Gabriel sagt EM ab

Gabriel sagt EM abEs hätte so schön werden können. Ein rauschendes Fußballfest. Geile Spiele. Super-Siege. Gegen Holland. Gegen Portugal. Dänemark. Und schließlich und endlich auch gegen Spanien, den Angstgegner. Am Ende stände der erste Titel seit fast 20 Jahren. In Deutschland tanzen die Menschen auf den Straßen, Migranten und Einheimische liegen sich einig in den Armen, Deutschland, Deutschland, über alles, aber friedlich, nett und fair.
Es wird nicht so kommen können. Denn die Ukraine hält die frühere Premierministerin Julia Timoschenko nach einer Verurteilung wegen Amtsmissbrauch und Bestechlichkeit in Folterhaft. Nach dem Dafürhalten deutscher Politiker ein Unding, zumal Timoschenko an einer weltweit einmaligen Erkrankung namens Bandscheibenvorfall leide, die nur in der Berliner Charité behandelt werden kann. Als Mitausrichter der anstehenden Fußball-Europameisterschaft sei die Ukraine nicht mehr souverän, zumal nicht nur Präsident Janukowytsch, sondern auch der frühere Timoschenko-Mitkämpfer Wiktor Juschtschenko bestreitet, dass Timoschenko aus politischen Motiven heraus verurteilt wurde.
Hier greife höheres, deutsches Recht, findet SPD-Chef Sigmar Gabriel, der nach der Weigerung der Ukraine, die millionenschwere Ex-Energiemanagerin Timoschenko wie jeden anderen inhaftierten Bandscheibenkranken zur Behandlung nach Berlin ausreisen zu lassen, nach einem EM-Boykott Deutschlands ruft. Nach dem Vorbild des erfolgreichen deutschen Olympia-Boykotts, der vor vier Jahren mit 16 Goldmedaillen gekrönt werden konnte, dürfe kein deutscher Politiker zu Spielen in die Ukraine reisen, sagte der nach wie vor amtierende Pop-Beauftragte der deutschen Sozialdemokratie.
Er glaube fest daran, dass die deutschen Fußballfans Verständnis für die Entscheidung des DFB haben werden, keine Mannschaft in ein Land zu entsenden, "in dem Menschen aus politischen Gründen in Haft gehalten und misshandelt werden", sagte Gabriel. Fußballer wie Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm oder Marco Reus müssen aufpassen, dass sie nicht zu Claqueuren des Regimes werden. "Denn sie spielen in den Stadien möglicherweise für Gefängnisdirektoren und Geheimpolizisten."
Sigmar Gabriel selbst hat sich für den Promotioneffekt eines persönlichen Boykotts im Dienst der Kanzlerkandidatenkandidatur und gegen eine Reise in die Ukraine entschieden. Experten kritisieren allerdings, dass es dem SPD-Politiker wohl ohnehin kaum noch gelungen wäre, in den verbleibenden sechs Wochen bis zum Turnierbeginn sein Wettkampfgewicht zu erreichen und die Spritzigkeit zurückzuerobern.
Der vor kurzem in einem kollektiven Abspracheakt über alle Parteigrenzen hinweg demokratisch zum Präsidenten des Europäischen Parlaments gewählte SPD-Politiker Martin Schulz nahm Gabriel in Schutz. Timoschenko habe überall blaue Flecken, einer sei an ihrem Arm sogar deutlich erkennbar. Außerdem zeigten neue Fotos der 51-Jährigen deren "ausdrucksloses Gesicht".
"Wenn die ukrainische Regierung das Problem nicht schnellstens löst, gefährdet das das Abkommen mit der EU über wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit", warnte Schulz. Die EU sei "eine Werte- und Rechtsgemeinschaft und erwartet von anderen Ländern, dass sie sich an diese Werte halten."

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