Gandhi und Jesus – Das Ende des Fundamentalismus

Von Mehriran

05.01.2011Hintergrund 

Einführung

Was ist Religion? – Auf diese Frage gibt es viele Antworten. Eine davon ist rein formal: Religion ist das, was – von wem auch immer – so genannt wird. Dieser Begriff schließt höchst unterschiedliche und zum Teil sogar gegensätzliche Vorstellungen ein.

Im Unterschied dazu möchte ich eine ganz persönliche und individuelle Definition versuchen: Religion ist für mich das, was uns mit Gott, dem Nächsten (d.h. mit allen Menschen) und der außermenschlichen Natur in Liebe verbindet. Für Atheisten sei hinzugefügt, dass an die Stelle des Wortes Gott auch das Wort Wahrheit treten kann in dem Sinn wie Gandhi sagt: Gott ist die Wahrheit und die Wahrheit ist Gott. Damit sind auch die Religionen eingeschlossen, die eine unpersönliche Gottesvorstellung haben, wie z.B. der Buddhismus, der Taoismus und der Konfuzianismus.

Ich sagte, Religion sei für mich das, was uns mit Gott, dem Nächsten und der außermenschlichen Natur in Liebe verbindet. Bei dieser Definition werden zwei kleine Worte leicht überhört. Es sind die Worte „für mich“. Sie sind für mein Verständnis von Religion jedoch nicht weniger wichtig als die übrige Definition. Sie relativieren nämlich diese Aussage. Sie schaffen Raum für andere Definitionen von Religion. Das heißt, ich anerkenne, dass andere Menschen Religion anders definieren und sich darum bemühen, ihrem Glauben gemäß zu leben, auch wenn ich ihre Religion für falsch, womöglich sogar für verhängnisvoll halte.

Ich möchte daher nicht mit Andersgläubigen streiten, denn dieser Streit ist unfruchtbar, mehr noch, er ist schädlich. Er verbindet uns nicht, er trennt uns und widerspricht folglich dem Mittelglied meiner Definition, welches lautet: Religion ist das, was uns mit dem Nächsten in Liebe verbindet.

Ich würde den Diskurs über Religion gerne auf eine andere Ebene verlagern, auf die Ebene der Verwirklichung der von uns erkannten Wahrheit in unserem Denken und Reden, unserem Handeln und Sein. Auf diesem Gebiet erkenne ich bei mir so schwerwiegende Defizite, dass ich darüber oft verzage. Das Ziel erscheint mir so unendlich fern zu sein, dass ich mindestens noch ein dutzend Mal wiedergeboren werden muss – wenn es denn so etwas wie eine Wiedergeburt gibt –, um ihm auch nur nahe zu kommen.

Gandhi und Jesus

Damit bin ich beim Thema: Gandhi und Jesus. Was mich an diesen beiden überragenden Gestalten der Religionsgeschichte so fasziniert, ist die Tatsache, dass bei ihnen Denken und Reden, Handeln und Sein eine nahezu vollkommene Einheit bilden. Ich kann mich dem Zauber dieser beiden Persönlichkeiten, die ich auch „Brüder im Geist“ nenne, nicht entziehen. Es ist nicht nur eine intellektuelle Faszination oder eine ästhetische Faszination, wie sie von einem großen Kunstwerk ausgeht, es ist eine existenzielle Faszination. Um nicht missverstanden zu werden, möchte ich gleich hinzufügen, dass es am meinem Sternenhimmel nicht nur Gandhi und Jesus, sondern noch viele große und kleine Sterne gibt: Gautama Buddha zum Beispiel, Mahavira, Lao tse, Sokrates, Franz von Assisi, Albert Schweitzer, Dietrich Bonhoeffer, Martin Luther King, Nelson Mandela usw. Aber auch Frauen fehlen an meinem Sternhimmel nicht, auch wenn sie weniger bekannt sind. Ich nenne hier nur Mutter Theresa, Dorothee Sölle und Hildegard Goss-Mayr. Die Frage, welcher dieser Sterne der größte und hellste ist, ist müßig. Das müssen wir nicht wissen, es genügt, wenn Gott es weiß.

Man könnte leicht mehrere Vorträge damit bestreiten, die Gemeinsamkeiten in Lehre und Leben von Gandhi und Jesus, diesen beiden großen Gestalten der Religionsgeschichte – oder sollte ich besser sagen, der Menschheitsgeschichte? – herauszuarbeiten. Das kann ich hier nicht leisten. Ich beschränke mich auf die Hauptpunkte. Dabei ist es durchaus möglich, Gandhi durch Jesus und Jesus durch Gandhi auszulegen. Bei ihnen gibt es nämlich – ungeachtet der enormen Distanz zwischen ihnen in Raum, Zeit und Kulturkreis – frappante Gemeinsamkeiten.

