„This Feels Like Living“
(Bandcamp)
Die Beschäftigung mit Krankheitsbildern und Psychosen aller Art ist für die meisten Menschen nicht sonderlich vergnüglich, bei Ganser allerdings, will man sich der Band aus Chicago nähern, gehört es mit zum Geschäft. Benannt nach dem deutschen Arzt Sigbert Josef Maria Ganser, der Ende des 19. Jahrhunderts eine Nervenkrankheit erforscht hat, die heute noch unter dem Namen Ganser-Syndrom (auch "Pseudodebilität" oder "hysterischen Dämmerzustand") die Lehrbücher füllt, benennt die Band ihr Selbstverständnis auf ähnlich eigenwillige Weise: „Dissociative shouts and murmurs“, so beschreiben Alicia Gaines und Nadia Garofalo, die beiden Gründerinnen der Formation, ihren Sound gegenüber der Chicago Tribune, auch Songwriting und gesamtkünstlerisches Konzept des Quartetts, hier im Bezug zur Covercollage der neuen EP, gehen eigene Wege: "We like that random collage element, where we pull different sound samples or visuals to make our music. Why would you limit yourself when you can pull in many different themes or concepts if they fit within your original idea?" Das Ergebnis ist dann weitaus weniger verstörend als vermutet, die fünf Tracks der neuen 12” kommen als überaus hörbare Mischung aus No Wave, Post-Punk und Noise daher – kraftvoll, schräg und ordentlich laut. Dabei unterscheidet sich der Opener “Pyrrhic Victory” etwas vom Rest der Platte – nimmt man die dazugehörige B-Seite “Sunk” des Stückes dazu, die auf der limitierten European-Edition mit zur Auswahl gehört, dann überwiegt der harte, schneidende Gitarrenkrach von Charlie Landsman die kühlen, wavigen Töne, Brian Cundiff an den Drums tut ein Übriges dazu, daß Ganser ausreichend bissig und unangepaßt bleiben. Solange die Fieberkurve derart steil nach oben zeigt, ist Ganser in jedem Fall ein Platz auf der Watchlist 2017 sicher. https://ganser.bandcamp.com/