Heute dürfen wir uns wieder über einen Gastbeitrag freuen: Wolfgang Scheidle ist Mediengestalter und hatte schon immer den Wunsch, ein eigenes Spiel zu entwickeln - mit dem Tischtennis Manager ist es ihm gelungen. Wir erfahren, wie es zu dieser Spielidee kam, wo es die größten Probleme gab und welchen weiteren Herausforderungen er sich bezüglich der Programmierung stellen musste. Außerdem gibt es wertvolle Tipps für junge Spieleentwickler*innen.
Wir bedanken uns bei Wolfgang für seinen interessanten Artikel und wünschen viel Spaß beim Lesen!
Da ich als begeisterter Gamer (aufgewachsen zu den C64-Zeiten) schon immer einmal ein eigenes Spiel gestalten wollte, selbst Tischtennis spiele und diese Nische bei den Browsergames noch nicht abgedeckt war, lag es nahe einen Tischtennis Manager ins Leben zu rufen. Die Idee entstand bereits im Jahr 2006. Zu der Zeit war die Blütezeit der Browsergames und ich hatte damals bei Planetarion mitgespielt und war von dem Prinzip begeistert. Der voraussichtliche Starttermin war für Sommer 2007 geplant, doch der Alpharundenstart war erst am 05.12.2010 und seit dem Serverneustart am 10.12.2012 läuft das Spiel konstant als „Vollversion".
Browsergames bieten die Möglichkeit mit einer einfachen PHP/SQL-Umgebung plattformunabhängig zu entwickeln. Man braucht also nur Spieler mit einem Internetzugang und einem Browser, beides war zu der Zeit bereits flächendeckend vorhanden. Außerdem konnte ich das „Marketing" selbst machen, ohne dass ich mit großen Investitionen abhängig von Publishern war... so dachte ich zumindest.
Mein Problem war, dass ich selbst als Mediengestalter nur die Grafiken liefern konnte, aber vom Programmieren keine Ahnung hatte und deswegen auf die Hilfe eines Programmierers angewiesen war, bestenfalls einem günstigen, denn meine Finanzierung war rein privat durch mein Angestelltenverhältnis gedeckt. Alles sollte als Hobby nebenher mitlaufen, trotzdem.
Vom ersten Programmierer im Stich gelassen
Auf der Suche nach einem Programmierer bin ich dann erst mal auf die Nase gefallen, denn der erste ließ mich hängen und meldete sich irgendwann nur noch, wenn er Geld brauchte. Als ich dann Hackertools auf meinen Server fand, habe ich diese Zusammenarbeit abrupt beendet. Damit war das Spiel schon vor seiner Veröffentlichung fast gestorben, aber ich hatte Glück im Unglück und fand bei der erneuten Suche einen guten Programmierer, der vertrauenswürdig war. Mit diesem arbeite ich heute noch zusammen. Seine Frau ist zudem Grafikerin und im Team stellten die beiden ein besseres Layout zusammen, als ich es selbst je gekonnt hätte.
Antrieb „Geld verdienen" = Böse?Apropos Pay-to-Win: Auch ich bin diesem Vorwurf natürlich ausgesetzt, denn jede noch so unbedeutende Funktion oder Statistik, die einem Premiumuser vorbehalten ist, bedeutet einen Vorteil für einen Zahler. Ich persönlich denke, dass der Tischtennis-Manager sehr ausgewogen ist und einige Spieler, die es bis ganz nach oben geschafft haben, ohne echtes Geld zu investieren, beweisen dies auch, aber es ist trotzdem eine Angriffsfläche.
Wer deswegen Angst hat, sein Spiel mit bezahlten Inhalten auszustatten, dem möchte ich folgendes sagen: Ohne die Bezahlfunktionen, würde es den Tischtennis-Manager nicht geben, denn mit den Einnahmen bezahle ich Programmierer, Grafiker, Übersetzer, Server, Werbung, etc. Nur diese Menschen und die kostenintensive Werbung haben es geschafft, dem Tischtennis-Manager überhaupt Leben einzuhauchen und das allein ist für mich schon Rechtfertigung genug.
