"The Quick" ist keine Lektüre für jene Twilight-Anhänger, die nach einer ähnlichen Schmonzette suchen. Lauren Owens Vampirroman ist grausam und blutig. Zudem fordert ihre erzählerische Konstruktion den Leser, sie arbeitet mit verschiedenen Perspektiven und auf verschiedenen Erzählsträngen, die später zusammentreffen. Doch das dauert etwas. Noch länger aber dauert es, bis tatsächlich das Wort Vampir fällt, denn Owens Vampire mögen es gar nicht, so bezeichnet zu werden.
Überhaupt passen ihre Vampire so gar nicht ins Bild der edelmütigen, menschlichen Blutsauger, das gerade durch die Literatur geistert. Owens Vampire kleiden sich zwar wie Gentlemen und rotten sich unter anderem in einem noblen Herrenclub zusammen, sie sind aber alles andere als Gentlemen. Sie sind blutrünstig, nur auf ihren Vorteil bedacht und die Menschen sind ihnen egal. Es ist ihnen egal, ob ihre Opfer leben oder sterben. Doch der Grausamste unter ihnen ist ein Mensch. Wenn das keine Aussage ist.
Owens Roman spielt im London des 19. Jahrhunderts. James hat sein Studium beendet und werkelt an seiner Dichterkarriere. Es kommt anders. Er wird verwandelt, sein Freund Christopher stirbt. Die Vampire des geheimnisvollen Clubs Aegolius halten ihn gefangen, denn er ist eine Kuriosität: Er wurde ohne seine Zustimmung verwandelt, das widerspricht dem Wissen der Vampire über ihre Erschaffung. James' Schwester begibt sich auf die Suche nach ihm und gerät in einen Strudel aus Gewalt und Vernichtung. Charlotte kämpft mit dem, was sie sieht und erfährt. Das ist die Stärke von Owens Roman: Sie glorifiziert die Vampire nicht, sie konzentriert sich auf die Menschen und darauf, was das Wissen um die Existenz solcher Geschöpfe mit ihnen macht, was die Begegnung mit den Vampiren aus ihnen macht. Es geht um den Traum von der Unsterblichkeit, um Gier, um Macht, um Verlust, um Hoffnung, um Menschlichkeit. Auch um Liebe, doch bei Lauren Owen hat sie nicht die Macht, alle Widrigkeiten zu überwinden. Es ist finstere Nacht und sie bringt nur das Licht einer einzelnen Kerze.
"The Quick" ist bisher noch nicht auf Deutsch erschienen. Auf den Roman bin ich über The Amazon Book Review gestoßen. Deborah Harkness, die Autorin der All-Souls-Trilogie, hat sich zu ihm als einem ihrer besten Leseerlebnisse 2014 bekannt. Nachvollziehbar, Owen hat einen starken Roman abgeliefert, sie beweist ein feines Händchen für ihre Figuren, für die feinen zwischenmenschlichen Töne. Ihre Figuren sind glaubwürdig, haben Charakter, Ecken und Kanten, die sie ganz wunderbar herausarbeitet. Und sie zeichnet eine düstere, leidvolle Welt, in der das Übernatürliche existiert. Kurzum sie dekonstruiert den märchenhaften Vampirprinzen. Das ist wohl auch der Grund, warum es ihr Roman vermutlich nicht auf die Bestsellerlisten schaffen wird - zumindest hierzulande. Das wäre schade, aber die Listen sind ja ohnehin alles andere als Qualitätsmerkmal.
Lauren Owen, The Quick, Jonathan Cape LondonDieser Eintrag wurde veröffentlicht in gelesen. Bookmarken: Permanent-Link. oder ein Trackback hinterlassen: Trackback-URL.