Grenzenloser Spaß beim Autofahren? Mit dem Business Gamification Ansatz von Volkswagen soll das möglich sein. In Kooperation mit Google brachte Volkswagen die Applikation »SmileDrive« auf den Markt, die mithilfe von Punktesystemen und der Verknüpfung von Google’s sozialem Netzwerk Google+ einen unvergesslichen Fahrspaß versprechen soll. Inwiefern der Gamification sowie der soziale Ansatz an dieser App beim Konsumenten funktionieren, werden wir uns anhand des ERG Modells von Alderfer und der Flow Theorie von Mihály Csíkszentmihályi genauer ansehen. Welche Werbepsychologie steckt dahinter, um die Nutzer diese App schmackhaft zu machen?
SmileDrive, so lautet der Name der Applikation, die uns beim Autofahren Freude bereiten und jeden Trip unvergesslich machen soll. Einfach ins Auto steigen, sich in sein Google Account einloggen, das Auto mit Bluetooth verbinden und der Spaß kann beginnen! Volkswagen zeichnet mit der Applikation den Standort, die zurückgelegte Distanz, die beanspruchte Zeit und das Wetter auf, die bei jeder Fahrt in Punkte umgewandelt werden.
Doch damit nicht genug: Jedes mal, wenn der Nutzer mit seinem Volkswagen an einem anderen Nutzer vorbeifährt, der die SmileDrive Applikation auch nutzt, werden sogenannte »PunchDubs« gezählt. Diese zeigen am Ende einer Autofahrt die getroffenen SmileDrive Nutzer an und erhöhen zudem den Punktestand, angegeben als »Smile-Score«. Wer jetzt noch fleißig fährt und häufig zu unterschiedlichen Tageszeiten unterwegs ist, kann zusätzliche Achievements in Form von Stickern bekommen. So gibt es beispielsweise die Nachteule als Sticker, wenn die Fahrt zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens gestartet wurde.
Neben den genannten Faktoren, die den Gamification Ansatz von Volkswagen und ihrer SmileDrive App ausmachen, darf das soziale Miteinander nicht fehlen! Freunde können die Autofahrt mit gestalten, indem sie per Applikation hinzugefügt werden. Dadurch wird die Fahrt noch interaktiver, da Fotos und Status Updates integriert werden und am Ende auf Google+ geteilt werden kann. SmileDrive soll den Spaßfaktor am Autofahren erhöhen, mit Gamification Ansätzen und der Eibindung der sozialen Komponente. Das Ganze gleicht einem Abenteuer – es ist Visuelles Storytelling mit dem Hintergedanken, den Spaß nach außen zu tragen und mehr Leute dazu zu bringen, sich die SmileDrive App herunter zu laden.
Mit SmileDrive erhofft sich Volkswagen eine rege Teilnahme und mehr Freude am Fahren. Doch wie sieht das aus der Sicht des Konsumenten, des Nutzer aus? Warum möchten wir als Autofahrer diese Applikation nutzen oder nicht nutzen, was sind die Vor- und Nachteile und wie werden wir psychisch beeinflusst? Anhand der ERG Theorie betrachten wir den sozialen Aspekt und den Gamification Ansatz mit Hilfe der Flow Theorie.
Die ERG Theorie
Die weiterentwickelte Form der Bedürfnispyramide von Maslow, ist die ERG Theorie von Clayton Alderfer und wird in drei Segmente bzw. Bedürfnisse aufgeteilt. Dazu zählen die Existenz, Beziehung sowie das Wachstum (Existence, Relatedness, Growth). Jedes dieser Bedürfnisse baut aufeinander auf und muss befriedigt werden, um die letztendliche Selbsterfüllung, Selbstverwirklichung und Produktivität zu gewährleisten.
Vereinfacht erklärt sieht es folgendermaßen aus: Zuerst müssen die Grundbedürfnisse wie frische Luft, sauberes Wasser, ausreichendes Nahrungsmittel, Kleidung und Schlaf (Dach über dem Kopf) vorhanden sein. Ist dies der Fall, sucht der Mensch nach sozialen Beziehungen und Kontakten, die er aufbauen bzw. pflegen möchte. Es sind Faktoren der Zusammengehörigkeit, Geborgenheit, das Gruppenerlebnis. Werden diese zwei Bedürfnisse erfüllt, wird im Menschen das Verlangen nach Wachstum geweckt. Hier steht die Selbstverwirklichung im Vordergrund, die jeder Mensch individuell für sich gestaltet. Das können Aspekte wie Freiheit, Unabhängigkeit, Wertschätzung, aber auch Stärke und Erfolg sein.