Wer sein Projekt mit ein paar Kumpels ohne Geldeinsatz hochzieht, dem gratuliere ich, aber ich bin davon überzeugt, dass diese Banden nicht halten werden, wenn es keine klaren Hierarchien sowie Vergütungen gibt. Spätestens wenn ein Projekt erfolgreich ist, wird es zum Bruch kommen.
Deswegen mein Tipp: Wer im Team arbeitet, immer die Leute und ihre Motivation im Blick behalten. Damit meine ich keine Kontrolle, sondern dass man sich in die anderen Mitglieder hineinversetzt und sich die Frage stellt: „Wenn ich an dessen Stelle wäre, warum würde ich hier weiter mitmachen wollen?" Bestenfalls alles genau vertraglich festhalten bzw. nachbessern, wenn sich der Erfolg einstellt. Ich persönlich habe nie eine gleichberechtigte Partnerschaft angestrebt und bin froh darum, wenn ich sehe, wie sich talentierte Teams gegenseitig zerfleischen.
Spieler bei Laune halten: UpdatesUm die Spieler lange an das Spiel zu binden und bei Laune zu halten, gibt es jedes Jahr mindestens ein Update mit neuen Funktionen, Bugfixes und Verbesserungen. Hier greife ich immer auf das Feedback der Spieler zurück und bespreche teilweise auch meine eigenen Ideen im Vorfeld mit ihnen. Das bringt nicht nur ausgereiftere Funktionen, sondern mildert auch Konfrontationen bei der Einführung ab, denn jedes Update ist mit neuen Bugs und Schwierigkeiten verbunden und stellt ein Risiko für die Stabilität des Spieles und das Wohlwollen der Spieler dar.
Konzeptionell begann ich damit, alles in Word- und Exceldokumenten zu dokumentieren. Der Austausch mit dem Programmierer lief über E-Mails. Heute kommunizieren wir neue Funktionen, Bugfixes, etc. hauptsächlich über GitLab und Eiliges klären wir über einen Chat. Da es bei meinem Spiel auf die täglichen Berechnungen der Spiele ankommt, teste ich Neues entweder über sog. Speedgames, das sind Spiele, die man in kurzen Zeitabständen, z.B. im Minutentakt spielt, (um langfristige Auswirkungen auf Änderungen zu testen) oder in manche Testauswertungen in Excel.
Youtube-Trailer selbst erstelltUm die Spieler leichter ins komplexe Spiel einzuführen, habe ich im Spiel Tutorials integriert, die jeden Bereich erklären. In der deutschen und englischen Fassung gibt es diese sogar von mir selbst eingesprochen zum Anhören. Auch wenn ich natürlich kein professioneller Sprecher mit Studio bin, hoffe ich, dass die Audios mehr nutzen als verwirren, jedoch bekam ich, vor allem für die englische Aussprache, schon den einen oder anderen Lacher zu hören. Wer die Preise für Profis kennt, weiß warum ich diese Kosten gescheut habe. In YouTube gibt es zusätzlich Videotutorials, vor allem das für Anfänger, um mit dem Spiel warm zu werden.
Ähnlich ist es mit dem Trailer zum Spiel. Glücklicherweise ist 3D Animation ein weiteres Hobby von mir und ich konnte die Animation halbwegs professionell mit minimalen Kosten umsetzen. Für die Vertonung habe ich dann doch Hilfe bei einem Bekannten gesucht, der eigene Hörbücher produziert und mir einen günstigen Sprecher für die kurzen Texte besorgen konnte.
Hier ist der selbst produzierte Trailer: Browsergames international noch unbeliebterDer Server ist nicht voll und teure Anzeigen, z.B. beim internationalen Tischtennisverband, waren Geldverschwendung, wie fast alle Bannerwerbeaktionen. Printwerbung sowieso. Meine Partnerschaften mit Werbeagenturen, Gameseiten, etc. sind größtenteils ernüchternd, aber unverzichtbar. Dabei habe ich ein paar Geschichten erlebt, die ich öffentlich nicht wiedergeben möchte, jedoch dazu zwei passende Stichworte: Schnelllebigkeit und Unprofessionalität.