Bevor ich mich der Frage zuwenden kann, worin diese Gemeinsamkeiten bestehen, muss ich versuchen, die Frage zu beantworten, wer Jesus war. Diese Frage ist nämlich trotz – vielleicht kann man auch sagen wegen – einer Jahrhunderte langen theologischen Diskussion bis heute noch nicht beantwortet, und sie wird wohl auch nie endgültig beantwortet werden.

Tatsache ist jedenfalls, es gibt mindestens ein Dutzend Jesusbilder und eine schier unabsehbare Literatur zu diesem Thema. Bei Gandhi sind wir aufgrund seines gigantischen schriftlichen Werkes und der Berichte zahlreicher Zeitzeugen weitaus besser dran. Wir wissen heute ziemlich genau, wer er war und was er lehrte.

Doch zurück zu Jesus. Wer war Jesus von Nazareth? Damit meine ich den Menschen aus Fleisch und Blut, der vermutlich zur Zeit des Kaisers Augustus in Nazareth, einem abgelegenen Winkel des Römischen Reiches, geboren wurde, und der um das Jahr 30 nach unserer Zeitrechnung zur Zeit des Kaisers Tiberius in Jerusalem auf Befehl des Präfekten Pontius Pilatus am Kreuz hingerichtet wurde.

Soviel ist jedenfalls gewiss, dieser Jesus, „mein“ Jesus sozusagen, hat mit dem Jesus Christus der christlichen Dogmatik – ob orthodox, katholisch oder evangelisch – wenig zu tun. Ich sage „mein“ Jesus, weil sich meine Vorstellung von Jesus nur teilweise mit dem Bild deckt, das die Kirchen einerseits und das die historischkritische Bibelwissenschaft andererseits von Jesus zeichnen – soweit man überhaupt von einem einheitlichen Jesusbild sprechen kann –, denn vieles an diesem Bild wird kontrovers diskutiert.

Nach kirchlicher Lehre ist Jesus der einzige und eingeborene Sohn Gottes. In ihm hat sich Gott inkarniert, und zwar nicht nur teilweise, sondern ganz. Das ist der Sinn des Christus-Dogmas, demzufolge Jesus „wahrer Mensch und wahrer Gott“ war, das heißt, ganz Mensch und ganz Gott. Auch für mich war Jesus ein Sohn Gottes, doch keineswegs der einzige und eingeborene. Gott hat vielmehr viele Söhne, von den Töchtern ganz zu schweigen. Ja, genau genommen sind wir alle seine geliebten Kinder, auch wenn wir uns dieses Ehrennamens so selten würdig erweisen. Weil wir aber sterbliche Menschen sind, können wir, solange wir leben, niemals Gott gleich werden. Wir können ihm aber – und darin folge ich Gandhi und dem antiken Ketzer Arius – ähnlich werden, und zwar in dem Maße, wie wir Wahrheit und Gewaltfreiheit in unserem Leben verwirklichen. Das gilt selbstverständlich auch für den historischen Jesus. Er wurde in dem Maße, wie er Wahrheit und Gewaltfreiheit in seinem Leben verwirklichte, Gott ähnlich, aber nicht Gott gleich.

Anbruch des Gottesreiches

Die historisch-kritischen Bibelexegeten mögen über den historischen Jesus und seine Lehre noch so kontrovers diskutieren, in einem Punkt sind sie sich fast alle einig: Im Mittelpunkt der Lehre und des Lebens Jesu stand die Botschaft vom gegenwärtigen Anbruch des Gottesreiches oder der Gottesherrschaft, wie sie in Mk 1, 14 überliefert ist: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium.“

„Das Reich Gottes ist nahe“, so steht es in der Einheitsübersetzung der Bibel. Ich kann und will mich hier nicht auf theologische Spitzfindigkeiten einlassen, zumal ich kein Theologe bin und auch kein Griechisch verstehe. Ich meine aber – und bin mir darin mit einigen Theologen einig –, dass Jesus gemeint hat, es ist nicht nur nahe, sondern es ist angebrochen. Es ist in seiner Person und seiner kleinen Gemeinde bereits keimhaft gegenwärtig und wird sich von nun an entfalten wie das Senfkorn des Gleichnisses, bis es zu einem mächtigen Baum herangewachsen ist, in dessen Zweigen die Vögel nisten.

Unweigerlich wird man an dieser Stelle fragen: Wie kam Jesus zu dieser Überzeugung? Die Antwort lautet: Wir wissen es nicht. Ein Hinweis könnte allerdings das viel zitierte Wort aus Lk 10, 18 sein: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen.“ Offenbar hatte er eine Vision, der zufolge Gott den Satan besiegt und gebunden hat, sodass der Ausbreitung der Gottesherrschaft über die ganze Welt nichts mehr im Wege stünde.

