“Fyre: The Greatest Party That Never Happened”

Die tragisch-komische Geschichte des Fyre-Festivals, die in der Netflix-Doku "Fyre: The Greatest Party That Never Happened" aufgearbeitet wird, führt uns auf die Bahamas, doch zunächst möchte ich den Blick nach Dänemark richten. Dort erschien im April 1837 das Märchen "Des Kaisers neue Kleider" von Hans Christian Andersen über einen Herrscher, der sich von Betrügern unsichtbare Kleidung und damit das pure Nichts andrehen lässt. Im April 2017 wurden junge Menschen von dem Unternehmen Fyre Media auf die Bahamas-Insel Great Exuma zu einem Luxus-Festival gelockt, das es gar nicht gab. Wie die Untertanen des nackten Kaisers hatten die Fyre-Mitarbeiter aus Angst, Überforderung oder Naivität bis zum Untergang geschwiegen.

Ende des Jahres 2016 begann auf Instagram ein Werbeclip zu kursieren, der eine ganze Schar bekannter Models beim Feiern auf einer tropischen Insel zeigte. Der Text des Videos kündigte ein bevorstehendes Musik-Festival in paradiesischer Kulisse an. Einmal so feiern wie die oberen Zehntausend, so lautete die Botschaft an alle Betrachter. Zahllose Influencer teilten das Video, ohne ernsthaft kenntlich zu machen, dass sie dafür bezahlt worden waren und eigentlich keine Ahnung hatten, was hinter all dem steckte.

Die Doku, auf die Netflix-Nutzer seit Januar 2019 zugreifen können, klärt uns mit vielen Originalaufnahmen und Interviews über die Hintergründe auf. Ein Name fällt dabei besonders oft: Billy McFarland. Der Geschäftsmann, der mittlerweile eine sechsjährige Haftstrafe verbüßt, leitete gemeinsam mit dem Rapper/Schauspieler Ja Rule das Unternehmen Fyre Media. Hauptprodukt der Firma war die Booking-App Fyre, die es Nutzern ermöglichte, bekannte Musiker für private Feierlichkeiten zu buchen. Nach einem kurzen Aufenthalt von McFarland und Ja Rule auf der Bahamas-Insel Great Exuma kam ihnen die Idee zu einem aufsehenerregenden Musikfestival, um Fyre zu promoten. Das Desaster nahm seinen Lauf.

Der Geschäftsmann und sein Star-Partner waren geflashed von ihrem eigenen Plan und schmissen mit der Hilfe von Models und Influencern die Marketingmaschinerie an. Der Welt (vorrangig den USA) wurde ein Musikfestival auf einer privaten, abgelegenen Bahamas-Insel versprochen, die einst dem Drogenbaron Pablo Escobar gehört hatte. Die Teilnehmer sollten in luxuriösen Kuppelzelten oder - wer ein noch teureres Paket buchte - Villen wohnen. Das Essen würde von Star-Köchen kommen, Jet-Skis stünden bereit und eine Schatzsuche gäbe es auch. Bald wurden erste Musikacts wie die Band Blink 182 angekündigt. Viele junge Menschen mit etwas mehr Dollars auf dem Konto als der Durchschnittsamerikaner wollten sich das versprochene Luxusspektakel im tropischen Paradies nicht entgehen lassen und griffen zu. Die Tickets für das Fyre-Festival, das im April 2017 beginnen sollte, verkauften sich schnell.

Eine private Bahamas-Insel, die einmal Pablo Escobar gehörte hatte, gab es freilich nicht. Auch eine Privatinsel, auf die nie ein Drogenboss Anspruch erhoben hatte, die aber zumindest hübsch und abgeschieden war, konnte Fyre nicht erwerben. Alles, was McFarland und Co. von der Regierung der Bahamas bekamen, war ein zur Erschließung freigegebenes Gebiet auf Great Exuma. In diesem Bereich der Insel existierte noch keine angemessene Infrastruktur, geschweige denn das es dort Villen oder Bühnen gab.

Billy McFarland als treibende Kraft forderte von seinen Mitarbeitern, die größtenteils keinerlei Erfahrung mit der Planung und Realisierung eines Musikfestivals hatten, innerhalb weniger Wochen den versprochenen Luxus aus dem Boden zu stampfen. Hunderte Einheimische wurden rekrutiert. Mit jedem Tag wuchsen die Probleme ins Unermessliche, was McFarland schlichtweg ignorierte. Er wollte von seinem Gefolge nur Bestätigung hören und Lösungen bekommen, aber nicht auf Probleme hingewiesen werden. Keiner seiner Mitarbeiter brachte den Mut auf, ein klares Signal an die Welt zu senden, das da hätte lauten müssen: Es gibt kein Fyre-Festival.

