Gastbeitrag: Ich sehe rot

Von Luca

Email made in Germany

Wieso können Unternehmen wie die Deutsche Bahn und die Deutsche Telekom keine wirklich guten Produkte abseits ihres Kerngeschäfts machen?
Vielleicht sollte man es einfach hinnehmen und sich darauf konzentrieren gute Netze zu bauen, ob via Funk oder Schiene.

Ein Kommentar von Roman van Genabith

Als langjähriger, wirklich langjähriger Kunde der Deutschen Telekom in fast allen Bereichen, gab es für mich über die Jahre zumeist erfreulich wenig Grund zur Klage. In der vergangenen Dekade habe ich so ziemlich das gesamte Produktportfolio für Privatkunden an drei Standorten im deutschen Bundesgebiet durch und war die meiste Zeit zufrieden und glücklich. Wenn man nicht gerade Anschlüsse umzieht oder Verträge wechselt, kann man als Telekomkunde meist von funktionierenden Diensten ausgehen. Die Netze sind stabil und schnell, die Preise zum Teil etwas höher, dafür scheinbar in einem vernünftigerem Verhältnis zur technischen Ertüchtigung der Infrastruktur, wodurch man häufiger auch das bekommt, was man bezahlt. Als Netzanbieter würde ich die Telekom auch weiterhin uneingeschränkt Internet- und Mobilfunkkunden empfehlen.

Roman van Genabith betreut als Formatleiter das Medien- und Technikmagazin COM*Tron beim Paderborner CampusRadio L-Unico und schreibt für das Astronomie- und Raumfahrtportal raumfahrer.net.

Zu viel gewollt

Jüngst wollen viele Carrier aus ihrer Rolle als mittelbarer Dienstleister heraus, wollen mehr als nur Netz sein, auch Inhalte anbieten und mehr vom bzw. näher an den Kunden. Prinzipiell ist dagegen wenig zu sagen. Angebote sind meist in dem Maße erfolgreich, in dem sie gut gemacht sind. Die Messlatte im Zeitalter von Clouds für jedermann bei Apple und Google liegt zwar hoch, dafür versuchen sich deutsche Unternehmen wie die Telekom oder ihre heutige Tochter STRATO mit dem hiesigen Standortvorteil Marktanteile zu verschaffen, sprich einen Vertrauensbonus zu erarbeiten. Dass hier höchstens ein Vertrauensvorschuss herauskommen dürfte und die vermeintliche örtliche Sicherheit der Daten eine Trügerische ist, steht auf einem anderen Blatt. So traurig es ist, der Brand „Email made in Germany“ scheint für eine breite Masse zu funktionieren.


In der T-Cloud

Seit einer kleinen Ewigkeit schlummert schon die Kundencenter-App der Telekom (App-Store Link) auf meinem Smartphone. Im Gegensatz zur Hotspot-App, jetzt Onlinemanager und HomeTalk (App-Store Link), dem Angebot zum Telefonieren übers Festnetz vom Smartphone, nutzte ich sie bislang nie. Das lag einfach daran, dass man hierfür den Telekom-Login benötigt, den aber zu erstellen war vor Jahren mal eine nervige und umständliche Last, die in meinem Telekom-Langzeitgedächtnis überdauerte. Das war ähnlich aufreibend wie bei der Deutschen Bahn die mehreren, kaskadierenden und sich teils zuwiderlaufenden Registrierungen für Onlineticket, Handyticket, Touch & Travel-Account und dem Bezahlen in der App zu konfigurieren. Wenn man dann noch eine BahnCard hat, diese zu allem Überfluss zugleich eine Kreditkarte ist, geht man am Besten einfach weiter zum Automaten oder Schalter oder druckt sich ein Onlineticket auf Papier. Ein Widerspruch in sich? Nicht bei der Bahn. Aber zurück zum anderen Ex-Monopolisten. Gestern habe ich es dann schließlich doch ein mal in Angriff genommen in die Telekom-Cloud zu sehen, die verschiedentlich als ordentliches Heim für Datenreisende geschildert wurde.