Das war, wie wir heute wissen, ein schwerwiegender Irrtum, dessen Konsequenzen er am eigenen Leibe zu spüren bekam. Aber – konnte Jesus denn irren? Wäre er Gott in Menschengestalt gewesen, hätte er selbstverständlich nicht geirrt, denn Gott kann nicht irren. Nach meiner Überzeugung war er aber nur Gott ähnlich und nicht Gott gleich. Er war ein irrtumsfähiger und, wie wir heute wissen, ein irrender Mensch.

Der Satan war nämlich keineswegs entmachtet, wie er geglaubt hatte, sondern er machte sich – bildlich gesprochen – daran, das Senfkorn in Gestalt der Person Jesu zu zertreten und auszulöschen.

Jesus war mit seiner kleinen Gemeinde in enthusiastischer Stimmung nach Jerusalem gezogen, um dort – im Zentrum des religiösen Judentums – seine Botschaft vom gegenwärtigen Anbruch des Gottesreiches zu verkünden. Was sich aber in Jerusalem ereignete, war der Absturz in die Katastrophe von Golgotha. Wie wir alle wissen, war der Sieg Satans über Jesus und seine Botschaft nicht das letzte Wort. Es kam ganz anders. Warum und wieso, und wie die Geschichte dann weiterging, das zu erzählen, würde den Rahmen meines Vortrags sprengen. Wer mehr darüber erfahren will, sei auf mein Buch verwiesen.

Bergpredigt als Botschaft

Auf einen Punkt möchte ich jedoch ausführlich eingehen, weil er unser Thema betrifft, nämlich auf die Ethik Jesu. Für Jesus stand die Spruchsammlung, die wir unter dem Namen Bergpredigt kennen, im Zentrum seiner Botschaft. Sie war gewissermaßen sein Verfassungsentwurf für das Gottesreich. Sie galt seiner Meinung nach keineswegs nur für Mönche und Nonnen, Priester und Heilige, wie die katholische Kirche lehrt, sie ist auch keine Überbietung der Zehn Gebote, die uns Menschen unsere Unfähigkeit, den Willen Gottes zu erfüllen, drastisch vor Augen führen soll, damit wir uns bedingungslos seiner Gnade anvertrauen, wie der große Reformator Martin Luther lehrte – nein, sie gilt für uns alle. Sie ist mit anderen Worten eine Entfaltung jener Religion, die uns in Liebe mit Gott, dem Nächsten und der außermenschlichen Natur verbindet.

Für Gandhi gehörte die Bergpredigt in diesem Verständnis zu den bedeutendsten religiösen Texten der Weltliteratur. Neben der Bhagavadgita hat sie sein Leben und seine Lehre inspiriert. Im Hinblick auf Jesus und seine Botschaft sagt er zusammenfassend: „Jesus nimmt in meinem Herzen den Platz eines großen Menschheitslehrers ein, die mein Leben beträchtlich beeinflusst haben. Ich sage den Hindus, dass ihr Leben unvollkommen sein wird, wenn sie nicht auch ehrfürchtig die Lehre Jesu studieren. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass, wer die Lehren anderer Religionen ehrfürchtig studiert – ganz gleich, zu welchem Glauben er sich selbst bekennt –, sein Herz weitet und nicht verengt. Ich betrachte keine der großen Religionen der Menschheit als falsch. Alle haben sie die Menschheit bereichert. Eine großzügige Erziehung sollte ein ehrfürchtiges Studium aller Religionen einschließen. Die Botschaft Jesu ist in der Bergpredigt enthalten, ganz und unverfälscht ...Wenn nur die Bergpredigt und meine eigene Auslegung davon vor mir läge, würde ich nicht zögern zu sagen: ‚Ja, ich bin ein Christ‘. Aber ich weiß, dass ich mich in dem Augenblick, in dem ich so etwas sage, den gröbsten Missverständnissen aussetzen würde. Negativ kann ich euch sagen, dass meiner Meinung nach vieles, was als Christentum gilt, eine Verleugnung der Bergpredigt ist. Bitte, achtet sorgfältig auf meine Worte. Ich spreche in diesem Augenblick nicht von christlichem Verhalten im Einzelnen, ich spreche vom christlichen Glauben, vom Christentum, wie es im Westen verstanden wird. Ich bin mir schmerzlich der Tatsache bewusst, dass das Verhalten überall weit hinter dem Glauben zurückbleibt. Ich kritisiere darum nicht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass mein Verhalten hinter meinen Prinzipien zurückbleibt, obwohl ich mich jeden Augenblick bemühe, nach meinen Grundsätzen zu leben. Aber ich lege euch meine grundlegenden Probleme vor in Bezug auf die Erscheinung des Christentums in der Welt und die Formulierung des christlichen Glaubens. 

