Kann es sein, dass der Mensch in Geschichte nie aufgepasst hat? War er beten oder Kreide holen als es um die deutsche Verantwortung an zwei Weltkriegen ging? Anders ist kaum zu erklären, welchen Bullshit der Mann dieser Tage von sich gab.
Und wie der Herr Gauck dann fertig ist mit seiner Darstellung des bösen “ostdeutschen” Militärs kommt er auch gleich zu Sache: “…Und bin froh, weil ich zu dieser Armee und zu den Menschen, die hier dienen, aus vollem Herzen sagen kann: Diese Bundeswehr ist keine Begrenzung der Freiheit, sie ist eine Stütze unserer Freiheit.” – ja, vermutlich am Hindukusch.
Vielleicht tut es Not, Herrn Gauck daran zu erinnern, dass auch die Bundeswehr Nachfolger der Wehrmacht ist – die NVA trug die Uniformen der Wehrmacht auf; die Bundeswehr deren Gedankengut.
Dieses Gesalber über die hehren Werte, die innerhalb der Armee herrschen kann nur jemand von sich geben, der nie in einer der nervtötend langweiligen und die schlechtesten Instinkte des Menschen hervorrufenden Armee gedient hat. Das gilt im Übrigen für jede Armee.
“Ich denke daran, wie in den Jahren nach 1990 die Bundeswehr eine “Armee der Einheit” wurde – und aus Soldaten, die einst vielleicht aufeinander hätten schießen müssen, Kameraden.” Die sog. “Armee der Einheit” ist so einheitlich wie die US-Army. Dort sind es die Afroamerikaner, die einen im Verhältnis zur Bevölkerung viel zu hohen Anteil bilden; bei der Bundeswehr übernehmen junge Männer und Frauen aus den “fünf neuen Bundesländern” diese Rolle.
Die “Armee der Einheit” ist eine Armee derer, die sich sonst in der Gesellschaft kaum behaupten können und nur geringe Zukunftsaussichten haben. Es ist der Teil der Gesellschaft, der nie eine Chance bekommt.
Ob sich unser Bundespräsident bei einem Satz wie diesem: “Die Bundeswehr auf dem Balkan, am Hindukusch und vor dem Horn von Afrika, im Einsatz gegen Terror und Piraten – wer hätte so etwas vor zwanzig Jahren für möglich gehalten?” selbst Beifall klatschte ist dem zitierten Artikel nicht zu entnehmen. Aber es steht zu vermuten. Denn vor zwanzig Jahren war Deutschland noch vernünftiger und nicht der Meinung, dass es aufgrund seiner wirtschaftlichen Interessen nützlich sei, auf dem Balkan, am Hindukusch oder vor der somalischen Küste Macht zu zeigen. Es war in der Gesellschaft noch nicht vergessen, wohin es führen kann, wenn wirtschaftliche Interessen über Menschenrechte stehen.
Insofern ist Gauck jedoch ein kongenialer Partner der Merkel-Regierung. Die vergißt ja auch immer dann ihr hohles Menschenrechtsgefasel, wenn es etwas zu verkaufen gibt. Ob es sich dabei um Panzer für Saudi-Arabien oder U-Boote für Israel handelt.
Ich kann es nur überaus verlogen nennen, wenn Gauck dann noch den Anschein erwecken will, dass die Bundeswehrauslandseinsätze die Zustimmung der Bevölkerung finden: “Es muss da debattiert werden, wo unsere Streitkräfte ihren Ort haben: in der Mitte unserer Gesellschaft.”2
Und nun , ganz Pfaffe: “Die Abscheu gegen Gewalt ist verständlich. Gewalt, auch militärische Gewalt, wird immer auch ein Übel bleiben. Aber sie kann – solange wir in der Welt leben, in der wir leben – notwendig und sinnvoll sein, um ihrerseits Gewalt zu überwinden. Allerdings müssen wir militärische Einsätze begründen.” Im Klartext: Gewalt ist Mittel der Politik. Und wir begründen dann schon, weshalb wir das für richtig halten. Dabei helfen uns BILD und RTL.
