(dt.: Es war)
Mit Greta Garbo, John Gilbert, Lars Hanson, Barbara Kent, Eugenie Besserer u.a.
Regie: Clarence Brown
Dauer: 112 min
Verfügbar ist der Film auf einer DVD, die im deutschprachigen Raum erschienen, inzwischen aber vergriffen ist.
Da war etwas in Garbos Augen, das man nicht sehen konnte, außer man drehte sie in Großaufnahmen. Man konnte die Gedanken sehen. Wenn sie die eine Person eifersüchtig ansehen sollte und eine andere verliebt, brauchte sie ihren Ausdruck nicht verändern. Man konnte es in ihren Augen sehen, während sie von einem zum anderen blickte. Und niemand sonst hat das jemals auf der Leinwand geschafft.
(Clarence Brown, zitiert aus Kevin Brownlow: Pioniere des Films)
Was zum Teufel Regisseur Brown in Garbos Augen gesehen haben mag, bleibt mir nach der Sichtung des ersten Films, den er mit dem schwedischen Vamp gedreht hatte, ein Rätsel.
Falls er Recht hätte mit seiner Aussage, desavouierte er sich als Regisseur selbst, denn man müsste ihm nachsagen, die oben behauptete Ausdrucksfähigkeit nicht eingefangen zu haben.
Nun bleibt es jedem selbst überlassen, zu urteilen: Entweder taugt der Regisseur zu wenig, oder er hat seinen Star überbewertet.
Ich zähle Clarence Brown durchaus weder zu den bedeutenden noch zu den besonders begabten Filmregisseuren. Mit der oben zitierten Aussage schiesst Brown allerdings weit am Schwarzen vorbei – was m.E. durchaus Rückschlüsse auf seine Fähigkeiten zulässt.
Der Regisseur der “Göttin”: Clarence Brown
Mein Urteil über die Garbo fällt vernichtend aus, vernichtender als jenes über den Regisseur (der später – wen wundert’s – zu ihrem Regisseur werden sollte): Garbo schauspielerisches Talent ist schlichtweg nicht vorhanden. Ausdruck? Von wegen!
Und genau dies bringt ihr Regisseur hier ans Tageslicht. Gnadenlos und ungewollt.
Sobald die Garbo auftritt, tritt der Film – an Ort. Zu sehr sind ihr Regisseur und ihr Kameramann William H. Daniels (der die Ikone Garbo massgeblich geformt hatte) damit beschäftigt, ihr Gesicht, in Grossaufnahme, möglichst vorteilhaft auszuleuchten und zu präsentieren. Sosehr, dass die Handlung darüber aus dem Tritt gerät und immer wieder stockt.
Die Grossaufnahmen haben noch einen weiteren ungünstigen Nebeneffekt: Garbos mimische Hilflosigkeit, ihre schauspielerische Starrheit wird geradezu schmerzhaft sichtbar. Ihr Gesicht bleibt selbst bei Gefühlsausbrüchen leer, die mimische Unfähigkeit macht sie mit Kopfwackeln wett, wobei sie immer wieder in unpassenden Momenten für unfreiwillige Komik sorgt. Im Tonfilm wurde ihre schauspielerische Unbedarftheit durch das Sprechen noch unterstrichen. Warum ist diese Frau nur derart berühmt geworden?
Mimik? Wo? Die Garbo versucht zu schauspielern
Für mich ist dies eines der grossen Rätsel der Filmgeschichte. Die Kraft der Mythenbildung darf eben nicht unterschätzt werden. Die Legende ist meist stärker als die Realität, welche manche auch dann nicht sehen wollen/können, wenn sie direkt darauf gestossen werden.
Hier tritt die Garbo (die eigentlich Greta Lovisa Gustafsson hiess) zum ersten Mal an der Seite von John Gilbert auf. Damals war Gilbert der Star, nicht die Garbo. Ihr Name steht in den Credits denn auch deutlich kleiner unter jenen der männlichen Hauptdarsteller John Gilbert und Lars Hanson. Doch das sollte sich spätestens zu Tonfilmzeiten ändern: Gilbert (der eigentlich John Cecil Pringle hiess) wurde vom Tonfilm verschluckt, verstarb viel zu früh und geriet dann schnell in Vergessenheit, während die Garbo zur grossen Kino-Ikone wurde, ein Staus, den sie noch heute inne hat.
Zu Stummfilmzeiten und im frühen Tonfilm waren die beiden das bekannteste Leinwand-Liebespaar Amerikas, auch privat waren sie eine zeitlang liiert.
Auch privat ein Paar: John Gilbert und Greta Garbo
John Gilbert und Garbos Mit-Schwede Lars Hanson spielen ein Freundespaar, zwischen welches sich Garbo als teuflisches Weib stellt und die Freunde zu entzweien droht. Schwülstig wird da erst Freundschaft und später Liebe geschworen, die Emotionen gehen hoch, leidend und augenrollend werden Handrücken an Stirnen gelegt – man kennt das ja. Hier kriegt man die volle Ladung.
Doch Flesh and the Devil ist nicht nur schlecht. Es gibt Szenen, die sich durchaus sehen lassen können – die Garbo kommt in keiner davon vor. Kameramann Daniels bestand auf langen Grossaufnahmen der “Göttin” und Regisseur Brown bringt zuwenig Stilwillen auf, sich diesem Diktat zu widersetzen. Ganz anders verhielt es sich mit Regisseur Fred Niblo im ein Jahr später gedrehten Film The Mysterious Lady. Er vermochte die Garbo richtig und überzeugend einzusetzen – trotz desselben Kameramannes; er inszenierte Garbo zwar auch, verlor dabei aber nie den Blick auf’s Ganze.
Was in den beiden von Fred Niblo inszenierten Garbo-Vehikeln The Temptress und The Mysterious Lady kaum auffiel, tritt hier offen und nicht zuletzt dank der Mittelmässigkeit des Regisseurs zutage: Die Garbo konnte nicht schauspielern.
Wenn man Flesh and the Devil heute sieht, vermag man kaum nachzuvollziehen, dass er die Geburt der Leinwandgöttin Garbo markiert. Eine raffiniert ausgeleuchtete Maske in Grossaufnahme schien damals ein derartiges Novum gewesen zu sein, dass die Garbo schon bald den Stern ihres Partners John Gilbert zu überstrahlen vermochte.
Spiel endlich anständig, sonst würg’ ich dich!
Die Vorlage stammt übrigens vom selben Hermann Sudermann, dessen Novelle “Die Reise nach Tilsit” ein Jahr später für das Meisterwerk Sunrisevon F.W. Murnau Pate stand. Hier verarbeitete Hollywood Sudermanns Roman “Es war”. Der Film spielt übrigens in Österreich, am Drehbuch soll auch der Lubitsch-Spezi Hanns Kräly beteiligt gewesen sein – aber wohl nur am Rand; Krälys Drehbücher sprühen in der Regel vor Witz, eine Qualität die man Flesh and the Devilbeileibe nicht nachsagen kann!