Das Herz reinigen

Ein Text hat mich immer wieder ergriffen, schon von meinen ersten Zeiten her, als ich die Bibel las: ‚Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und alles andere wird euch dazugegeben werden.‘ Ich sage euch, wenn ihr diesen Absatz versteht, bewahrt und in seinem Geiste handelt, dann braucht ihr nicht einmal zu wissen, welchen Platz Jesus oder irgendein anderer Lehrer in eurem oder meinem Herzen einnimmt. Wenn ihr diese moralische Straßenkehrerarbeit tut, euer Herz reinigt und bereit macht, dann werdet ihr finden, dass alle diese machtvollen Lehrer ihren Platz in uns einnehmen, ohne dass wir sie einladen. Das ist meiner Meinung nach die Grundlage aller echten Bildung. Die Kultur des Verstandes muss der Kultur des Herzens dienen. Möge Gott euch helfen, rein zu werden.

Ich behaupte, ein Mann des Glaubens und des Gebetes zu sein, und wenn ich auch in Stücke gerissen würde, ich glaube, dass mir Gott die Stärke geben würde, ihn nicht zu verleugnen, sondern zu sagen, dass er ist. – Es ist wahr, dass jeder von uns seine eigene Interpretation von ‚Gott’ hat. Das ist notwendig so, da Gott nicht nur diesen unseren winzigen Erdball umfasst, sondern Millionen und Milliarden solcher Erdkugeln und Welten über Welten. – Obwohl wir also dieselben Worte über Gott sagen mögen, müssen sie doch nicht dieselbe Bedeutung haben. Was tut das schon? Wir brauchen nicht zu bekehren – weder durch unser Reden noch durch unser Schreiben. Wir können es nur durch unser Leben tun. Unser Leben sollte ein offenes Buch sein, für alle zum Lesen aufgeschlagen. – wenn ich nur meine Missionarsfreunde überreden könnte, ihre Mission so anzusehen. Dann gäbe es kein Misstrauen, keinen Verdacht, keine Eifersucht und keine Unstimmigkeit zwischen uns in diesem religiösen Angelegenheiten, sondern nur Harmonie und Frieden. Wir in Indien sind der missionarischen Institution gegenüber, die uns vom Westen erreicht hat, misstrauisch geworden wegen ihrer westlichen äußeren Erscheinung. – Verwechselt nicht das, was Jesus gelehrt hat, mit dem, was als moderne Zivilisation gilt. Ich frage euch, die ihr Missionare sein – tut ihr nicht unbewusst den Leuten, mit denen ihr lebt, Gewalt an? Ich versichere euch, es gehört nicht zu eurer Berufung, die Menschen des Ostens zu entwurzeln. Toleriert, was immer sie Gutes haben.

Trotz eures Glaubens an die Größe der westlichen Zivilisation und trotz eures Stolzes auf diese Errungenschaften bitte ich euch, bescheiden zu sein. Ich bitte euch, lasst etwas Platz für ehrlichen Zweifel. Lasst jeden von uns sein eigenes Leben leben; und wenn wir das rechte Leben leben, warum die Eile?

Trinkt tief von dem Brunnen, der euch in der Bergpredigt gegeben ist – aber dann müsst ihr auch in Sack und Asche Buße tun für euer Versagen bei der Ausführung dessen, was in der Predigt Jesu gelehrt wird. Die Lehre der Bergpredigt ist für uns alle. Ihr könnt nicht Gott und dem Mammon dienen.“

Gandhi und die Vorstellung vom Gottesreich

Kein Wunder, dass wir der Vorstellung vom Gottesreich auch bei Gandhi unter dem Namen Rama Raj oder Khudai Raj begegnen. Für die Verwirklichung des Gottesreiches, das für ihn ein Reich des Friedens, der Liebe und der Gerechtigkeit ist, arbeitete, lebte und starb er wie Jesus von Nazareth. Jesus erlebte Gott als bedingungslose Liebe, und diese Gottesliebe wandte er den Menschen, vornehmlich den Kranken und Verkrüppelten, den Verachteten, Benachteiligten, Unterdrückten und Ausgebeuteten zu. Da er sich nicht mit einer Symptomkur, die lediglich die schlimmsten Auswirkungen des gesellschaftlichen Systems lindert, begnügte, sondern nach den Ursachen von Unrecht und Gewalt in der Welt fragte, scheute er sich nicht, die Reichen, die Mächtigen und die korrupte Tempelpriesterschaft in Jerusalem mit scharfen Worten anzugreifen. Dadurch und nicht zuletzt durch die Zeichenhandlung der Austreibung der Wechsler aus dem Tempelvorhof, zog er sich ihre Todfeindschaft zu. Sie denunzierten ihn als Aufrührer gegen die römische Besatzungsmacht und sorgten so für seine grausame Hinrichtung.

Die Parallele der Lebensläufe von Jesus und Gandhi ist auch in dieser Hinsicht frappant. Auch Gandhi erfuhr Gott als bedingungslose Liebe. Auch er wandte diese Liebe den Menschen zu, namentlich den Kranken und Behinderten, den Unberührbaren und den Benachteiligten (z.B. den Frauen), den Unterdrückten und Ausgebeuteten. Wie Jesus benannte er schonungslos die Ursachen für Gewalt und Ungerechtigkeit in der Welt und schuf sich so Todfeinde, denen er schließlich zum Opfer fiel.