Ruckeliger Einstieg

Direkte Registrierung, das gibts nicht. Wie die meisten T-Apps besticht auch das Kundencenter nicht durch geniales Design und Intuitivität. Man wird in den Browser geschickt, wo man sich dann registrieren darf, schick ist anders, aber schön. Wenige Minuten später habe ich meine 25 GB Cloudspeicher nebst T-Online-Mailadresse, die sich inzwischen ähnlich retro liest wie eine Adresse von AOL oder CompuServe, geschenkt. Kann ich manchmal halt noch an meinen ersten DSL-Anschluss vor 15 Jahren denken. Das Einrichten des Mailaccounts im Smartphone klappt dann schon mal nicht. Falsches Passwort! Zunächst rätselhaft, auf der Website, in der Kundencenter- und der Mail-App der Telekom, die schlecht gemacht und abschreckend daher kommt wie eigentlich jeder Versuch der Bonner. Software zu machen, klappt der Login ohne Mühe. In die FAQs geschaut… Aah, es muss zunächst ein separates Passwort für den Mail-Abruf erstellt werden. Vom Gedanke gar nicht dumm, wegen der Sicherheit. – Ohne jeden Hinweis darauf allerdings total irritierend. Abermals, schlecht gemacht. Schließlich klappt alles, Mediencenter und Mails via IMAP, denen widersinnigerweise nur ein GB zur Verfügung stehen sind eingerichtet. Durch die Sache mit dem Mailpasswort misstrauisch geworden schaue ich nochmals auf die Begrüßungsmail zur Einrichtung. Und was lese ich da? Um Ihr Postfach nicht zu unübersichtlich werden zu lassen, werden Ihre Mails nach 90 Tagen automatisch gelöscht, es sei denn Sie ändern das. Was ist das denn? Methoden wie von WEB.de aus den 90ern. Und das auch noch als Feature zu verkaufen. Wann hatte Yahoo noch mal den unbegrenzten Mailspeicher für Freemailkunden eingeführt, der einfach dynamisch mitwächst, vor vier oder doch fünf Jahren? UPSi! Es ist noch ein wenig länger her. Frage mich, ob Musik und Fotos auch gelöscht werden, wenn man sie 90 Tage lang nicht hört und anguckt. Mit wachsendem Ärger ändere ich die Speicherdauer, mühselig für jeden Ordner einzeln, natürlich alles nur über die Desktopseite möglich, für Email-Einstellungen hat es wenig überraschend weder in der Mail-App, noch auf der mobilen Site gereicht. Responsives Design, was ist das?


Gegen die Wand

Im Kundencenter kann ich schließlich meine Verbrauchsdaten sehen und erhalte einen gerafften Überblick meines Vertrags samt Inklusiv- und Zubuchoptionen. Dabei entdecke ich einen Posten mit der wenig erhellenden Bezeichnung All Inclusive über fünf Euro, den ich nicht direkt zuordnen kann. Ihr ahnt es schon. Eine detailliertere Ansicht oder gar die Änderung von Vertragsparametern per App? Fehlanzeige. Es gibt sogar schon eine FAQ-Frage dafür. Kann ich meinen Vertrag auch in der App ändern? Nein, können Sie nicht, aber wenn Sie hier klicken… Wieder ins Desktop-Kundencenter im Web, eingeloggt und Sackgasse. Obzwar bereits via SMS-Code verifiziert und eingeloggt, fordert mich die Seite zu einer weiteren Identifikation auf. PUK oder Kundenkonto soll es sein. Bitte was? Den PUK, den ich vor fast zehn Jahren mal bekommen habe. Zufälligerweise musste ich meine SIM seitdem noch nie entsperren, ich gebe nämlich meine PIN nicht ständig drei hintereinander falsch ein. Und Kundenkonto… keine Ahnung, muss man auch erst separat einrichten, soweit ich weiß. Ich klicke auf „Wo finde ich diese Informationen?“


„Diese Ressource wurde nicht gefunden.“
FUCK!


Es wird einfach

Wenige Tage später. Ich sitze mit Smartphone und Laptop im Café, möchte die Screenshots für diesen Artikel sammeln. Plötzlich funktioniert mein Login in die Web-Version meines Kundencenters über den Link in der Kundencenter-App nicht mehr. – Keine Berechtigung. Auf einer Seite, die ich nur ein mal zu sehen kriege heißt es, Kundencenter Festnetz und Mobilfunk würden zusammengelegt. Sie können nachfolgend ein letztes Mal Ihre Zugangsdaten eingeben, dann werden alle Ihre Identitäten final vereint. Immer, wenn ich nun versuche mich anzumelden, erhalte ich eine Fehlermeldung. Die Seite zum Zusammenführen meiner Identitäten taucht nicht mehr auf, ich habe ein mal auf den Back-Button im Browser geklickt; – Hätte ich nicht tun dürfen. Nun habe ich nur noch die Möglichkeit mir ein weiteres Telekom-Login einzurichten. Auf die dann zu erwartenden Proteste, es gäbe mich als Kunden zwei mal verzichte ich, kehre der T-Cloud restlos entnervt den Rücken und wundere mich nicht mehr, warum die wirklich coolen Sachen heute von Apple, Microsoft oder Google kommen, auch wenn Einige denen etwas weniger vertrauen. Wahrscheinlich verliert die Telekom genau so viele Daten durch Schlamperei und Bürokratie wie bei den US-Konzernen abgesaugt werden. Ich erinnere mich an eine Keynote, die ich mal gesehen habe. Darin sagte ein Mann, „We won’t make crappy products.“ Wir werden keine schlechten Produkte machen.