Nein, nervös sei er nicht. Ja, er trete an, um den Titel zu gewinnen. Der Countdown läuft. Mit Zuversicht begegnet der Düsseldorfer Boxprofi Sebastian Tlatlik seiner bislang größten sportlichen Herausforderung. Am Freitag, 6. Mai, tritt der 33-jährige gegen Evgeny Chuprakov in Ekaterinburg, Russland, um die Europameisterschaft im Superfedergewicht (bis 59 kg) an.
Endlich hat die siebenwöchige Vorbereitung ein Ende. „Die Intensität des Trainings war neu für mich“, sagte Tlatlik. Zehn Trainingseinheiten pro Woche und nebenbei noch arbeiten brachten ihn an die Belastungsgrenze. Doch damit ist jetzt Schluß. Nach Cardio-, Kraft-Ausdauer-Einheiten und zahlreichen Sparringsrunden zählt nur noch der Blick auf Samstag und auf seinen Gegner und Favoriten Evgeny Chuprakov. Seiner Außenseiterrolle ist sich der 33-jährige Kämpfer bewusst, erkennt die Vorteile seines acht Jahre jüngeren Gegners, der im Gegensatz zu ihm bereits über zwölf Runden kämpfen musste. „Diese Distanz ist mir völlig unbekannt. Bisher konnte ich meine Gegner bereits in der ersten Hälfte der angesetzten Runden besiegen“, sagt er.
Dies wird wohl am kommenden Samstag kaum der Fall sein. Der 25-jährige Chuprakov ist mit seiner makellosen Bilanz von 15 Siegen und der bemerkenswerten Amateurkarriere von 120 Siegen bei 30 Niederlagen ein starker Gegner. Nicht zu vergessen ist dabei Happy Gilmores – so sein Spitzname – Heimvorteil. Tlatlik wird gegen einen talentierten Gegner und 5.000 Boxfans antreten müssen, die den „Palast der Spielsportarten „Uralotschka“ in einen Hexenkessel verwandeln werden. „Ich werde versuchen, mich davon nicht beeindrucken zu lassen“, zeigt sich der 33-jährige Familienvater aus Essen gelassen. Denn: Gewollt war er als Gegner nicht. Da es sich um eine Pflichtverteidigung handelt, musste Chuprakovs Management Sebastian Tlatlik den Kampf anbieten und konnte ihn nicht umgehen. Ein Vorteil? „Das spricht wohl für mich und den Respekt, den der Gegner vor mir hat. Wäre ich chancenlos, hätte ich die Reise sowieso nicht angetreten.“
Schließlich ist der Weg nach Ekaterinenburg, rund 40 Kilometer vom Ural noch auf europäischer Seite gelegen, ebenfalls kein Zuckerschlecken. Vor Ort traf er allerdings auf professionelle Voraussetzungen. „Ich trainiere im exklusivsten Fitnesscenter der Stadt und habe dort feste Zeiten geblockt. Unsere Gastgeber sind sehr hilfsbereit und stets bemüht, dass es uns hier gutgeht.“ Dass er am Freitag von seinem sechs Jahre jüngeren Bruder Robert in der Ringecke gecoucht wird und nicht von seinem Stammtrainer Stefan Freudenreich sei kein Nachteil. „Robert ist mein boxerisches Vorbild. Er kennt mich genau und wird mir während des Kampfes wichtige Hilfen geben.“ Unterstützung erhalten die Brüder von ihrem Heimtrainer Stefan Freudenreich: „Ich weiß, dass es für Sebastian schwer wird. Ich weiß aber auch, dass er es schaffen kann.“
Weitere Hinweise:
• Evgeny Chuprakov, *4. April 1990, Ekaterinburg, Profidebut
1. Dez. 2011, Linksausleger (Quelle: boxrec.com)
• Sebastian Tlatlik, *26. Mai 1982, Bytom (Polen), Profidebut
23. März 2014, Linksausleger (Quelle: boxrec.com)
• Ekaterienburg (auch Jekaterinburg), mit rund 1,4 Millionen Einwohner viertgrößte Stadt Russlands, liegt am Uralgebirge
(C) Freudenreich Professional Boxing/Manfred Fammler