Bisher habe ich ausführlich über die Gemeinsamkeiten von Gandhi und Jesus gesprochen. Darüber dürfen die Unterschiede zwischen ihnen jedoch nicht vergessen werden. Aus Zeitgründen beschränke ich mich auf einen wesentlichen Unterschied. Im Gegensatz zu Gandhi finden sich in der christlichen Bibel, dem Neuen Testament, keine Zeugnisse für das, was ich die Verbindung zwischen uns und der außermenschlichen Natur nannte. Möglicherweise hat es solche Äußerungen bei Jesus gegeben, sie sind aber nicht überliefert, vielleicht, weil sie dem Zeitgeist völlig fremd waren. Bei Gandhi nehmen Äußerungen zu diesem Thema und ihre Verwirklichung im täglichen Leben einen breiten Raum ein. Ich erwähne in diesem Zusammenhang lediglich seine Lehre von der Heiligkeit allen Lebens, die selbst die gefährlichen oder schädlichen Tiere einschließt, seinen Vegetarismus und last not least seine Verehrung der Kuh als des Inbegriffs der stummen Kreatur.

Das Ende des Fundamentalismus

Ich kehre noch einmal an den Anfang meiner Überlegungen zurück. Bisher habe ich vornehmlich über Gandhi und Jesus als „Brüder im Geist“ gesprochen. Mein Thema ist jedoch umfassender. Es lautet: Gandhi und Jesus – Das Ende des Fundamentalismus.

Zunächst möchte ich mich der Frage zu wenden: Was ist Fundamentalismus? Für mich ist jede Lehre fundamentalistisch, die im Namen Gottes oder der Wahrheit Gewalt rechtfertigt, zur Gewalt aufruft oder Gewalt anwendet, sei es innerhalb der eigenen Religion gegen Andersdenkende (Häretiker oder Ketzer) oder gegen die Angehörigen anderer Religionen, die als Anhänger des Aberglaubens, Irrglaubens und daher als Ungläubige betrachtet werden und zum wahren Glauben bekehrt werden müssen.

Historisch ist der Begriff Fundamentalismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden. Er wurde abgeleitet von dem englischen Wort „fundamentals“. „Zwischen 1910 und 1915“, so schreibt der anglikanische Bischof John Shelby Spong, „veröffentlichte eine Gruppe konservativer Christen in einer Reaktion gegen die Bibelkritik im Allgemeinen und gegen die Herausforderung der Darwinschen Abstammungslehre im Besonderen eine Reihe von Pamphleten unter dem Titel ‚Die Grundlagen’ (the fundamentals). Von diesen Pamphleten fand das Wort Fundamentalismus Eingang in das religiöse Vokabular und gewann seine Bedeutung als Beschreibung des Buchstabenglaubens konservativer Christen.“

Lawrence Meredith hat die Glaubensüberzeugungen der Fundamentalisten in fünf Grundaussagen (Fundamentals) zusammengefasst. Es sind:

1. „Die Inspiration der Schrift als wörtlich geoffenbartes Wort Gottes.

2. Die Jungfrauengeburt als die wunderbare und wörtlich zu verstehende Garantie für die göttliche Natur Christi.

3. Der Tod Jesu als stellvertretende Versöhnung. Sein Tod brachte das Geschenk der Erlösung durch die rettende Kraft seines Blutes.

4. Die Gewissheit der körperlichen Auferstehung Jesu von den Toten. Die Exaktheit der Geschichten vom leeren Grab und von den Erscheinungen Jesu gemäß der Überlieferung in den Evangelien.

5. Die Wiederkunft Jesu am Tag des Gerichts, an dem über jeden nach seinem Leben geurteilt wird. Himmel und Hölle als Orte ewiger Belohnung oder Bestrafung sind real.“

Religionsgeschichtlich betrachtet, sind die Ursprünge des Fundamentalismus bei weitem älter, sie liegen in der Frühzeit des Judentums. Der Fundamentalismus begegnet uns in der Gestalt des Gottes Jahwe, eines eifernden, eifersüchtigen, zornigen, rächenden, strafenden, richtenden und vernichtenden Gottes, der von seinem auserwählten Volk bedingungslosen Gehorsam fordert, den er fürstlich belohnt, der aber auch den Ungehorsam gegenüber seinen Geboten grausam bis in die dritte und vierte Generation bestraft. Es ist der Gott, der dem Volk Israel das Land Kanaan als Heimstatt und Erbbesitz anweist und befiehlt, ihm sieben Stadtvölker als Ganzopfer (Holocaust) darzubringen, weil sie sich der Landnahme seines auserwählten Volkes widersetzten. Ganzopfer oder Holocaust heißt nichts anderes als, sie sind mit Kind und Kegel auszurotten. Die theologische Forschung ist heute der Auffassung, dass die Ereignisse, die das Buch Josua und andere biblische Bücher schildern, so nicht stattgefunden haben, doch die heiligen Texte haben als Gottes Wort in der Geschichte eine verheerende Wirkung entfaltet und entfalten sie bis zum heutigen Tag.