Um ein größeres Publikum ansprechen zu können, sicherte ich mir die Domain Tabletennismanager.com und ließ das Spiel in neue Sprachen übersetzen: Englisch, Französisch, Russisch und Chinesisch. Hier wollte ich über kostenlose Forenwerbung, etc. neue Spieler anlocken, aber auch das stellte sich als bedeutend schwieriger heraus, als gedacht, denn anscheinend sind Browsergames mehr so ein „deutsches" Ding. Das internationale Interesse war äußerst gering, das Spiel selbst auch nicht mehr „State of the Art" und mit der chinesischen Übersetzung wollte ich endlich in einem Land mit knapp 1,4 Milliarden Einwohnern und Tischtennis als Nationalsportart punkten und die Server mit neuen Spielern füllen. Jedoch auch hier kam sofort der erste herbe Rückschlag: Die „Great Firewall of China" verlangsamt das Spiel derart, dass es in China unspielbar ist und ich muss nun eine neue Lösung suchen um an neue Spieler zu kommen.
Soviel zum Spiel selbst, aber ich habe auch noch drei Tipps für junge Entwickler, die ich gerne mit meiner persönlichen Erfahrung garniert, weitergeben möchte:
Meine drei Tipps für junge Entwickler Tipp 1: Knie Dich richtig in Dein Projekt reinDamit komme ich gleich zum ersten Tipp für junge Entwickler: Gebt nicht zu schnell auf und kniet Euch in Euer Projekt rein! Denn so düster meine Prognosen für Browsergames allgemein und auch speziell dem Tischtennis Manager waren, mit etwas Fleiß bin ich trotzdem erfolgreich:
Der Tischtennis-Manager konnte letztes Jahr seine Sitzungen um 38,79% mehr User und über 50% mehr Sitzungen (Quelle Analytics) steigern. Und das in einer Zeit in der viele Browsergames aufgegeben werden bzw. große Betreiberfirmen Projekte eingestellt haben. Und ja, ich verdiene mit dem Spiel inzwischen Geld, zwar noch nicht genug um davon leben zu können, aber das ist der Plan. In unserer heutigen Gesellschaft werden Ideen leider schnell wieder aufgegeben, aber die Chance, dass man sofort den großen Wurf landet, ist extrem gering. Die Erfolgsstorys sind Ausnahmen und wenn man sie genauer betrachtet, wird man feststellen, dass auch hier meistens viel Arbeit und Fleiß den Erfolg gebracht haben.
Tipp 2: Community: Lerne emotionsfrei zu diskutierenWer denkt eine Community, z.B. mit einem Forum, ist leicht aufzuziehen, hat sich geschnitten. Ich habe mich viel mit anderen kleinen Browsergamebetreibern ausgetauscht und es gibt ein paar, die haben ihr Spiel aufgegeben, weil sie das Feedback der Spieler einfach nicht mehr ausgehalten haben.
Spieler neigen zu Übertreibungen und online kann man seinen Frust schnell loswerden, da gab es einige Erfahrungen, an denen ich zu knabbern hatte. Beispielsweise habe ich Spieler, die mir gleich am ersten Spieltag des offiziellen Serverstarts 2012 prophezeit haben, dass das Spiel scheitern wird, weil ich dieses oder jenes nicht so umgesetzt habe, wie sie es gerne gehabt hätten.
Fakt ist aber, dass der Server heute (2019) noch läuft und mindestens einer dieser Spieler weiterhin aktiv dabei ist und meine Spieler grundsätzlich, wenn sie sich mal ins Spiel rein gekämpft haben, lange Jahre die Treue halten. Ich glaube keiner würde heute mehr sagen, dass der Tischtennis Manager bald scheitern wird. Jedoch genau mit diesen Aussagen und Schlimmerem, wie Beleidigungen, ist man ständig konfrontiert, vor allem wenn man unbequeme Entscheidungen treffen muss.