Das Schaubild bildet den Zyklus der ERG Theorie ab und weist zudem Rückkopplungen bei unbefriedigten Bedürfnissen. So findet eine Regression zum darunter stehenden Segment statt, wenn Beziehung oder Wachstum nicht erreicht oder gar gewährleistet sind. Doch unter welchen Gesichtspunkten lässt sich die ERG Theorie auf SmileDrive und seiner sozialen Komponente übertragen?
Soziale Bedürfnisse anhand des ERG Modells
1. Existenzbedürfnis. Die Existenzbedürfnisse müssen zuallererst gewährleistet werden, um das Bedürfnis von Beziehungen zu empfinden. Interessanterweise lässt sich darüber streiten, ob das Auto selbst, für dieses Modell, zu den Existenz- bzw. Grundbedürfnissen gehören kann, indem es für den Arbeitsweg als Fortbewegungsmittel benötigt wird. Offiziell gilt es zumindest als Luxusbedürfnis, da der Mensch auch mit öffentlichen Verkehrsmittel Strecken zurücklegen kann.
In diesem Sinne muss der Mensch zumindest allen Existenzbedürfnissen gerecht werden, um das Geld aufbringen zu können, ein eigenes Auto zu fahren und zu finanzieren.
2. Beziehungsbedürfnis. Dieses Segment ist für SmartDrive das Wichtigste, denn hier werden die sozialen Bedürfnisse geweckt und nach außen getragen. Faktoren wie Zugehörigkeit, Zuneigung sowie Bedürfnisse der Achtung und Wertschätzung spielen hier eine wesentliche Rolle. Dieses Bedürfnis der Beziehung empfinde ich auch beim Autofahren. Habe ich die Chance einen Beifahrer auf der Fahrt dabei zu haben, nutze ich diese Gelegenheit, da es mehr Freude bereitet, als alleine zu fahren.
Diese soziale Komponente spiegelt sich heute auf den sozialen Netzwerken, wo das Bedürfnis existiert, seine Meinung nach außen tragen zu wollen. Jedes besondere Ereignis aber auch jede Belanglosigkeit werden auf Plattformen wie Facebook, Twitter und Google+ publiziert. Diese immer stärker wachsende »Bewegung« macht sich Volkswagen mit ihrem Kooperationspartner Google zu Nutze. Ereignisse und Erlebnisse, die der Fahrer (und Beifahrer) erleben, werden auf Google+ festgehalten. Bilder, die während der Fahrt entstehen werden mit Statusmeldungen kombiniert und ergeben am Ende eine schöne Zusammenfassung des Trips, die mit Freunden geteilt werden kann.
Warum teilt der Mensch diese Informationen? Wir Menschen haben das Bedürfnis unsere Beziehungen zu pflegen und spannende Ereignisse mit Familie und Freunden festzuhalten. Was damals noch in Form von Fotobüchern stattfand, geschieht heute auf sozialen Netzwerken, wo die eigenen Kontakte die Möglichkeit bekommen, direkt Einfluss zu nehmen, sei es in Form einer Bewertung, eines Kommentars oder das Teilen mit eigenen Freunden. Wir haben als Menschen das Bedürfnis von Zugehörigkeit und Zuneigung. Dabei gewesen zu sein, ein Teil einer Gruppe zu sein, die einen schönen Tag erlebt hat und diesen für die Ewigkeit festhält. Hinzu kommen Bedürfnisse der Achtung und Wertschätzung, die uns dazu bewegen, besondere Momente auch anderen zu präsentieren. Hier kommt vor allem der Nutzen der schnellen Zugänglichkeit in sozialen Netzwerken ins Spiel, der uns erlaubt, in wenigen Sekunden diese Wertschätzung von anderen Nutzern zu erhalten. Wo damals geschossene Fotos erst entwickelt werden mussten, können wir heute jederzeit Ereignisse nach außen tragen. In erster Linie ist uns aber die Meinung der anderen wichtig. Wer hat sich selbst nicht mal erwischt, einen persönlichen Status zu veröffentlichen und darauf zu warten, was Freunde davon halten bzw. dazu sagen?!
Ein kurzer Einblick, was an SmileDrive und der Kopplung mit Google+ so einzigartig ist. Jede Autofahrt kann im Grunde genommen auch auf anderen sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter festgehalten werden. Was aber Google+ anders macht, ist die Zusammenfassung der gesamten Fahrt in Form einer »Trip-Seite«. Hier werden die Ereignisse in Form von Bildern, Texten sowie der Einblendung der zurückgelegten Strecke auf einer Karte festgehalten. Dadurch verschwimmt das Festhalten nicht in anderen Statusnachrichten anderer Freunde, sondern steht als eigenständiges Erlebnis, gar Abenteuer, auf der für SmileDrive Nutzer angelegte Seite.
