Gabriel hemmt Erneuerbare

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) darf die Förderung der Erneuerbaren Energien einschränken. Seine Pläne für die Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) sind auf der Klausurtagung des Bundeskabinetts in Meseberg gebilligt worden. Das neue Gesetz soll voraussichtlich schon ab August – fünf Monate früher als geplant - in Kraft treten. Der Zubau von Windkraftanlagen auf dem Festland, Solarzellen und von Biomassekraftwerken soll begrenzt werden.

Gabriel ist unter Zeitdruck. Die Bundesregierung muss mit der Reform das Beihilfeverfahren abwenden, das die EU-Kommission vor Weihnachten eingeleitet hat wegen der Industrierabatte. Gelingt es nicht, sich mit der Kommission zu verständigen, können die Rabatte im nächsten Jahr nicht mehr gewährt werden. Großverbraucher sind weitgehend von der Zahlung der Umlage für die Erneuerbaren Energien ausgenommen und der Fehlbetrag muss durch die übrigen Verbraucher aufgebracht werden. Experten nehmen an, dass die deutsche Industrie in diesem Jahr auf diesem Wege einen Vorteil von fünf Milliarden Euro erhalten wird. Die EU-Kommission sieht darin eine unerlaubte Beihilfe für die deutsche Industrie. Aus Koalitionskreisen ist zu vernehmen, dass die Rabatte um maximal eine Milliarde Euro abgebaut werden sollen.

Durch die Gesetzesnovelle werden Obergrenzen für den Ausbau festgelegt. Der Anteil von Strom aus Wind, Sonne, Wasser und Biomasse soll demnach im Jahr 2025 auf 40 bis 45 Prozent und bis 2035 auf 55 bis 60 Prozent steigen, heißt es in dem Papier. Dabei soll sichergestellt werden, dass die Energieversorgung sicher und bezahlbar bleibt.

So soll die Kapazität von Windanlagen an Land und von Solaranlagen nur noch um etwa 2500 Megawatt im Jahr ausgebaut werden. Für die Nutzung der Sonnenenergie bedeutet dies einen starken Einschnitt: Im letzten Jahr wurden noch 3300 Megawatt zusätzlicher Leistung aus der Photovoltaik installiert. Ebenso drastisch ist der Ausbau der Verstromung der Biomasse: Wurden zuletzt noch 600 Megawatt installiert, dürfen es künftig nur noch 100 Megawatt im Jahr sein. Windräder, die auf dem Meer gebaut werden, bekommen ein Ausbauziel von 6,5 Gigawatt bis zum Jahr 2020 und können demnach stärker ausgebaut werden. Der verbindliche Ausbaukorridor soll es ermöglichen, konventionelle und regenerative Energieerzeugung miteinander zu verbinden und den notwendigen Netzausbau nicht aus den Augen zu verlieren.

Die Vergütungssätze sollen sinken, von heute durchschnittlich 17 Cent je Kilowattstunde auf 12 Cent. Für die Windkraft an Land sollen 2015 höchsten 9 Cent gezahlt werden. „Im Ergebnis liegt die Vergütung im Jahr 2015 an ertragreichen Standorten um 10 bis 20 Prozent unter dem Niveau vom Jahr 2013“, heißt es. Es sei ebenfalls sichergestellt, dass an guten Standorten auch weiterhin ein wirtschaftlicher Betrieb möglich sei. Die alten EEG-Fördersätze sollten nur noch für Windanlagen gelten, die bis zum 31. Dezember 2014 in Betrieb gingen und vor dem 22. Januar genehmigt worden seien, heißt es im Papier. Damit will Gabriel einen Ansturm der Investoren verhindern, die in letzter Minute noch neue Anlagen zu alten Fördersätzen bauen wollen.

