Gastfreundliche Grenzgänger mit 1.000 Jahren Tradition

Gastfreundliche Grenzgänger mit 1.000 Jahren Tradition

Im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet lebt die uralte Tradition des Volksstammes der Choden bis heute weiter – bei deutschen Urlaubern wird das ursprüngliche Chodenland als Ferienregion immer beliebter.
Pilsen (ce-press - internet-zeitung) – Sie waren die Grenzgänger des Mittelalters und haben in Böhmen einer ganzen Region den Namen gegeben: die Choden. Sie begleiteten Handelskarawanen, Diplomaten und Reisende durch die Tiefen der böhmischen Wälder zur nächsten Zollstation. Sie bewachten in Kriegszeiten verlässlich die Grenzen zwischen dem Bayerischen und dem Böhmischen und genossen daher Privilegien wie die Befreiung von Frondienst, Steuern und Zöllen. „Choden“ bedeutet auf Tschechisch so viel wie „die Gehenden“ und rührt von der Wach- und Patrouillefunktion an der Grenze her. Der Volksstamm hat sich seine rund 1000-jährige Tradition bis heute erhalten. Ihre Heimat, das Chodenland am bayerisch-böhmischen Grenzstreifen rund um Domazlice und Chodov gelegen, gilt bis heute als einzigartige und touristisch bislang nur wenig entdeckte Schatzkammer des böhmischen Brauchtums. Nur dort tragen die Menschen bis heute ihre farbenprächtige Tracht im Alltag und pflegen die Volksmusik ihrer Urväter. Daran konnte auch der Kommunismus nichts ändern. Heute sind die Choden stolz auf ihre Geschichte – und immer mehr deutsche Ausflügler begeben sich auf eine Zeitreise in eine andere Welt.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs lebt die 1000-jährige Tradition der Choden neu auf. Die Zeiten, als die einstige Sommerresidenz der Choden-Herrscher, das Barockschloss Trhanov, als Kaserne und Lagerraum genutzt wurde, sind allerdings vorbei. Die Wache haben die Choden, deren Gebiet heute vor allem den westböhmischen Landkreis Domazlice umfasst, längst abgegeben: Statt kriegerischer Auseinandersetzungen mit den Bayern ist in den letzten Jahrzehnten eine tiefe Freundschaft gewachsen. Mehrere Freundeskreise suchen den Austausch mit den Nachbarn in der Oberpfalz.
Bei deutschen Besuchern erfreuen sich Ausflüge in das Land der Choden zunehmender Beliebtheit, wenn die Region auch nach wie vor als Geheimtipp gilt. „Kameny a dudy najdes na Chodsku vsudy“, sagt man im Chodenland. Übersetzt heißt das: „Steine und Dudelsäcke findet man im Chodenland überall.“ Wer eine Reise in den südwestlichen Teil Tschechiens unternimmt, wird feststellen: das stimmt. Eventuell müsste man die Aufzählung wohl noch um den goldenen Gerstensaft ergänzen, der die Region um Pilsen weltberühmt und auch vor den Choden nicht Halt gemacht hat.
Beliebt bei deutschen Touristen sind in der westböhmischen Region neben dem Chodenland vor allem die unberührten Wälder des Cesky les (Oberpfälzer Wald) und des Sumava (Böhmerwalds) mit vielen hundert Kilometern Wanderwegen, Panorama-Ausblicken in den Nationalpark und Einkehrmöglichkeiten sowie zahlreichen historischen Bauten, die nach aufwändigen Sanierungen in den vergangenen beiden Jahrzehnten in neuem Glanz erstrahlen.
Zu den Kulturdenkmälern gehören insbesondere die Klöster Plasy und Kladruby, die Burgen Radyne, Svihov, Burg Kasperk, Rabi, Velhartice und die Schlösser Kacerov, Horsovsky Tyn, Kozel und Manetin. In der Region befinden sich drei städtische Denkmalschutzreservate (Domazlice, Horsovsky Tyn und Pilsen) und 21 städtische Denkmalzonen. Denkmalgeschützt sind insgesamt 47 Dorfkerne. In Chanovice begeistert ein Freilichtmuseum mit ländlicher Architektur jährlich tausende Besucher aus dem In- und Ausland. Zu den landschaftlichen Sehenswürdigkeiten gehört die Bolevecka rybnicni soustava, eine Teichanlage aus dem 15. Jahrhundert am Rande Pilsens. Wichtige Freizeitgebiete sind der Stausee Hracholusky und der Fluss Berounka.
Viele Jahre lang waren tschechische Urlauber in den „Perlen Westböhmens“ beinahe unter sich: Inzwischen entdecken aber immer mehr Deutsche den rauen und ursprünglichen Charme der Region – ob auf dem Weg in die westböhmische Metropole Pilsen oder bei einer Auszeit auf dem Land: 68.000 deutsche Besucher zählten die Hotels im Pilsner Bezirk (ohne die Stadt Pilsen) im vergangenen Jahr. Damit führen die Bundesbürger die Besucherhitparade der ausländischen Gäste mit großem Abstand an. Weit abgeschlagen folgen auf Platz 2 die Niederländer (12.600 Gästeankünfte) und die Polen (8.800 Gästeankünfte). „Das Interesse der Deutschen an der Pilsner Region und der Stadt Pilsen ist enorm“, sagt Ilona Snebergerova, die Leiterin der Abteilung für Kultur, Denkmalpflege und Tourismus bei der Bezirksregierung Pilsen.
In den nächsten Jahren wollen die Verantwortlichen in der Region mit rund 560.000 Einwohnern und einer Fläche, die etwa halb so groß ist wie Thüringen, vor allem auf eine noch stärkere Vermarktung ihrer touristischen „Schatzkammer“ setzen. Schwerpunkt soll dabei der Dreiklang aus Natur, Tradition und Gastronomie sein. „Wir wollen das einzigartige Angebot unserer Region stärker kommunizieren und neue Angebote machen, die vom Bier bis hin zum Dudelsack das einzigartige Angebot unserer Region abbilden", sagt René Zeithaml von der Kommunikations- und Marketingabteilung der Pilsner Bezirksregierung. Auch ein Werbefilm in englischer Sprache sei geplant. Zusätzlichen Schub für die gesamte Region erwarten die Tourismus-Manager des Bezirks auch durch die Ernennung Pilsens zur Kulturhauptstadt 2015.


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