3. Wachstumsbedürfnisse.
Sind die Bedürfnisse der Existenz sowie der Beziehung gegeben, streben Menschen nach der Selbstverwirklichung, das eigene Potential auszuschöpfen, was jeder individuell für sich entscheidet. So könnte die Selbstverwirklichung der Aufbau einer Expertise in einem für die Person interessanten Bereich sein oder der Beste in einer Fußballmannschaft zu sein.
SmileDrive bewegt sich mit der Applikation hauptsächlich im Bereich der Beziehungen, wo Bedürfnisse hinsichtlich der sozialen Netzwerken befriedigt werden. Dennoch lässt sich auch hier das Wachstumsbedürfnis erkennen – Nutzer möchten nicht nur ihre Fahrt mitsamt dem Spaß festhalten, sondern sich bei der Fahrt auch selbst verwirklichen. Denn neben all den sozialen Aspekten, die die Beziehungsbedürfnisse befriedigen, bewertet die SmileDrive Applikation auch die Fahrt und vergibt Punkte für verschiedene Faktoren. Was den Nutzer hier antreibt, ist das Schlagen seines eigenen High-Scores und der ständigen Verbesserungen, seine Autofahrt zu verbessern. Besser zu sein als die anderen SmileDrive Nutzer und durch die Möglichkeit der Verbreitung mittels Google+ auch andere an eigenen Errungenschaften teilhaben lassen – das Bedürfnis zu wachsen und sein Potential auszuschöpfen.
Die Einbindung eines Punktesystems bringt uns zum Gamification Aspekt der Applikation und knüpft an dieser Stelle an die Flow Theorie an.
Die Flow Theorie
Das Flow Gefühl und damit auch die Flow Theorie, die von Mihály Csíkszentmihályi beschrieben wird, setzt sich aus den Anforderungen und der eigenen Fähigkeiten zusammen. Die eigentliche Tätigkeit darf dabei weder über- noch unterfordern, sodass das Flow Gefühl erst zu Stande kommt. Aber was genau ist dieses Flow Gefühl überhaupt? Es beschreibt eine Gefühlslage, die die volle Konzentration auf das Tun verlangt, dabei fordernd sind, aber stets den eigenen Fähigkeiten gerecht werden – kurz, eine Immersion. So ist es für den Nutzer wichtig, den Anforderungen gewachsen zu sein und für seine Aktivitäten auch klare Rückmeldungen zu erhalten, wodurch Handeln und Bewusstsein Eins werden. Erst dann befinde ich mich im Flow und mein Zeitgefühl verändert sich, da ich mich voll und ganz auf meine Tätigkeit konzentriere. Wäre die Aufgabe dagegen zu schwer, sinkt die Motivation und die Aufgabe wird womöglich nicht mehr nachgegangen. Ist sie dagegen zu einfach, fühle ich mich unterfordert und Langeweile kommt auf.
Um das Flow Gefühl weiter zu verstärken, bedarf es laut Csíkszentmihályi einer spielerischen Komponente, sodass der Rezipient kreativ und gestalterisch seiner Tätigkeit nachgehen kann und zudem seinen freien Ausdruck darin findet. Genau hier greift SmileDrive den Gamification Ansatz auf und versucht neben den sozialen Aspekten der Applikation, das Ganze auch noch spielerisch zu gestalten. Um Die Fahrt spielerisch zu untermalen und interaktiver zu gestalten, bietet SmileDrive folgende Möglichkeiten:
• PunchDubs. Mit den sogenannten PunchDubs werden alle Nutzer aufgelistet, die auch SmileDrive verwenden und in unmittelbarer Nähe vorbeifuhren. Diese erbrachte »Leistung« wird dem Smile-Score gutgeschrieben und erhöht somit den Punktestand der eigenen Fahrt. Ein Ansatz, annähernd ein Flow Gefühl herbeizuführen, wäre es, in regelmäßigen aber zunehmenden Abständen diese PunchDubs einzupflegen. Dieses Verhalten kann jedoch nicht erzwungen werden und ist von den Nutzern der Applikation abhängig. Diese Funktion ist weder langweilig, noch erfordert sich übermäßige Konzentration, sodass von Flow gar nicht gesprochen werden kann. Eine Funktion, die zwar die eigenen punkte erhöhen kann, aber so zufallsbedingt ist, dass sie als unwichtig und nahezu sinnlos erscheint.