Brot, Käse, Salat

Als die ersten Teilnehmer auf Great Exuma ankamen, traf die Realität sie mit gewaltiger Wucht. Sie hatten die Katze im Sack gekauft und die Katze hatte den Sack auch noch vollgepinkelt. Statt im Luxusparadies fanden sie sich auf einem unfertigen, unbeleuchteten Areal voller ramponierter Notfallzelte wieder. Die meisten Matratzen waren von einem Regenschauer in der Nacht zuvor durchnässt. Die Versorgung mit Lebensmittel und Wasser erwies sich als unzureichend. Auf die Suche nach einem Schatz konnten sich die Gäste nicht machen, wohl aber auf die Suche nach dem eigenen Gepäck.

Die sozialen Netzwerke, die das Fyre Festival erst groß gemacht hatten, brachten es nun zu Fall. Die enttäuschten und erschütterten Teilnehmer posteten auf Instagram, Twitter und Facebook Bilder von dem Debakel und schilderten ihre Eindrücke. Die Medien griffen dies bald auf. Der Name Fyre wurde in Windeseile zu einem Synonym für kolossales Scheitern. Besondere Aufmerksamkeit erhielt der Tweet eines Teilnehmers, der zeigte, was statt des versprochenen 5-Sterne-Essens tatsächlich serviert wurde: eine Hamburger-Box mit zwei Scheiben trockenem Brot, zwei Schreiben eingepacktem Käse und einer Handvoll Salat. Hungernde Menschen in Afrika wären glücklich darüber gewesen, aber First-World-Kids, die hohe Ticketpreise bezahlt hatten, waren es definitiv nicht.

Das Chaos auf dem Festivalgelände und die Reaktionen der Öffentlichkeit zwangen Billy McFarland schließlich - oder vielmehr endlich - dazu, die ganze Veranstaltung abzusagen. Eine Schuld gestand er aber nicht ein, vielmehr versuchte er es so darzustellen, als hätten äußere Umstände wie das Wetter sein Festival zerstört. Man kennt ja diesen Regen, der Villen in Zelte und Gourmet-Essen in Brot mit Scheibenkäse verwandelt.

Die Folgen des Festival-Debakels waren durchaus gravierend. Die einheimischen Arbeiter bekamen ihr Geld nicht, verschiedene Dienstleister blieben ebenfalls auf ihren Kosten sitzen und die Fyre-Mitarbeiter verloren ihre Jobs. Die Influencer kamen weitestgehend unbeschadet davon. So lange sie dafür bezahlt werden, werben sie wohl auch weiterhin für unsichtbare Kleider.

Die Doku zum Debakel

Vor der Dokumentation "Fyre: The Greatest Party That Never Happened" hatte ich nie etwas von diesem missglückten Festival gehört. In Deutschland wurde wenig darüber berichtet. Der Mangel an Vorwissen machte die Doku für mich umso interessanter. Für "Fyre: The Greatest Party That Never Happened" wurde viel Videomaterial zusammengetragen, was im Vergleich zu einer historischen Dokumentation relativ einfach gewesen sein dürfte, lebte Billy McFarland doch in einer Partywelt, in der immer irgendeine Kamera mitlaufen musste. Neben diesen Aufnahmen kommen ehemalige Mitarbeiter und Dienstleister von Fyre, Arbeiter von der Insel Great Exuma und Festivalbesucher zu Wort. Sie schildern, was sie erlebt haben und lassen den Zuschauer teilhaben an einer wahren Geschichte voller Lügen, Selbsttäuschung und Leichtgläubigkeit.

Vor allem die Aussagen der direkt beteiligten Mitarbeiter vermitteln die Atmosphäre, die rund um dieses Luftschloss namens Fyre-Festival geherrscht haben muss. Man gewinnt den Eindruck, dass die Beteiligten an einer seltsamen Form des Stockholm-Syndroms litten, bei dem sich Geiseln emotional an ihren Geiselnehmer binden. In diesem Fall hielten alle bis zum Schluss an einer Sache fest, von der sie wussten, dass sie eine Katastrophe werden würde. Sie konnten sich nicht daraus befreien. Der Betrüger Billy McFarland trieb sie dazu, solange weiterzumachen, bis der Moment gekommen war, an dem die ganze Welt sehen musste, dass er keine Kleider schneidern konnte. Das Fyre-Festival war immer nur ein großes, schwarzes Loch gewesen, das Geld, Jobs und Arbeitskraft ins Nichts gesogen hat.

Woher das Geld kam, beantwortet die Doku nur in Teilen. McFarland hat von Investoren immer wieder ein paar Millionen zusammengeklaubt, die hinten und vorne nicht ausgereicht haben, und seine eigene Firma ruiniert. Außerdem war da noch das Geld, das er den Teilnehmern abgeknöpft hat. Trotzdem bleibt beim Zuschauer am Ende das Gefühl hängen, viele nackte Kaiser, aber wenige nackte Zahlen gesehen zu haben.

Für die reichen, von Instagram-Influencern beeinflussten Kids, die ein bisschen harte Realität erfahren haben, zerfließt man als Betrachter nicht vor Mitleid, die wirklichen Opfer sind die geprellten Einheimischen. Denen fehlt es an Influence. Leider vergisst die Doku auf halbem Wege Billy McFarlands populären Partner Ja Rule und klammert dessen Verantwortung aus. Vielleicht hat der Mann einfach noch zu viel Einfluss.


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