Einen Aufschrei in der Wirtschaft hat es gegeben, als weitere Details der Reformvorschläge bekannt wurden. So sollen in Zukunft Betriebe eine Abgabe zur Finanzierung des EEG zahlen, wenn sie selbst produzierten Strom für den Eigenbedarf verwenden. Nach Berechnungen der Netzbetreiber, produziert die Industrie 50 Terrawattstunden Strom für den Eigenbedarf. Die geplanten Kosten von einem Cent je Kilowattstunde summieren sich entsprechend auf 500 Millionen Euro im Jahr, mit denen die Wirtschaft demnächst belastet werden soll. Bisher waren die Selbstversorger von der Zahlung der EEG-Umlage in Höhe von 5,3 Cent je Kilowattstunde ausgenommen. Anlagen, die jetzt neu gebaut werden, sollen in Zukunft mit 5,6 Cent pro Kilowattstunde belastet werden und wenn sie sowohl Strom als auch Wärme produzieren, sinkt die Belastung auf 4,4 Cent.

Hausbesitzer können vorerst aufatmen. Wer eine Anlage mit einer Leistung bis 10 Kilowatt auf sein Dach geschraubt hat, fällt noch unter die Bagatellgrenze und muss noch keine 4,4 Cent je selbst verbrauchter Kilowattstunde entrichten. An dieser Regelung stößt sich der Chef der halbstaatlichen Deutschen Energieagentur (Dena), Stephan Kohler. „Das sind zwar alles kleine Anlagen, doch in ihrer Masse sind sie systemrelevant“, meinte er. Die jährlich immer größer werdenden Probleme für die Steuerung des Stromnetzes würden, „durch die Einführung von Bagatellgrenzen nicht gelöst“.

Umweltorganisationen sehen in Gabriels Plänen einen Frontalangriff auf die Energiewende. Die BUND-Energieexpertin Daniela Setton sagte: "Die Umsetzung der Gabriel-Pläne würde insbesondere die Investitionen der Bürgerinnen und Bürger in erneuerbare Energie-Anlagen abwürgen. Unter dem Deckmantel der Kostenreduktion wird mit diesem Reformvorschlag einer zentralen Energieversorgung in den Händen weniger Investoren Vorschub geleistet."

Ein modernisiertes Ausbaugesetz für erneuerbare Energien müsse zuerst den dezentralen Ausbau der regenerativen Stromerzeugung absichern, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die verbrauchernahe Energieerzeugung sei deutlich günstiger und umweltfreundlicher als die zentralistische. Deshalb müssten kostengünstige Windstromanlagen an Land und die Photovoltaik in den Städten entschlossen ausgebaut werden anstatt sie zu deckeln, so Weiger weiter.

Auch für den BUND-Energieexperten Thorben Becker sind Gabriels Pläne, Windparks an Land und den Ausbau der Photovoltaik zu beschränken, kontraproduktiv. Während bei Offshore-Windenergie und Biomasse richtigerweise eine Mengensteuerung eingeführt werde, müsse auf der anderen Seite zugleich der Zubau erneuerbarer Energien insgesamt vorangetrieben werden. Deckelungen bei je 2.500 Megawatt jährlichem Zubau für Wind-Onshore und Photovoltaik bremsten hier deutlich. Wer die Kosten der Energiewende senken wolle, dürfe den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien nicht behindern, sondern müsse stattdessen die Kosten gerechter auf alle verteilen. "Abgeschafft werden müssen vor allem die ausufernden Vergünstigungen für energieintensive Industriebetriebe. Und von den durch den steigenden Anteil erneuerbar erzeugten Stroms sinkenden Börsenstrompreisen müssen endlich auch die Verbraucher profitieren können. Es gilt, Vorteile und Kosten der Energiewende fair zwischen den verschiedenen Stromverbrauchern aufzuteilen", sagte Becker.

Der ehemalige Bundestagsabgeordnete für die Grünen, Hans-Josef Fell, sieht in den Vorschlägen einen Bestandsschutz für die Verstromung von Braun- und Steinkohle. Weil bis zum Jahr 2035 nur 60 bis 65 Prozent des produzierten Stroms aus Wind, Sonne und Wasser kommen sollen und gleichzeitig der Atomausstieg längst umgesetzt sein soll, kämen die Vorschläge einem geschützten Anteil der Kohle am Energiemix von 35 bis 40 Prozent gleich. Kohleverstromung sei die schmutzigste, die klimaschädlichste, die gesundheitsschädlichste Form der Stromherstellung.


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