Ein Blick auf das „heilige Land“ Palästina, jenen winzigen Flecken Erde am Ostufer des Mittelmeeres, um das sich die drei Religionen Judentum, Christentum und Islam stritten und streiten, genügt, um zu erkennen, wie aktuell diese alte Geschichte ist.

Für fromme Juden liefert sie nämlich das Paradigma für die „Landnahme“ der Juden in Palästina unter Berufung auf die Verheißung Jahwes, wie sie die hebräische Bibel überliefert. Es ist daher kein Wunder, dass sich unter den Siedlern in den besetzten Gebieten besonders viele jüdische Fundamentalisten finden. Es gibt sie aber auch in Israel und in der jüdischen Diaspora.

Die christlichen Fundamentalisten haben wir bereits kennen gelernt. Sie begegnen uns in allen Teilen der christlichen Welt, am häufigsten aber im Mittelwesten der USA. Charakteristisch für sie ist die Ablehnung der modernen Bibelexegese, wie sie seit der Aufklärung in der Theologie zunehmend an Einfluss gewonnen hat. Die amerikanischen Fundamentalisten unterstützen übrigens die jüdischen Fundamentalisten und beeinflussen massiv die Politik der USA gegenüber Israel. Der islamische Fundamentalismus ist vornehmlich im Nahen und Mittleren Osten verbreitet. Er ist auch unter dem Namen Islamismus bekannt. Der islamische Fundamentalismus rechtfertigt Gewalt gegen Menschen, die Allah oder den Propheten Mohammed lästern (siehe die Fatwas gegen Salman Rushdie oder die Autoren der Mohammed-Karikaturen). Er ruft zum heiligen Krieg (djihad) auf gegen den „großen Satan“ USA und den „kleinen Satan“ Israel. Selbstmordattentäter werden von den Islamisten als Märtyrer für ihren Glauben verehrt. Selbstverständlich darf der Fundamentalismus nicht mit den Religionen Judentum, Christentum und Islam gleichgesetzt werden. Diese Religionen nennt man auch die abrahamitischen, weil sie sich alle drei auf Abraham bzw. Ibrahim als Stammvater berufen. Selbstverständlich gibt es neben den fundamentalistischen Strömungen in diesen Religionen auch liberale und weltoffene Strömungen, die eine ganz andere Gottesvorstellung vermitteln, nämlich die Vorstellung eines liebenden, gewaltfreien und lebensbejahenden Gottes. Dieser Gott, das sei gleich hinzugefügt, ist zwar ein liebender, aber keineswegs ein lieblicher Gott. Er ist auch schrecklich, denn er erhebt auf unser Leben einen totalen Anspruch. Gandhi hat diesen Sachverhalt einmal in die wunderbaren – wenn auch leicht missverständlichen –Worte gekleidet: „Mein Anspruch,“ so sagt er über sich selbst, „die Stimme Gottes zu hören, ist nicht neu. Unglücklicherweise kenne ich keinen anderen Weg, diesen Anspruch zu beweisen, als durch die Ergebnisse. Gott wäre nicht Gott, würde er es seinen Geschöpfen erlauben, ihn zum Gegenstand eines Beweisverfahrens zu machen. Aber er gibt seinem willigen Sklaven die Kraft, die furchtbarsten Prüfungen zu bestehen. Ich bin mehr als ein halbes Jahrhundert ein williger Sklave dieses strengsten aller Herren gewesen. Seine Stimme wurde im Laufe der Jahre immer deutlicher hörbar. Selbst in meiner dunkelsten Stunde hat er hat mich nicht im Stich gelassen. Er hat mich oft vor mir selbst gerettet und mir nicht eine Spur von Unabhängigkeit gelassen. Je größer meine Hingabe an ihn, desto größer war meine Freude.“

Der Einzelne im Verhältnis zu Gott

Dieser absolute, ja totale Anspruch Gottes auf unser Leben hat jedoch ausschließlich im Verhältnis zwischen Gott und dem Einzelnen seinen legitimen Platz. Wird er nach außen gewendet, das heißt anderen Menschen und anderen Religionen gegenüber geltend gemacht, wird er totalitär. Genau das ist aber bei den abrahamitischen Religionen geschehen. Sie haben im Vergleich zu anderen Religionen des Ostens, z.B. dem Hinduismus und Buddhismus, eine Tendenz zum Totalitären, weil sie jeweils für ihre Lehre einen absoluten Wahrheitsanspruch erheben. Dieser absolute Wahrheitsanspruch ist der Boden, auf dem der Fundamentalismus gedeiht. Denn eins ist sicher: Wer für die eigene Religion einen absoluten Wahrheitsanspruch erhebt, erklärt damit zwangsläufig alle anderen Religionen zur absoluten Unwahrheit und alle, die innerhalb der eigenen Religion eine abweichende Meinung vertreten, zu Häretikern oder Ketzern, die zur einzig wahren Religion bekehrt werden müssen, sei es durch gutes Zureden, sei es durch Zwang und wenn es gar nicht anders geht, durch Feuer und Schwert. Er öffnet damit eine Pandorabüchse, aus der unermessliches Leid und Unheil für die ganze Welt quillt.

