Garderobe: Wenn Kinder sich schämen

Garderobe: Wenn Kinder sich schämen

Kürzlich haben wir über Facebook die Frage in die Runde geworfen, wie man sich als Eltern in einer Garderobe korrekt verhält: Darf ich als Mutter mit meinen Buben in die Jungen-Garderobe mit rein gehen? Oder muss ich als Mutter mit meinen beiden Buben in die Mädchen-Garderobe? Beides ist irgendwie nicht ganz korrekt. Doch was soll ich letztendlich tun, wenn ich – vor allem den Kleinen – noch nicht alles wirklich ganz allein machen lassen kann. Und wie sähe es aus, wenn ein Vater zwei Töchter begleitet? Wohin soll er denn? Mit den Mädchen in die Buben-Garderobe? Oder er als Mann mit seinen Mädchen in die Mädchen-Garderobe?

Die Frage hat nicht nur zahlreiche LeserInnen interessiert und eine Reihe von Kommentaren ausgelöst, die Ihr hier nachlesen könnt, sondern auch Leserin Darinka dazu bewogen, einen Beitrag passend zum Thema zu verfassen. Darinka ist angehende Sozialpädagogin und beschäftigt sich auch privat mit Entwicklungspsychologie. Vielleicht hilft Darinkas Beitrag viele Fragen in diese Richtung zu beantworten.

Die psychosexuelle Entwicklung nach Freud

Vorbemerkungen: Für eine gesunde sexuelle Entwicklung, müssen Kinder alle Phasen durchlaufen. Keine dieser Phasen kann übersprungen werden. Es ist höchstens möglich, dass man in einer Phase hängen bleibt (Fixierung). Dies hat eine gestörte Sexualität zur Folge. Die Altersangaben sind lediglich Richtwerte, viele Phasen lösen sich fliessend ab.

Orale Phase ( 0 – 1 Jahr )

Zentral sind Gefühle von Hunger, Durst und dem Gestilltwerden an der Brust der Mutter oder durch die Flasche. Das Kind erlebt durch den Mund tiefe, lustvolle Gefühle von Geborgenheit, Befriedigung und Linderung des als seelisch sehr schmerzvoll erlebten Hungergefühls. Das Kind nimmt in dieser Zeit alles in den Mund und erlebt saugen, nuckeln etc. als sehr lustvoll. Das Kind erlebt die Welt als Schlaraffenland, das es ernährt und ihm Lust bereitet. Insbesondere die Mutter wird vom Kind am Anfang noch nicht als etwas von ihm Getrenntes erfahren. Dass die Mutter etwas ist, das von ihm getrennt existiert, lernt es erst durch die Frustrationen, die es zwangsläufig erlebt, denn auch die beste Mutter ist nicht immer gerade da oder macht nicht immer alles sofort, was das Kind glücklich macht. Das Kind macht in dieser Phase die grundlegende Erfahrung des Sattwerdens (oder eben nicht). Späteres Suchtverhalten, «Nicht-genug-Kriegen», hat mit den Erfahrungen in dieser Phase zu tun (z.B. schreien lassen, nicht genug Milch geben etc.)

Anale Phase (1 – 3 Jahre)

In dieser Phase ist nicht mehr das «Sich-Einverleiben» zentral, sondern die Körperausscheidungen durch den After (Anus). Dies ist auch die Zeit, in der gewöhnlich beim Menschen die Reinlichkeitserziehung beginnt. Es geht hier um folgende Themen: Hergeben, Schenken ↔ Behalten, Verweigern oder Sich-gehen-Lassen ↔ Sich beherrschen. Gebote und Verbote durch die Eltern werden an das Kind herangetragen, die es auch verweigert (Trotzphase). Einen eigenen Willen haben. «Wüst» reden. Späterer Geiz (nichts hergeben) und Kontrollzwänge haben mit den Erfahrungen dieser Phase zu tun.

Phallische Phase (4 – 5 Jahre)

Das Geschlechtsorgan ist zwar noch nicht erwachsen entwickelt, jedoch richtet sich in dieser Phase die Aufmerksamkeit des Kindes zum ersten Mal wirklich darauf. Es spielt damit herum, zeigt und präsentiert sich gerne nackt, spielt mit anderen Kindern «Dökterlis» etc. Wichtige Themen dieser Phase sind: Sich Präsentieren und bewundert werden. Die Entdeckung des Geschlechtsunterschieds. Diese Entdeckung des Geschlechtsunterschieds ist für das Kind keine harmlose Entdeckung, sondern ist mit erheblichen Ängsten verbunden. Oft haben kleine Buben das Gefühl, man habe den Mädchen «etwas abgeschnitten» und sie haben Angst, dass ihnen dies auch geschehen könnte. Umgekehrt haben manche Mädchen die Idee, es müsse doch noch etwas nachwachsen. Wenn man sich im Erwachsenenleben immer präsentieren muss und Bewunderung haben will, hat das mit den Erfahrungen dieser Phase zu tun.

Oedipale Phase ( 6 – 7 Jahre)

In dieser Phase besetzt das Kind den gegengeschlechtlichen Elternteil mit Liebe. Mädchen konzentrieren sich sehr auf den Vater oder andere männliche Figuren und haben der Mutter gegenüber Konkurrenz- und Ablehnungsgefühle. Umgekehrt sind die Buben eifersüchtig auf den Vater, weil dieser die Mutter zur Frau hat, die sie doch selber gerne wollen. Man hört in dieser Phase von einigen Kindern den Satz: «Später werde ich dich (Vater, bzw. Mutter) heiraten.» Diese Phase ist entscheidend für die Ausbildung eines Gewissens. Das Kind merkt, dass es den gegengeschlechtlichen Elternteil nicht haben kann und identifiziert sich mit dem gleichgeschlechtlichen Elternteil, um wenigstens so zu sein wie dieser. Wenn jemand als Erwachsener sich nicht von seinen Eltern lösen kann oder wenn jemand sich nur für das «Ausspannen» des Partners einer anderen Person interessiert, hat das mit dieser Phase zu tun.

Latenzzeit ( 8 – 11 Jahre)

In dieser Phase erlebt das Kind eine Beruhigung. Das Gewissen, das sich in der vorigen Phase gebildet hat, sorgt dafür, dass das Kind seine Bedürfnisse auch zurückhalten kann. Es gerät damit auch weniger in Konflikt mit der Umwelt. Das Kind erlebt das, was andere Entwicklungspsychologen «die schöne Kindheit» nennen. Es spielt viel und ernsthaft, gibt sich in der Schule Mühe, weiss, was richtig und was falsch ist etc.

Pubertät ( ab 11 Jahren)

Übergang vom Kind zum Jugendlichen. Der Körper verändert sich und wird geschlechtsreif. Damit verbunden beginnt sich der Mensch für die geschlechtliche Sexualität zu interessieren. Diese grossen Veränderungen machen sehr unsicher und beinhalten viele Ängste.

Vielen Dank, Darinka, für deinen Beitrag!

Fragen? Erfahrungen? Meinungen? Gerne können wir diese hier diskutieren! Hier noch einmal den Link  zur Facebook-Diskussion.


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