“When you play the game of thrones, you win or you die. There is no middle ground.” Die Macher der hervorragenden The Walking Dead-Adaption nehmen sich nun das Universum von Game of Thrones zur Brust, herausgekommen ist einmal mehr eine Mischung aus Visual-Novel und Adventure.
Es hat zwar schon mehrere Versuche gegeben, die umfangreiche Welt der beliebten Fantasy-Drama-Reihe von Autor George R.R. Martin zu versoften, bisher bliebt der große Erfolg jedoch dank mittelmäßiger Endprodukte aus. Telltale Games, die Spezialisten für Umsetzungen beliebter Reihen aus allen denkbaren Mediengattungen (Graphic Novels a la Fables und The Walking Dead, Blockbuster-Filme wie Jurassic Park oder Back to the Future oder Spielereihen wie Sam & Max bzw. Borderlands) scheinen jedoch die geeigneten Entwickler für die komplexen und gleichermaßen intriganten Machtkämpfe Westeros’ zu sein, haben doch ihre bisherigen Adventure-Titel gezeigt, das sie nicht nur nah am Original arbeiten können, sondern überdies hinaus auch genug eigene Ideen einbringen um keine Langweile aufkommen zu lassen.
Neues Haus, neues Glück?
Und so scheint es auch nicht allzu verwunderlich, wenn in der ersten von insgesamt sechs Episoden von Game of Thrones: A Telltale Games Series nicht mittels einem der über die Bücher bzw. die TV-Serie bekannten Häuser die Erzählung in Gang gesetzt wird, sondern über eine (fast) unbekannte Herrscherlinie, dem Haus Forrester. Angesiedelt im Norden von Westeros gilt das Haus Forrester seit Jahrzehnten dem Haus Stark ergeben und zugleich als wichtigster Lieferant und Bearbeiter der “Ironwood”-Holzart, die als besonders robust und hochqualitativ für diverse Bauten oder Rüstungsmaterialien gilt.
Problematisch erscheint nun natürlich die Tatsache, dass die Erzählung zwischen dem Ende der dritten und dem Anfang der fünften Staffel der TV-Serie angesiedelt ist – Achtung: Spoiler-Warnung. Denn nicht nur die “Red Wedding” stellt für das Haus Forrester als Verbündete der Starks unmittelbar eine massive Herausforderung dar, sondern auch der daran anschließende Machtwechsel innerhalb des Nordens von Westeros, wo nun Roose Bolton, Lord of the Dreadfort, das Kommando übernommen hat. Neue Bündnisse müssen nun geschlossen und Verräter eliminiert werden – die Forresters befinden sich dabei zwischen den Fronten und man hat hier aktiv das zweifelhafte Vergnügen mit bedrohlichen Charakteren wie Cersei Lannister oder Ramsay Snow/Bolton das eingangs erwähnte Game of Thrones spielen.
Der Winter kommt auch für Haus Forrester
Dabei übernimmt der Spieler abwechselnd die Rolle eines von mehrerer Forrester-Familienmitgliedern sowie eines Knappen: Obwohl die Verwandschaftsstruktur sehr an jene der Starks erinnert – junge Thronfolger, starkes weibliches Familienoberhaupt etc., können die zu spielenden Charaktere schon anfangs bleibenden Eindruck hinterlassen und durch ihre Entscheidungsmöglichkeiten die Tragweite jener Handlungen maßgeblich beeinflussen. So wird dem Spieler beispielsweise ein Dieb vorgeführt, der, um seine Familie vor den plündernden Boltons zu beschützen, Waffen gestohlen hat. Drei Möglichkeiten stehen nun zur Auswahl: Zeigt man Güte und verzeiht das Fehlverhalten, so kann dies auch als Zeichen für Schwäche gelten und Nachahmer hervorrufen. Schickt man den Dieb ins Exil an die “Wall”, kann er seine Familie nicht beschützen und liefert sie somit dem drohenden Untergang aus. Vollzieht man das Gesetz und hackt dem Bürger drei Finger ab, kann zwar Recht und Ordnung durchgesetzt werden, der Ruf eines unnachgiebigen bzw. tyrannischen Herrschers scheint damit aber auch gleichzeitig etabliert. Diese Entscheidung stellt aber nur die Spitze eines Eisbergs dar, sind doch Unterhaltungen mit den Lannisters über Gefolgschaft ebenfalls Teil des Spiels – Nervosität kommt also sicherlich auf.
Vorwissen zu Game of Thrones ist eine absolute Voraussetzung
So gut geschrieben die Dialoge und Antwortmöglichkeiten auch sind, einige vor allem technische Mängel trüben das Vergnügen etwas: Die Gameplay-Engine verrichtet ihre Arbeit zumindest zweckdienlich, ihr Alter zeigt sich leider dank einiger Grafikbugs und Ladeschwierigkeiten im Laufe der Episode mit zunehmender Häufigkeit. Auch werden Spieler, die nicht vorab in das Game of Thrones-Universum eingetaucht sind, kaum Anschlussmöglichkeiten handlungstechnisch finden, was bei der Interaktion mit mehrdeutig auslegbaren Charakteren wie Tyrion Lannister hinderlich sein kann. Seine Rechtschaffenheit kann wohl für Neulinge nur erahnt werden, bei den kurzen Zeitperioden für die Entscheidungen innerhalb der Anworten bzw. deren nachfolgenden Auswirkungen kann hier schon Verwirrung oder Frustration entstehen.
So ist die erste Episode von Game of Thrones: A Telltale Games Series, benannt übrigens nach dem Motto des Hauses Forrester, vor allem eines: Ein Produkt für Fans der Serie – und wohl nur für diese. Außenstehende werden mit den komplexen Beziehungsgeflechten jener über die TV-Serie bzw. den Büchern bekannten Nebencharakteren schnell überfordert sein. Game of Thrones-Jünger erwartet allerdings ein mit gut aufgelegten Original-Sprechern (u.a. Lena Heady, Peter Dinklage, Iwan Rheon) befülltes sowie in Sachen Handlung und Entscheidungsmöglichkeiten spannendes erstes Kapitel, dass einen sicherlich gleichermaßen schockierenden wie auch überraschenden Eindruck hinterlassen wird. Die Vorfreude auf die kommenden Episoden (Erscheinungsweise übrigens ca. alle 4-6 Wochen) stellt sich ebenfalls nach einem massiven Cliffhanger am Ende ein, was wohl zusätzlich ein Indikator dafür ist, dass Telltale die Essenz der Vorlage verstanden und kompetent umgesetzt hat.
Plattform: PS3 (PSN, Version getestet), PS4, Xbox 360, Xbox One, PC , Altersfreigabe (PEGI): 18,
Spieler: 1, Erscheinungsdatum: 02.12.2014 (6 Episoden mit ca. monatlichen Fortsetzungen)
www.telltalegames.com/gameofthrones