Der absolute Wahrheitsanspruch wird somit zur Grundlage der Heidenmission, denn soviel ist klar, dass in dem Augenblick, wo ich alle anderen Religionen zu „Aberglauben, Irrglauben und also Unglauben“ (Karl Barth) erkläre, das Heil der Ungläubigen davon abhängt, dass sie den einzig wahren Glauben annehmen.

Dadurch entsteht zwischen den Religionen, die jeweils für sich diesen Anspruch erheben, ein Konkurrenzkampf um die Seelen, der leicht in einen „Krieg der Religionen“ ausarten kann (Samuel Huntington: Kampf der Kulturen, Viktor und Viktoria Trimondi: Krieg der Religionen). Doch damit nicht genug. In säkularisierter Gestalt bildet der absolute Wahrheitsanspruch der abrahamitischen Religionen das Paradigma für den Überlegenheitsanspruch der Europäer gegenüber den Nichteuropäern wie auch der weißen Rasse gegenüber den farbigen Rassen der Welt. Er ist damit zumindest mitverantwortlich für die Negersklaverei, Kolonialismus,

Imperialismus und Globalismus mit all dem Leid und Unheil, das sie über die Menschheit gebracht haben.

Wenn wir jedoch mit Gandhi der Auffassung sind, dass alle Religionen sowohl Wahrheit als auch Unwahrheit enthalten, dann ist Mission überflüssig, ja schädlich, denn sie hindert uns, die Wahrheit in den anderen Religionen und die Unwahrheit in unserer eigenen Religion zu erkennen und an ihrer Überwindung zu arbeiten. Als Gandhi von seinen christlichen Freunden bestürmt wurde, sich zum Christentum zu bekehren, sagte er: „Ich möchte ... meine christlichen Freunde herzlich bitten, mich zu nehmen, wie ich nun einmal bin. Ich achte ihren Wunsch, dass ich denken und handeln sollte wie sie selber, und lasse ihn gelten, wie ich den gleichen Wunsch achte und gelten lasse, den die Muslime mir gegenüber äußern. Beide Religionen sind für mich so wahr wie meine eigene. Meine eigene aber stillt alle meine inneren Bedürfnisse. Sie bietet mir alles, dessen ich zu meiner inneren Entfaltung bedarf. Sie lehrt mich beten, andere möchten sich zur Fülle ihres Wesens in ihrer eigenen Religion entfalten, nicht aber, andere möchten glauben, was ich selber glaube. So bete ich denn für einen Christen, dass er ein besserer Christ, für einen Muslim, dass er ein besserer Muslim werden möge. Ich bin überzeugt, dass Gott dereinst nach dem fragen wird, dass Gott heute schon nach dem fragt, was wir sind, also was wir tun, nicht nach dem Namen, den wir uns beilegen. Bei ihm ist Tun alles, Glauben ohne Tun nichts. Bei ihm ist Tun Glauben und Glauben Tun.“

Die Grundlage für einen fruchtbaren interreligiösen Dialog sah Gandhi im gemeinsamen Streben nach der Wahrheit. Das verband ihn mit den Anhängern anderer Religionen und mit den Philosophen. Diese Wahrheitssuche, dieses sokratische Streben nach der Wahrheit, die wir, solange wir leben, niemals erreichen, der wir uns aber annähern können, tritt an die Stelle des Besitzes der absoluten Wahrheit.

In dem von Hans Küng und anderen verfassten Buch „Christentum und Weltreligionen“ heißt es: „Jede der drei großen nahöstlichen Religionen, so pflegt die islamische Theologin Riffat Hassan zu sagen, hat einen bestimmten neuralgischen Punkt, der für sie selbst nicht ‚negotiable‘ (verhandelbar), für die beiden anderen aber nicht akzeptabel ist: Für das Judentum ist dies die einzigartige Auserwählung Israels als Volk Gottes (mit Landverheißung), für das Christentum die Lehre vom Christus als dem Sohn Gottes, für den Islam aber die Lehre vom Koran als dem Wort Gottes. Aber ... über diese Fragen muss gesprochen werden können.“
Man beachte die analoge Reihung: Volk Gottes, Sohn Gottes, Buch Gottes.

