Auch bleiben viele notwendige Reformschritte weitestgehend aus. Mit den jetzt vorgeschlagenen Regelungen wird hingegen das Kompetenzwirrwarr zwischen Bund und Länder sowie Aufsichtsorganisationen sogar noch größer. Die Regulierung wird nicht vom Medieninhalt her gedacht, sondern es wird versucht, Ansätze aus der Welt der Analog-Medien ins Internet zu übertragen. Hinzu kommt: Anstatt auf moderne und erfolgreich erprobte Ansätze zu setzen wie Deskriptoren als Ergänzung zum Alterskennzeichen oder technische Jugendschutzsysteme, sollen künftig die unterschiedlichsten Aspekte bei der Altersbewertung berücksichtigt werden – neben dem Jugend- auch der Daten- und Verbraucherschutz. Das etablierte und gelernte System der Alterskennzeichen droht dadurch an Aussage- und Orientierungskraft für Eltern und Kinder zu verlieren.
"Der Jugendschutz in Deutschland steckt seit vielen Jahren in der prädigitalen Phase fest und muss dringend reformiert werden. Der aktuelle Entwurf ist kein Schritt nach vorn, sondern zwei zurück. Mit solchen Regelungen wird das ohnehin verworrene Jugendschutzsystem in Deutschland sogar noch komplizierter, langsamer und ineffektiver, als es derzeit ohnehin schon ist. Statt die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern sowie die Zuständigkeiten der Aufsicht sinnvoll aufzuteilen, würden die vorgeschlagenen Regelungen zu Doppelzuständigkeiten und Kompetenzwirrwarr führen. Das hilft niemanden und ist sowohl für Eltern und ihre Kinder als auch für Anbieter ein deutlicher Rückschritt", sagt Felix Falk, Geschäftsführer des game. "Jugendschutz ist uns als Games-Branche schon immer wichtig und wird bereits bei der Entwicklung neuer Titel und Hardware mitgedacht. Nachdem wir seit Jahren ein neues Jugendschutzgesetz fordern, ist der vorliegende Entwurf allerdings enttäuschend. Mit seinen wesentlich sinnvolleren, aber leider gescheiterten Vorschlägen aus dem Jahr 2015 war das Familienministerium schon einmal auf einem besseren Weg. Deutschland braucht einen modernen, konvergenten und international anschlussfähigen Jugendschutz. Wie dieser aussehen kann, haben wir als Games-Branche mit technischen Jugendschutzsystemen oder dem Einstufungssystem der International Age Rating Coalition auf eigene Initiative bereits gezeigt."
Angesichts des jetzt vorgelegten Entwurfs zieht der game eine weitgehend negative Bilanz. Die sieben Maßnahmen für einen modernen Jugendschutz in Deutschland, die der game schon seit Langem fordert, würden kaum erfüllt:
- Forderung 1: Wirksame Regelungen – KAUM ERFÜLLT
Die vorgeschlagenen Regelungen drohen ohne konkrete Auswirkungen zu bleiben, weil sie entweder kaum im Lebensalltag von Kindern und Jugendlichen ankommen oder für Anbieter gar nicht sinnvoll umsetzbar sind. - Forderung 2: Vermittlung von Medienkompetenz – NICHT ERFÜLLT
Nur durch die Vermittlung von Medienkompetenz können Kinder und Jugendliche eine Mediensouveränität erlangen, die den besten Jugendschutz ermöglicht. Der Entwurf liefert darauf keinerlei Antworten. - Forderung 3: Klare Kompetenzaufteilung – NICHT ERFÜLLT
Die Kompetenzen zwischen dem Bund und den Ländern werden weiterhin nicht klar aufteilt. Statt einer Verzahnung stehen die unterschiedlichen Gesetze mit teils unterschiedlichen Regelungen nebeneinander. Die bereits jetzt unübersichtlichen Verfahren werden sogar noch weiter verkompliziert. - Forderung 4: Medienkonvergenz – NICHT ERFÜLLT
Der Jugendschutz ist weiterhin nicht für alle Mediengattungen gleich geregelt und bleibt damit intransparent und unverständlich. Stattdessen wird zum Beispiel bei Plattformen einmal mehr auf eine Regulierung nach Verbreitungsart anstatt nach Inhalten gesetzt. - Forderung 5: Entschlackung der Aufsichtsstruktur – NICHT ERFÜLLT
Anstatt, dass die zahlreichen Aufsichtsinstitutionen endlich harmonisiert werden, verkompliziert der Bund das System sogar noch mit zusätzlichen Aufsichtsstrukturen. - Forderung 6: Stärkung der Selbstkontrollen – NICHT ERFÜLLT
Das erklärte Ziel, das bewährte und funktionierende System der Selbstkontrollen zu stärken, wird nicht eingelöst. Sinnvolle Anreize für Unternehmen, sich einer Selbstkontrolle anzuschließen, fehlen beispielsweise völlig. - Forderung 7: Moderne Ansätze fördern – KAUM ERFÜLLT
Moderne und erprobte Ansätze wie Deskriptoren für Alterskennzeichen oder technische Jugendschutzsysteme werden kaum gefördert. Stattdessen werden die gelernten Alterskennzeichen überladen und drohen an Aussagekraft für Eltern zu verlieren. Unterschiedliche Kennzeichen auf unterschiedlichen Plattformen sind die Folge. Das schafft weder die notwendige Orientierung für Eltern noch Klarheit für Anbieter.
Quelle: Pressemitteilung