„Temple“
(3-Headed Monster Posse)
Die Zeit der Eindeutigkeit ist längst vorbei, die schubladengerechte Sortierung, Etikettierung kaum mehr möglich. Das gilt für die Gesellschaft allgemein, wo links und rechts als verlässliche Standortkriterien mehr und mehr zu verschwinden bzw. zu verschwimmen scheinen (weil sich der Populismus überall gleichermaßen breitmacht und Linksfaschisten und Ökonationalisten wie selbstverständlich in gegnerischen Biotopen wildern. Das gilt für die Geschlechtertrennung, Stichwort Genderdebatte, LGBTQIA und natürlich auch für die Kunst, meint hier speziell die Musik. Wo früher der Rock eben nur Rock war und auch bei Metal, Rap oder Soul klare Grenzen gezogen wurden, werden heute alle erdenklichen Stilrichtungen nach Herzenslust miteinander vermischt. Das Nachsehen hat, wer die Scheuklappen nicht rechtzeitig vom Kopf bekommt – gut so. Je vielfältiger, facettenreicher es wird, um so mehr hakt es naturgemäß bei der Umschreibung, man braucht ein paar Vokabeln mehr, um eine Vorstellung zu vermitteln resp. zu bekommen, was genau einen hier erwartet.
Für die Gaddafi Gals beispielsweise schickt das Label folgende ins Rennen: divers, queer, migrantisch, antipatriarchal, esoterisch, futuristisch, soft, hybrid, internetaffin und global, eine jede ist man breit zu glauben, eine jede davon kann man unterstreichen und mindestens die gleiche Menge zusätzlicher fügt jede*r hinzu, der die erste EP „The Death Of Papi“ und nun das fabelhafte Albumdebüt „Temple“ hört und mag. Eine Wundertüte an Querverweisen: Der Eingang in den Tempel erfolgt durch eine der 36 Kammern des Wu-Tang, schlierige Loops, tonnenschwere Beats, garstige Rhymes, in der Folge richten Portishead, Massive Attack, FKA twigs das Koordinatensystem immer wieder neu aus, RnB, Jazz, all das klingt an und noch viel mehr. blaqtea (alias Ebow), slimgirl fat (ehemals Nalan381) und walter p99 arke$tra vermeiden also den eindimensionalen Bezug
Und verwahren sich ebenso strikt der politischen Vereinnahmung, so jedenfalls war es in einem Gespräch mit „Das Wetter“ zu lesen. Natürlich hat jede*r von ihnen eine klare, eigene Meinung, die er oder sie aber nicht wie eine Monstranz in den Songs vor sich hertragen möchte. Der Fokus liegt, musikalisch wie auch textlich klar im Assoziativen, zu Sätzen wie „Be my applepie until the day I die“ und wiegenden Hüften im „Temple Of Love“ darf man sich selbst ein passendes Bild machen. Ebenso geheimnisvoll und ungefähr bleibt es in den Videoclips der drei, „Skimask“ und „Mitsubishi“, Masken und Posen hier, entspanntes Cruisen dort, kein Ferrari, kein Maserati, nonono – „that’s us“. Soweit, so unklar. Selbst bei Themen Mysoginie und Homophobie gibt es keine plakativen Statements, der „Papi“ soll sterben, endgültig, aber wer oder was ins Gras beißen muß, bleibt offen. Schwer auszurechnen, schwer einzuordnen wollen sie sein, das hält die Spannung und macht sie mithin zu einem der interessantesten Acts dieses Jahres.
28.10. Wien, Das Werk02.11. München, Folks! Club03.11. Stuttgart, Schräglage04.11. Köln, Yuka05.11. Leipzig, Institut für Zukunft07.11. Hamburg, Uebel und Gefährlich08.11. Berlin, Badehaus