Als Entwickler betrachtet man sein Spiel natürlich wie sein eigenes Baby und Kritik, vor allem wenn sie rüde vorgetragen wird, empfindet man als persönliche Beleidigung. Deswegen ein ganz wichtiger Tipp: Wenn man sich durch eine Kritik angegriffen fühlt, erst mal ein paar Stunden oder sogar einen Tag mit der Antwort warten und niemals emotional antworten. Immer versuchen die Emotionen herauszunehmen (auch bei Streitigkeiten zwischen den Spielern) und nüchtern zu erklären, warum man etwas so oder so gemacht hat. Irgendwann wird man von der Community dafür respektiert und erhält Unterstützung.
Tipp 3: Beobachte die KonkurrenzIch denke es fängt meistens so an: Man sieht etwas, findet es gut und möchte etwas ähnliches gestalten, nur besser natürlich ;). Aber man sollte auch nach einem erfolgreichen Start am Ball bleiben. Dies betrifft natürlich nur Spiele, die weiterentwickelt werden, aber im Optimalfall will man das, denn dadurch kann man Spieler langfristig binden, ob nun durch Updates, DLCs, neue Versionen, etc. Ein echter Gamer wird immer die neuesten Spiele zocken, jedoch geht es nicht nur um die Spiele selbst, sondern auch um die Vermarktung, das wichtigste Instrument, woran die meisten jungen Entwickler meiner Meinung nach scheitern.
Deswegen sollte man sich immer genau ansehen, wie es andere Entwickler geschafft haben erfolgreich zu sein und dann den Weg nachgehen, daran ist nichts verwerflich. Es kann auch nicht schaden neue Kontakte aufzubauen, Partnerschaften einzugehen, Messen zu besuchen, in Foren/Social-Media-Seiten aktiv zu sein, Newsseiten zu abonnieren, etc. oder auch die eigene Community für neue Denkanstöße ins Boot zu holen.
Auf das Thema Marketing möchte ich nicht weiter eingehen, da es ein riesiges Feld ist, jedes Spiel individuell betrachtet werden muss und diesen Artikel sprengen würde, jedoch ist es auch ein spannendes Feld und erfordert Kreativität. Obwohl ich mit den sozialen Netzwerken persönlich nicht viel anfangen kann, sind sie heute ein zentrales Thema in der Vermarktung und zudem hat sich das Surfverhalten und damit auch das Spielverhalten zu meiner Generation stark verändert und Handys und Apps beherrschen den Alltag. Deswegen habe ich mich entschlossen auch eine App für Android sowie iPhone zum Tischtennis-Manager bereitzustellen. Diese sind leider nicht sehr komfortabel und setzen auf das mobile Design der Seite auf, da eine Neuentwicklung bei der Komplexität des Spiels eine zu große Investition für mich wäre, aber eignen sich trotzdem als Marketinginstrument.
SchlusswortZugegebenermaßen entspricht der Tischtennis-Manager nicht mehr dem aktuellen Stand der Spielentwicklung und er wird es schwer haben weiter zu expandieren, aber ich bin zuversichtlich, dass ich neue Wege finden werde, Spieler dafür zu begeistern und wünsche mir, dass es viele kleine Entwickler gibt, die auch nicht davor zurückschrecken, etwas Großes furchtlos anzupacken und durchzuziehen, auch wenn sie, so wie ich, bei Null anfangen müssen.
Mein letzter Tipp:
Nicht lange zögern oder zu weit in die Zukunft denken: Einfach mit etwas beginnen und dann konsequent einen Schritt vor den anderen setzen! Ich wünsche Euch viel Erfolg dabei!
Wessen Interesse an meinem Spiel geweckt wurde, der findet es hier:
Table Tennis App Android
Table Tennis App iPhone