Betrachten wir diese absolut gesetzten Wahrheiten, die für die genannten Religionen im Zentrum ihrer Lehre stehen und damit gewissermaßen die Mitte und das Herz ihres Glaubens ausmachen, von Standpunkt Gandhis aus, so ergibt sich folgendes Bild: Volk Gottes? Warum nicht? Doch warum die anderen Völker nicht auch? Mag sein, dass das Volk Israel eine besonders intensive religiöse Geschichte hat. Das ist aber kein Grund, sich als auserwählt zu betrachten. Wohl schmeichelt es unserer Eitelkeit, uns für auserwählt zu halten, doch das ist noch weniger ein Grund für diese Annahme. Und wie verträgt sich die Vorstellung der Auserwählung mit der von Gottes Gerechtigkeit? Der Einwand, es handle sich um Gottes unerforschlichen Ratschluss, überzeugt mich nicht. Wo bleibt dann Gottes Gerechtigkeit? Nein, Gott ist der Gott aller Völker, so wie er der Gott aller Menschen und der ganzen Schöpfung ist. Sohn Gottes? Gewiss doch, warum sollte Jesus von Nazaret nicht ein Sohn Gottes sein? Aber warum der einzige und eingeborene? Dass er eine herausragende religiöse Gestalt war, sei unbestritten, aber gibt es nicht auch noch andere: Abraham, Moses, Gotama, Zarathustra, Kung Fu-tse, Lao-tse, Rama, Krischna, Sokrates, Mohammed, um nur einige zu nennen? Sind sie nicht auch Gottes Söhne, von seinen Töchtern ganz zu schweigen? Und sind wir nicht alle Kinder Gottes, auch wenn wir uns dieses Ehrentitels so selten würdig erweisen? Zwar schmeichelt es unserer Eitelkeit, uns als durch Christus erlöst zu betrachten im Unterschied zu allen Nichtchristen, doch das sollte eher ein Grund sein, dies nicht zu glauben.
Buch Gottes? Der Koran ist zweifellos ein Buch Gottes, eine heilige Schrift wie die Bibel, die Bhagwadgita, die Reden des Buddha und andere. Doch warum die einzig authentische? Für die historisch-kritische Forschung ist das eine ganz und gar unbegründete und unbewiesene Behauptung, zumal nachweislich nicht wenig Gedankengut aus der Bibel in den Koran eingeflossen ist. Natürlich schmeichelt der Glaube, im Besitz des reinen und unverfälschten Wortes Gottes zu sein, der menschlichen Eitelkeit. Doch das sollte am allerwenigsten ein Grund für diese Annahme sein.

Wer als Jude, Christ oder Muslim den Schritt zur Preisgabe des absoluten Wahrheitsanspruchs für die eigene Religion tut, erlebt beglückt, wie die Mauern der Fremdheit und Feindschaft zwischen den Religionen einstürzen und wir uns als das begegnen, was wir nach Gandhis Auffassung sind: Kinder Gottes, Brüder und Schwestern.

Fazit: Zu Beginn meines Vortrags habe ich gesagt: Für mich ist Religion das, was uns mit Gott oder der Wahrheit, mit dem Nächsten und mit der außermenschlichen Natur in Liebe verbindet. Daraus folgt, dass für mich der Fundamentalismus keine Religion ist, weil er uns vom Nächsten und folglich auch von Gott, sofern wir ihn als Wahrheit und Liebe erfahren, trennt. Die Worte für mich sind auch hier von entscheidender Bedeutung, denn selbstverständlich anerkenne ich, dass Fundamentalisten von der Wahrheit ihrer Religion zutiefst überzeugt sind, so sehr, dass sie nicht selten bereit sind, dafür ihr Leben zu opfern. Weitaus größere Hochachtung empfinde ich jedoch für die christlichen Märtyrer, die bereit sind, ihr Leben zu opfern ohne zu töten.

Ich halte den religiösen Fundamentalismus für eine der größten Bedrohungen des Lebens auf der Erde. Viele Fundamentalisten berauschen sich an den apokalyptischen Texten der Bibel. Sie erwarten, dass Gott die Welt in einer Endzeitkatastrophe untergehen lässt, weil sie unrettbar dem Bösen verfallen ist. Sie erwarten, dass er danach einen neuen Himmel und eine neue Erde schafft, wo die Erlösten ewige Glückseligkeit genießen und die Verdammten ewige Höllenqualen erleiden. Mag sein, dass sie in einer sich selbst erfüllenden Prophetie den Weltuntergang in Gestalt eines atomaren Weltkriegs herbeiführen helfen. Doch ihre Hoffnung auf eine Neuschaffung der Welt durch Gott dürfte wohl vergeblich sein.

Für mich repräsentieren Gandhi und Jesus eine helle Gegenwelt zur düsteren Welt des Fundamentalismus. Sie zeigen den Rettungsweg für die Menschheit. Es lohnt sich für jede und jeden von uns, ihn zu beschreiten, denn jeder Schritt auf diesem Weg trägt seinen Sinn und seinen Lohn in sich selbst.

© 2010 Mit freundlicher Genehmigung des Autors Wolfgang Sternstein, Stuttgart.

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