• Sticker. Viel stärker wird Gamification mit den Stickern geprägt, die der Nutzer während der Autofahrt sammelt. Wie oben bereits erwähnt, wird der Nutzer durch Sticker wie der Nachteule, für einen Start der Autofahrt zwischen Mitternacht und 4 Uhr morgens, belohnt. Aber auch für jeweils 100 gefahrene Kilometer, wird ein Sticker vergeben. Anhand der Flow Theorie lässt sich sagen, dass die Unterforderung bei einer Autofahrt nicht gegeben ist, was nicht an der Applikation liegt, sondern an der Tatsache, dass im Verkehr Vorsicht und damit höchste Konzentration geboten ist. Gedanklich ist der Nutzer bei der Autofahrt bereits im Flow und reagiert automatisiert an die Bedingungen, Ampeln, Fußgängern und weiteren Faktoren. SmileDrive versucht an diesem Punkt lediglich die Autofahrt lustiger und spannender zu gestalten, wodurch der Nutzer, der sich bereits in einem Flow Zustand befindet, seine Freude an den Achievements finden soll. Allerdings werden laut der Applikation alle Sticker aufgelistet, die freigeschaltet werden können, sodass die Neugier gar nicht existiert. Wo bleibt daher die Motivation, SmartDrive zu verwenden? Denn auch das Sammeln der Punkte für einen hohen Highscore sind zwar gegeben, haben aber bis auf die Selbstdarstellung unter Freunden, womit wir auch wieder bei der ERG Theorie im Punkt Wachstumsbedürfnis wären, keinen weiteren Nutzen. Lohnt es sich dann, die Applikation langfristig zu verwenden?
Learning der SmileDrive App
Was lernen wir aus SmileDrive und welche Konzepte müssen überdacht werden? Fakt ist, dass anhand des ERG Modells ein Bedürfnis der Selbstdarstellung und der Beziehung zu anderen Menschen anhand der Applikation durchaus funktionieren kann. Dieser erfolgreiche Nutzen beruht auf den starken Wandel in den letzten Jahren, dass zunehmend mehr Nutzer auf sozialen Netzwerken aktiv sind und ihre Ereignisse mit Freunden teilen. Einen starken Auftritt legt Google+ hierbei mit der Zusammenfassung einer Autofahrt hin, die sich jeder im Nachhinein ansehen kann und damit eine (tolle) Erinnerung festhält. Gleichzeitig konnte Google+ niemals an die Erfolge großer Plattformen wie Facebook, Twitter oder auch Instagram anknüpfen, sodass Erlebnisse routiniert und automatisiert eher auf Facebook & Co. geteilt werden. Wer jetzt auch noch seinen Groll auf Google aufgrund der Datensammlung richtet, findet mit SmileDrive keinen Mehrwert.
Mehrwert ist dabei auch das richtige Stichwort für den Gamification Ansatz von SmileDrive. Neben den eher sinnlosen PunchDubs und den Stickern, die aufgrund der Darlegung der möglichen Sticker die Neugier und Spieltrieb den Menschen nicht mehr wecken, fällt auch dieser Ansatz ins Wasser. Die Achievements sind nett anzusehen und werden auch in der Zusammenfassung aufgelistet, bieten jedoch keinen Mehrwert für den Nutzer.
Der Smile-Score bietet am Anfang der Nutzung noch ein wenig Spaß und weckt den Ehrgeiz, mehr Sticker und PunchDubs zu sammeln, auch größere Strecken zu befahren. Allerdings ist der Grundgedanke von Gamification der, dass Probleme spielerisch gelöst werden, was in dieser Applikation jedoch nicht im Vordergrund steht. So ist das umweltbewusste Fahren kein angegangenes Problem – stattdessen wird für vieles Fahren belohnt, was nur Langstreckenfahrer motivieren kann.
Wo bleibt der wahre Nutzen und Mehrwert, für die SmileDrive Nutzer? Der soziale Ansatz ist soweit in Ordnung und ist bis auf die Zwangskopplung mit Google+ schlüssig. Allerdings überzeugt Gamification an dieser Applikation nur in der ersten Nutzung und flacht schnell ab. Warum werden Achievements nicht für sparsames Fahren vergeben? Warum müssen es lediglich Sticker sein, die schön anzusehen sind, aber im Großen und Ganzen keine weitere Funktion bieten? Hier lassen sich viele Ideen spinnen, wie beispielsweise Tankgutscheine für umweltbewusstes Fahren oder dergleichen. Doch das Potential wird von Volkswagen mit ihrer SmileDrive Applikation verschenkt.
Interessant zu wissen ist, dass diese Applikation lediglich in Amerika vertrieben wurde und es nie nach Europa schaffte. Laut Google Play fanden Installationen in Höhe von 10.000–50.000 statt, was natürlich ein sehr breites Spektrum und keine genaue Zahl definiert. Für einen so großen Konzern ist diese vage Statistik zumindest ein Zeichen dafür, dass sie nicht ausgereift ist. Für eine Spielerei für einige Autofahrten sicherlich interessant und spaßig, langfristig durch das eher schlechte Belohnungssystem aber nichts für aktive Nutzer.