Gauck kommt nicht einmal auf den Gedanken, dass Gewalt das allerallerletzte Mittel sein darf, um das eigene Land gegen Angriffe von Außen zu verteidigen. Was er hier kundgibt ist die Doktrin von einem “begrenzten” Angriffskrieg!
Auch wenn er ein paar Sätze weiter versucht, das in (s)ein Geschichtsbild zu klitten; es bleibt ein Graus. “Dass Frieden, Freiheit und die Achtung der Menschenrechte vielfach nicht von allein entstehen – wer wüsste das besser als wir Deutschen?” Deshalb masst sich Gauck an, den Apologeten des “Exports von Demokratie” – die so überaus erfolgreich in Irak und Afghanistan waren, zu Munde zu reden? Hätten die Deutschen den letzten Krieg nicht so absolut verloren…
Ich finde es unerträglich, zu lesen, was der oberste Repräsentant des Volkes von sich gibt: “Freiheit und Wohlergehen sehen viele als Bringschuld von Staat und Demokratie. Manche verwechseln Freiheit mit Gedankenlosigkeit, Gleichgültigkeit und Hedonismus. Andere sind sehr gut darin, ihre Rechte wahrzunehmen oder gegebenenfalls auch vehement einzufordern. Und vergessen dabei allzu gern, dass eine funktionierende Demokratie auch Einsatz erfordert, Aufmerksamkeit, Mut…” Es ist eine unglaubliche Frechheit, was der Mann sich mit diesen Sätzen leistet. Es ist eine Pauschalisierung, die vor allem Einem dient: den Damen und Herren von Militär mitzuteilen, dass sie bessere Menschen sind als “der gewöhnliche Zivilist”. Diese Reden gab es in Deutschland bereits schon einmal. Kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges.
Der Staat hat vor allem eine “Schuld”: die Freiheit des Menschen zu garantieren. Das ist seine Pflicht! Und keine “Bringschuld” – dieses Wort setzt nämlich die ins Unrecht, die ihre Rechte einfordern!
Und dann fällt der wohl meistdiskutierte Satz seiner Rede: “Hier, in der Bundeswehr, treffe ich auf Menschen mit der Bereitschaft, sich für etwas einzusetzen – gewissermaßen auf “Mut-Bürger in Uniform”! Man trifft diese Bereitschaft auch an anderen Orten, in vielen sozialen Berufen etwa oder wenn man die Orden verleiht, die ein Bundespräsident verleihen darf.”
Ja wie erfreulich für den Bundespfaffen… er darf Orden verleihen. ja da freuen wir uns aber alle sehr.
Und nur die also, die ihren Hintern hinhalten für die Wirtschaftsinteressen Deutschlands an politischen und kriegerischen Brennpunkten der Welt sind “Mutbürger”? Und all die, die gegen soziale Kälte auf die Strasse gehen, Wutbürger?
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Alle Zitate aus der bei SPON veröffentlichten Rede Gaucks vor der Führungsakademie der Bundeswehr.
PS: Allerdings scheint ein Schlüsselsatz verändert worden zu sein (was darauf schließen lässt, dass es auch andere “entschärfte” Passagen gibt). Denn der Focus zitiert Gauck mit “Und dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für unsere glückssüchtige Gesellschaft schwer zu ertragen.” - aus dem Satz wird bei SPON dann: “Und dass es wieder deutsche Gefallene gibt, ist für die Gesellschaft schwer zu ertragen.” - da fehlt das vieldiskutierte Wort “glückssüchtig”! Qualitätsjournalismus pur…
PSS: Zu empfehlen dazu auch Albrecht Müller bei den Nachdenkseiten: Worte des Bundespräsidenten: Ekelhaft und geschichtsvergessen
- was an sich richtig ist… ↩
- Ich stelle jetzt mal nicht die Frage, ob die Bundeswehr tatsächlich die “Mitte der Gesellschaft” darstellt… ich habe da große Zweifel. ↩