»Kann ich helfen, meine Dame?« Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich habe ihn noch nie gesehen, aber ich erkenne ihn sofort.
»Marco?«
»Gewiss, meine Dame!«
»Ich habe ein Treffen mit Principe Gabrielli vereinbart.«
»Ah – der Principe erwartet Euch.« Marco, der alte, treue Majordomus, öffnet das Tor und lässt mich ein.
Er führt mich auf einem kleinen Seitenweg um den Palazzo herum in den Park. Auch hier sind Pinien und Zypressen gepflanzt, Buchsbaum und vor allem Rosen, immer wieder Rosen. Marco führt mich weit in den Park hinein zu einer Wiese. Zwei Männer stehen sich dort gegenüber, den Degen in der Hand. Sie unterbrechen ihr Training, als sie mich erblicken. Der eine legt den Degen zur Seite und kommt mir entgegen. Ein breites Lächeln zieht über sein Gesicht. Principe Laurenzio Francesco Victoriano Maria Daniele Gabrielli, den all seine Freunde nur Enzio nennen, steht mir gegenüber. Er nimmt meine dargebotene Hand und küsst sie.
»Meine Autorin! Es ist mir eine Freude, Euch auf meinem Anwesen begrüßen zu dürfen. Marco, bringe unserem Gast eine Erfrischung.«
»Gewiss, Herr, gewiss!« Der alte Diener schlurft davon. Principe Gabrielli reicht mir seinen Arm. Ein wenig verlegen lege ich meine Hand darauf. Enzio ist schlank, einen Kopf größer als ich. Seine langen dunklen Haare sind im Nacken zu einem Zopf gebunden. Eine Narbe zieht sich über Stirn und Wange. Eigentlich müsste ich mich dafür entschuldigen, oder? Ehe ich mich entschieden habe, beginnt Principe Enzio das Gespräch.
»Ihr seid also den ganzen weiten Weg gekommen, nur, um sie zu sehen? Nun, das verstehe ich.« Er führt mich zurück in den Rosengarten. »Sie ist wirklich etwas ganz Besonderes. Ich kann gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dass ich sie die Meine nennen darf.«
Schon von weitem nehme ich ihren Duft wahr. Eine purpurne Rose, die eine Laube völlig überwuchert. Ich kann gar nicht anders, als meine Nase zwischen die Blüten zu stecken. Der Principe beobachtet mich grinsend.
»Sie ist wirklich etwas ganz Besonderes, eine seltene Züchtung. Wer einmal ihren Duft eingeatmet hat, wird süchtig danach.« Einige Momente verweilen wir bei der Rose.
»Enzio!« Eine junge Frau eilt vom Palazzo her auf uns zu, gekleidet in ein helles Kleid, den Sonnenschirm dreht sie spielerisch in ihren Händen. Enzio blickt ihr lächelnd entgegen.
»Und hier ist sie! Die Frau, die Ihr mir zur Seite gestellt habt, meine Frau Autorin. Ich kann Euch gar nicht sagen, wie dankbar ich Euch dafür bin.« Principe Enzio hat noch nie viel Wert auf Standesregeln gelegt. Er umfasst seine Braut und küsst sie, hier, mitten im Garten. Die beiden vergessen mich völlig. Dezent ziehe ich mich zurück und lasse die beiden alleine.
»Klar« Er führt mich über den Hof. Das Grundstück ist größer, als es auf den ersten Blick scheint. Hinter dem Gästehaus führt ein schmaler Pfad zu einem Garten mit Olivenbäumen. Eine Bank lädt die Gäste ein, in dieser gemütlichen, stillen Ecke auszuruhen. Am Rand des Gartens steht eine Scheune.
»Ein paar Schafe hat mein Vater noch. Aber das weißt du ja.« Fabio grinst schelmisch und läuft mit mir zu der Scheune hinüber. Die Schafe sind schon wieder in ihrem Verschlag.
»Gib es zu, diesen Ort wolltest du sehen ...« Ich werde ein wenig rot. Er hat mich ertappt. Unwillkürlich schaue ich nach oben, auf den Heuboden. »Genau, das ist der Ort, an den ich mich mit Fleur zurückziehe, wenn ich einmal mit ihr alleine sein will. Nur schade, dass meine Geschwister manchmal dieselbe Idee haben.« Wir lachen beide bei der Erinnerung an das erste Weihnachtsfest, das Fleur und Fabio miteinander verbracht haben.
»Komm, du musst Fleur kennenlernen! Und meine Eltern. Sie warten sicher schon mit dem Abendessen auf mich. Du bist eingeladen!« Ich kann diesem freundlichen Lächeln nicht widerstehen. Auch wenn ich befürchte, dass ich von diesen gastfreundlichen Menschen nicht so schnell werde loskommen können. Eigentlich habe ich noch andere Protagonisten besuchen wollen. Naja, ein anderes Mal …