Fusion zu o2-Plus – Denkbare netztechnische Auswirkungen


Das Thema Fusion von Telefonica-o2 mit E-Plus bewegt weiter die Gemüter der Kunden. Schauen wir uns die netztechnischen Aus- und Einwirkungen der Geschichte genauer an.

Wenn wir im Folgenden von “E-Plus” reden, sind E-Plus, E-Plus-Service, BASE und die zahlreichen Discountmarken wie Simyo, Blau, Ay Yildiz, Yourfone, Aldi-Talk und so weiter gemeint. Bei o2 wären das VIAG-Interkom (Vorgänger von o2), o2-de, Lidl-Mobile, Fonic, Tchibo-Mobil, Netzclub, Turktelekom Mobile und noch weitere Marken.

Die netztechnische Seite 

Spielen wir die technische Seite der Netzfusion einmal konkret durch.

Im ersten Schritt gibt o2 für seine neuen Kunden aus dem bisherigen E-Plus-Netz das “national Roaming” aller E-Plus SIM-Karten im bisherigen Netz von o2 frei. Beim “allerersten Mal”, also dem allerersten Einbuchen im “neuen” Netz muss sich der bisherige E-Plus-Netz-Kunde über die FUnktion “manuelle Netzwahl” im Netz von “Interkom”, “VIAG”,  “o2-de” oder “262-07″ (Anzeige variiert je nach Alter des Handys) einbuchen.

Das ist notwendig, weil auf den bestehenden E-Plus SIM-Karten das Netz 262-07 (= o2) bisher als “verboten” abgespeichert war. Beim manuellen Einbuchen wird diese Sperre gelöscht. Je nach Handy und Alter der SIM-Karte könnten auch mehrere Einbuch-Versuche oder ein kompletter Neustart des Handys notwendig werden.

Damit bekommt o2 auf einen Schlag rund 26 Millionen “neue” zusätzliche Kunden als “Roamer” ins eigene Netz, wenn wirklich alle geschalteten SIM-Karten von E-Plus auch “aktiv” sein sollten.

Sobald man das bisherige E-Plus-Netz komplett abgeschaltet hat, müssen die o2-Systeme diese rund 26 Millionen zusätzlichen SIM-Karten mitverwalten, was die bislang vorhandenen Systeme bei o2 überlasten könnte. o2 muss also massiv aufrüsten und bis dahin Teile des “alten” E-Plus Netzes für eine Übergangszeit weiter parallel laufen lassen und sei es nur die HLR-Kundendatenverwaltung.

Automatische Handover zwischen dem alten Netz von E-Plus und alten Netz von o2 (oder umgekehrt) wären sicher schick, aber den Aufwand wird man sich sparen, zumal es nur ein “sehr kurzfristiges Provisorium” wäre.

Erschwerend kommt die Bundesnetzagentur ins Spiel, die einen Teil der an E-Plus und o2 vergebenen Funkfrequenzen ruck zuck bis spätestens Ende 2015 zurück haben möchte. Das entzieht einigen Sendestationen die Grundlagen, denn dafür müssen Frequenzen aufwendig umorganisiert werden. Das bedeutet auch, das “alte” Funk-Netz von E-Plus mit der bisherigen Kennung 262-03 muss bis dahin senderseitig komplett abgeschaltet werden.

Beim technisch komplizierten “Verschwenken” von bisherigen E-Plus-Sendestationen auf das Netz von o2 ändert sich die Netzkennung von 262-03 auf 262-07. Der theoretische Fall, dass die Bundesnetzagentur dem neu fusionierten Netz eine komplett “neue” Kennung 262-xx vergibt, würde die Sache unter Umständen noch verkomplizieren, ich halte ihn daher für weniger wahrscheinlich. (Nur der Vollständigkeit halber: Nicht nur die bisherigen E-Plus Kunden (262-03), sondern auch die bisherigen o2 Kunden (262-07) würden dann im “neuen” Netz von o2-plus “roamen”.)

Mit dem “Umklemmen” von ein paar Anschlusskabeln ist es nicht getan. E-Plus und o2 verwenden unterschiedliche Netztechnik von unterschiedlichen Lieferanten, die bislang über streng getrennte Mietleitungen (Kupfer, Glasfaser) oder Richtfunkverbindungen geschaltet waren. Jede einzelne Station muss untersucht werden, ob sie “am Leben bleibt”, welche neue Technik
dazu kommt, welche alte Technik weg kommt, und wie und wann man sie “zusammenschaltet”. Alte und neue Lieferanten, die sich gegenseitig möglicherweise nicht sonderlich mögen, müssen irgendwie miteinander klarkommen.

Für den Planer und die Kostenrechner lauten die Fragen:

- Welche o2 Sendestationen bleiben stehen, welche werden verschoben oder abgeschaltet?

- Welche E-Plus Sendestationen bleiben aktiv, welche werden verschoben oder abgeschaltet?

Wie “schnell” und “belastbar” wird das neue Netz sein?

Da diese Zusammenschaltung kein einfaches “Umschalten”, sondern eine sehr dynamische Geschichte wird, wird sich die Netzversorgung (Funkversorgung, Verfügbarkeit, Bandbreite) immer wieder ändern.

Krass formuliert: Wo heute noch Netz ist, könnte morgen kein Netz mehr sein und übermorgen könnte es schon wieder anders aussehen. Eine echte Herausforderung an Technik und Kunden.

Alle Versuche, ein außerordentliches Kündigungsrecht wegen fehlender oder mangelhafter Netzversorgung durchzusetzen, sind bislang in niedrigen Instanzen gescheitert und alle Netzbetreiber reagieren auf derartige Anfragen “beinhart” mit Nein. Da müsste wohl der Gesetzgeber einschreiten und bestimmte Netzqualitäten gerichtsfest samt einem Kündigungsrecht bei Nichtversorgung definieren.

Doch lieber versteigert man sündhaft teure Lizenzen neu und raubt den Anbietern damit die Mittel für den Netzausbau oder muss sie später umständlich über Subventionen wieder neu austeilen.

Wo nicht sicher ist, was aus der künftigen Netzversorgung wird, dürften informierte Kunden geplante neue Verträge oder Verlängerungen ganz genau untersuchen, bevor sie diese für mindestens zwei weitere Jahre neu “unterschreiben”.

Ein Wechsel ins flexiblere Prepaid-Lager dürfte den Anbietern nicht unrecht sein, weil man diese Kunden relativ schnell “loswerden” kann, wenn man die Konditionen verändern will. Verärgerte Kunden laden nicht mehr auf und die Karte verfällt, für eine etwaige Rufnummernmitnahme gibt’s für den Anbieter nochmal Geld. Gewiss, zu viele Kunden zu verärgern, könnte sich schlecht auf die Zahlen auswirken, man wird sehen, wie sich das einpendelt.

Im nächsten Beitrag untersuchen wir die Auswirkungen auf den einzelnen Kunden, hinsichtlich möglicher Tarif- und Vertragsänderungen.

Schlagwörter: außerordentliche Kündigung, Bundesnetzagentur, Frequenz, Fusion, Lizenz, Netzqualität, Prepaid


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