gartenschätze im südwesten

gartenschätze im südwestenSie sind anpassungsfähig, vielseitig und schmecken einfach einzigartig: alte Obst- und Gemüsesorten sind echte Schätze in jedem Garten! Weil sie allerdings nicht in genormte Ernte- und Verarbeitungsmaschinen passen, sind die lokal-regionalen Spezialitäten seit den 1950er-Jahren immer mehr verschwunden.

Doch Liebhaber und Sortenschützer scheuen keine Mühen und graben in oft jahrelanger Recherchearbeit zum Teil fast ausgestorbene Raritäten aus. In ihrem Buch „Unsere Gartenschätze im Südwesten“ stellt Felicitas Wehnert verdrängt-vergessenes Obst und Gemüse vor und die hingebungsvollen „SortenRetter“ gleich dazu!

Erfolgreichstes Beispiel: die Alblinse – von Woldemar Mammel in der Genbank des Wawilow-Institut in St. Petersburg gefunden, durfte der leidenschaftliche Gärtner zwei Tütchen mit Alblinsen-Samen auf die Schwäbische Alb mitnehmen.

Vier Jahre lang vermehrte Mammel seine Schätze auf seinem Biohof in Lauterach, dann stellte er seine erste ausreichend große Ernte auf der Slow Food-Messe vor. Schnell fand die wiederentdeckte Eiweiß-Lieferantin den Weg in Gourmetküchen und mittlerweile übersteigt die Nachfrage eindeutig die Erntemenge: mit Alblinsen schmeckt das Schwäbische Nationalgericht „Linsen und Spätzle“ gleich nochmal so gut!

Nicht nur Tradition und gute Anpassung an örtliche Böden und (Klima-)Verhältnisse spricht für die Rekultivierung von Alblinse, Höri-Bülle, Neckarkönigin & Co: es ist die unglaubliche Geschmacks-Vielfalt, die mit industriell-genormten Anforderungen an Obst- und Gemüse verloren gegangen ist!

Bis in die 1930er Jahre wuchsen auf und in Baden-Württembergs Böden mehr als 200 Salatsorten, allein 50 Gemüsearten trugen die Bezeichnung „Stuttgart“ im Namen, Ulmer Spargel war überregional bekannt und beliebt. Aufgrund ihrer gut angepassten Gene, konnten die alten Sorten meist ohne mineralische Düngergaben oder Pestizideinsatz angebaut werden – ein Traum in Zeiten von Glyphosat und überdüngten Böden.

Auf Streuobstwiesen und in Gartenwinkeln haben einige Sorten tapfer überlebt und sie rücken wieder verstärkt in den Fokus von Gärtnern und Verbrauchern. Nicht zuletzt könnten sich die alten Gartenschätze in Zeiten des Klimawandels irgendwann als äußerst nützlich erweisen. Um den Anbau dieser Sorten zu fördern, wurden Off- und Online-Tauschbörsen wie das „Genbänkle“ ins Leben gerufen.

Die Slow Food-Initiative hat eine virtuelles Rettungsschiff, die Arche des Geschmacks,  ins Leben auf den Weg geschickt und auch Freilichtmuseen stellen sich in den Dienst der guten Sache, um gefährdete Sorten vor dem Verschwinden zu bewahren.

So wachsen auf dem Gelände des Museumsdorfs Beuren über 500 traditionelle Apfel-, Birnen-, Zwetschgen- und Kirschesorten, darunter Jakob Fischer-Äpfel, Brettacher, die Kirchensaller Mostbirne oder die Hedelfinger Knorpelkirsche.

Auch Gewürzluiken sind dabei: schon als Kind liebte ich diese knackig-saftigen, leicht säuerlichen Äpfel mit ihrem strahlend weißem Fruchtfleisch – für mich der Inbegriff des Paradiesapfels.

Seit der einzige Familienbaum altershalber gefällt wurde, esse ich ehrlich gesagt fast gar keine Äpfel mehr – keine andere Sorte kann mir dieses Geschmackserlebnis ersetzen und der Verlust schmerzt tatsächlich immer wieder ein bisschen!

Nicht nur zahlreiche Obst- und Gemüsesorten feiern eine Renaissance: auch beim Getreide erzielen Sortenretter-Pioniere beachtliche Erfolge! So brachte Prof. Dr. Jan Sneyd mit Ausdauer und Hingabe den Dickkopf-Weizen auf die Schwäbische Alb zurück und gemeinsam mit dem Bäckerhaus Veit aus Bempflingen bewahrt der Getreidespezialist die winterfeste Weizenart vor dem Aussterben.

So mühsam der Erhalt alter Sorten (derzeit noch) sein kann, die SortenRetter sind sich einig: der Einsatz lohnt sich! Damit auch zukünftige Generationen in den Genuss regionaler Geschmacksvielfalt kommen und die zum Teil hochspannenden Geschichten der wiederentdeckten Gartenschätze in Erinnerung bleiben!

Auch wir als Kleingärtner und Verbraucher können unseren Teil dazu beitragen und an der Obst- und Gemüsetheke zum Produkt aus der Nachbarschaft greifen oder gleich auf dem Wochenmarkt einkaufen. Felicitas Wehnerts informatives und mit Fotos von Manfred Schäffler schön gestaltetes Buch macht jedenfalls Lust auf mehr!

Felicitas Wehnert „Unsere Gartenschätze im Südwesten. Geschichten um alte Obst- und Gemüsesorten„, 128 Seiten mit 160 meist farbigen Fotos und Abbildungen, Hardcover, 19 Euro 99, belser Verlag


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