. Wie ein Tier in der Falle, und wie ein solches würde er abgeschlachtet werden.
»Was haste gesagt?«, fragte der Fremde.
Ja, was? Thorben hatte sein eigenes Flüstern nicht bemerkt: »Ich will nicht … als Nichts sterben.«
»Verständlich. Wo du dir in deinem Dorf ein neues Leben mit deinem Sold aufbauen kannst. Das Mädel dieses Bettlers könntest du auch heiraten … Elfriede hieß sie, nicht? Willst du das alles? Willst du gut und gierig leben?«
»Ja«, rief Thorben heiser.
»Ich soll dir also helfen, Junge? Dein Leben retten? Und darf irgendwann zu dir zurückkehren, um Vergeltung dafür einzufordern?«
»Ja, ja, ja!«
Der Schlangenäugige hielt ihm die Hand hin. Thorben traute seinen Augen nicht: Darin lag der Holzring, den er vor vielen Jahren verloren hatte. Dessen Gegenstück er Elfriede schenkte.
»Ich bin Sam Morgenstern – sag mir deinen Namen und schlag ein.«
Thorben brach irgendwie saus seiner Starre. Nicht nur seine verbrannte Haut schmerzte. Auch in ihm selbst schien etwas zu verglühen, da er zitternd die ausgestreckte Hand und den Ring darin berührte: »Thorben Jägerssohn.«