Über den heutigen Beitrag freue ich mich besonders. Denn erstens handelt es sich um den ersten Gastbeitrag bei cookin‘ überhaupt. Und zweitens schreibt ein hoch-kompetenter Autor, nämlich ein gelernter Koch, über ein sehr spannendes Thema: Würzen ohne Gewürze. Deshalb will ich auch keine großen Reden schwingen, sondern nur kurz und knapp sagen: „Tom, die Bühne gehört Dir!“
Es ist immer wieder eine Freude, sich hinzusetzen, über Gerichte nachzudenken, neue Kreationen zu entwickeln und aus simplen Produkten fantastische Aromen herauszulocken.
Dabei sucht man zwangsläufig auch nach dem “perfekten Gericht”. Doch – was ist perfekt? Und wer entscheidet es? Zum Glück wird es meiner Meinung nach nie das perfekte Gericht geben – denn Geschmack ist komplett subjektiv.
Es gibt jedoch jede Menge Möglichkeiten für fantastische Geschmackserlebnisse. Ein guter Weg dorthin ist aus meiner Sicht ein stimmiges Gesamtpaket, mithin die Ausgewogenheit des Geschmackes…
Bevor ich jetzt fortfahre, möchte ich mich einmal vorstellen (damit ihr auch einen kleinen Einblick erhaltet, von wem ihr überhaupt diese Meinungen hört und was mich dazu befähigt, auf Olivers Blog einen Gastbeitrag zu schreiben )
Mein Name ist Tom, ich bin 20 Jahre alt und gelernter Koch. Wenn ich nicht gerade bei der Arbeit am Herd stehe, tue ich das Ganze Zuhause. Ich beschäftige mich gerne mit Wein und natürlich der dazugehörigen Korrespondenz zum Essen. Ich bin momentan dabei, meinen Küchenmeister zu machen und mich um die Food & Drink Community Optic Food zu kümmern.
Ich habe euch heute ein Gericht mitgebracht, das auf den ersten Blick weniger komplex & umfangreich erscheint:
Konfierte Dorade , Sous Vide gegarte Portweinschalotte, Erbsenschaum & frittierte Kapern
Wenn ich jetzt erzähle, dass ich den Fisch an sich kein bisschen gewürzt habe, würden mir die meisten jetzt den Kopf abdrehen… Doch natürlich habe ich mich bewusst dafür entschieden. Im Folgenden erkläre ich euch, warum ich die Komponenten gewählt und wie ich sie zubereitet habe. Anschließend folgt dann das Rezept – inklusive Zutatenmengen und Ablaufplan.
Die Produkt Frische ist entscheidend
Als ersten Punkt zu erwähnen: die Frische der Produkte. Klingt logisch, ist aber am wichtigsten. In Gerichten wie diesen beziehe ich mich immer auf ein Hauptprodukt, in diesem Fall die Dorade. Da ich sie nicht würze, braucht sie einen unverfälschten Grundgeschmack. Auf diesem baut dann das Gericht auf.
Die Garmethode vom Hauptprodukt
Garmethoden gibt es ja nun wirklich einige. Jede hat ihre Vor- und Nachteile. In diesem Fall ist es mir wichtig, eine besonders schonende Garmethode zu wählen, denn sie sollte den natürlichen Geschmack nicht auslaugen. Konfieren eignet sich meiner Meinung nach am besten dafür. Außerdem ist beim Fisch besonders wichtig, dass das Eiweiß beim Garen nicht austritt. Um eine leicht nussige Note hinzuzufügen, habe ich etwas Knoblauch im Ofen stark geröstet. Hierdurch verliert er die Schärfe und das penetrante Aroma. Was bleibt, ist ein nussiges Aroma mit dezenten Röststoffen und mit etwas… ich kann es nicht genau definieren, probiert es einfach mal aus (wer fermentierten Knoblauch besitzt, kann auch diesen nehmen – aber bitte nur dezent einsetzten).
Frittierte Kaper – mein Salz-Ersatz
Kapern – mehliert und leicht braun frittiert. Genialer kann man kaum würzen. So habt ihr zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Denn die Kaper gibt uns außerdem noch eine tolle Textur. Besonders angenehm ist, dass die Säure der Kaper nahezu verschwunden ist. Was bleibt, ist hauptsächlich die salzige Note gepaart mit dem typischen Kapern-Aroma. Versucht es einfach mal selber zuhause. Frittierte Kapern lassen sich mit vielen Gerichten gut kombinieren, da sie nicht mehr den dominanten Eigengeschmack durch die Säure aufweisen.
Schalotten Sous Vide – Schärfe, bist du noch da?
Schalotten zählen mit zu den aromatischsten Lauchgewächsen. “Leider” haben sie aber auch eine starke Schärfe, die nicht immer erwünscht ist. In diesem Gericht habe ich die Schalotte mit Portwein Sous Vide gegart. Sie behalten so ihr Aroma und die Schärfe ist nur noch dezent zu bemerken. Besonders interessant ist dann die Kombination mit dem Portwein. Wegen der Farbe und den fruchtigen Noten empfehle ich euch einen Ruby.
Süße ohne raffinierten Zucker
Eine weitere Komponente des Gerichtes ist die Erbse. Leicht angeschwitzt und mit etwas Vanille ist sie mein süßer Bestandteil im Gericht. Durch die Hinzugabe von etwas Milch und Lecithin (kein Muss) habe ich sie noch aufgeschäumt.
Gib mir was zu kauen – warum Textur wichtig ist
Gerichte sollten nicht nur geschmacklich Vielfalt bieten. Sie sollten auch den Kaumuskel etwas beanspruchen und so für ein Erlebnis sorgen. Ohne dafür extra eine eigene Komponente wählen zu müssen, nehmen wir in diesem Fall einfach die Haut von der Dorade und trocknen sie.
Wenn wir gerade bei der Textur sind, möchte ich euch noch einen interessanten Fakt zum Thema “Crunch” erzählen. Crunch kann Geschmack überbrücken und hinauszögern. Wie ist das gemeint? Ich gebe euch ein Beispiel (dieses Experiment könnt ihr auch zuhause ausprobieren): nehmt euch einen Esslöffel und platziert auf ihm eine krosse Komponente, z.B. die Fischhaut. Legt nun eine Geschmackskomponente dazu, die eine weichere Konsistenz besitzt, z.B. den Erbsenschaum und etwas von der Dorade. Nehmt ihr nun den Löffel in den Mund und fangt an zu essen, werden ihr in den ersten 5-6 Sekunden nur das “krosse” Element wahrnehmen. Weder der Fisch noch der Schaum wird sich bemerkbar machen. Sobald der Crunch-Effekt nachlässt, kommen die Aromen zum Vorschein. Durch diese Methode ist es möglich, Gerichten mehr Komplexität und „Länge“ zu verleihen oder auch gewisse Aromen, insbesondere solche, die schnell verfliegen, zu “überspielen”. Ob das Überspielen sinnvoll ist oder nicht ist eine andere Sache. Vielleicht nur interessant mal gehört zu haben. Nun zurück zum Gericht!
Position der Komponenten
Ich habe ja am Anfang erzählt, dass bei einem guten Gericht das Gesamtpaket passen muss. Hierfür ist auch die Position der einzelnen Komponenten wichtig. Was würde es bringen, wenn die ganzen Kapern nur auf einer Seite des Tellers liegen und wir sie zum Schluss essen? Wenn wir den Gästen nicht erzählen wollen, wie sie ihr Gericht am besten essen sollten damit das Paket wirkt, sollten wir uns genau um diesen Punkt Gedanken machen. Im heutigen Gericht habe ich jede Komponente so platziert, dass mit jedem Bissen (oder fast jedem) jede Geschmackskomponente erwischt wird. Das Geschmacksbild bleibt so aufrecht erhalten.
Dorade, Erbse, Schalotten, Kapern
- 75 g Doradenfilet mit Haut
- 1 1/2 Schalotten
- 60 ml Portwein (Ruby)
- 1 Prise Meersalz (Für den Hautchip)
- 5 Kapern (was eine Mengenangabe…Ich weiß)
- 75 g Erbsen
- Brunnenkresse (Deko)
- 1/8 TL Soja Lecithin
- 100 ml Milch 3,8%
- Rapsöl zum Confieren
- 10 g Mehl
- Etwas Vanillemark
-
Ggf. Knoblauch rösten.
-
Öl auf 74°C erhitzen und nebenbei die Dorade filetieren.
-
Die Dorade von der Haut trennen und portionieren. Den Ofen auf 180°C vorheizen.
-
Die Dorade in das erhitzte Öl geben und ca. 20 Minuten bei 74°C confieren. (Es ist auch möglich das ganze im Ofen zu machen, hierbei ist auch die Temperaturregulierung einfacher.
-
Die Haut mit einer Prise Meersalz würzen und im vorgeheizten Ofen knusprig backen.
-
Portwein einkochen und die Schalotten putzen, halbieren und in einen Vakuum Beutel geben. Etwas Öl & eine Prise Salz hinzugeben. Anschließend den reduzierten Portwein. Bei 85°C ca. 30-40 Minuten lang garen. (Je nach Größe der Schalotten kann es variieren)
-
Etwas Rapsöl erhitzen. Die Kapern mehlieren und darin leicht braun frittieren. Auf ein Stück Küchentuch geben um sie zu trocknen.
-
Die Erbsen anschwitzen und 1-2 mal wiederholt mit Wasser ablöschen und einkochen lassen bis die Erbsen weich sind. In einer Moulinette zerkleinern und gff. nach wunsch passieren (durch ein Sieb streichen) Die Milch dazu geben und wenn vorhanden etwas Soja Lecithin (Lässt den Schaum stabiler werden).
-
Vor dem Anrichten das Ganze auf aufschäumen.
-
Anrichten und genießen
Ich hoffe, euch hat dieser kleine Ausflug in meine “Gedankliche Welt” gefallen und ich bedanke mich ganz herzlich bei Oliver, dass ich diesen Beitrag bei ihm auf dem Blog veröffentlichen durfte. Mich würde jetzt interessieren, was ihr über das Thema denkt? Habt ihr Feedback? Habt ihr eine andere Meinung dazu?
Ich würde mich über Kommentare unter diesem Beitrag freuen. Ebenfalls freue ich mich über Besuche auf meiner Food & Drink Plattform. Ihr findet sie “hier”. Eine Facebook Seite ist ebenfalls vorhanden, nämlich “hier”.
Kulinarische Grüße & eine schöne Woche Tom
Dazu passt…
Von Oetinger – Jott Alte Reben 2015
Müller-Thurgau? Echt jetzt?
Ja klar! Denn Achim von Oetinger macht aus dieser ungeliebten Rebsorte einen wirklich leckeren und insbesondere wunderbar frischen Weißwein, der für seine Kampfklasse erstaunlich komplex daher kommt. Gleichzeitig ist der Wein ausreichend fein, um nicht die Aromen dieses relativ zarten Gerichtes platt zu machen. In der Nase gibt es jede Menge Birne und einen Hauch Gewürze, der Gaumen überzeugt durch eine spürbare aber gleichzeitig sehr feine Säure und dankbare 12 Umdrehungen. Kostenpunkt: knapp über 10€.