Furchtbar, mittelmäßig und (hoffentlich) großartig

Von Seibesser @seibesser

Wenn du dachtest, dass du gut sein kannst ohne mittelmäßig zu sein, dann muss ich dich leider enttäuschen. Willkommen auf dem Planeten Erde. Hier herrschen einige Gesetze, die du nicht so einfach umgehen kannst. Die Schwerkraft ist eine von denen. Eine andere ist, dass du nicht Mittelmäßigkeit überspringen kannst, auf dem Weg zu Großartigkeit.

Traum

In meinem Traum habe ich angefangen auf der Bühne zu sprechen und Menschen zu unterhalten. Von Anfang an war ich gut und das Publikum hat mich geliebt. Ja, einige sogar haben angefangen vor Freude zu weinen, so gut war ich. Die Komplette Performance hatte ich unter Kontrolle. Jeder Witz hat gesessen. Jeder Kommentar schlug ein, wie eine Bombe.

Am Ende, als ich von der Bühne ging, sind die Menschen aufgestanden und haben mir applaudiert. Das nennt man eine stehende Ovation. Standing Ovation im Englischen. Leo, Brad und Denzel kennen das. Spielberg auch. Und ich, seit gestern.

Realität

Neun Leute im Publikum, vier davon Touristen aus Holland. Spärliches Lachen.

Von dem lauten Klatschen des Publikums bin ich aber leider aufgewacht. Jetzt bin ich wieder ich. Ziemlich mittelmäßig. Wenn ich auf eine Bühne gehe, dann gucke ich in misstrauische Gesichter. Die Erwartung des Publikums ist groß. Und ebenso die Enttäuschung nach der Performance, leider.

Einige klatschen aber am Ende. Sie bleiben sitzen.
Einige haben sogar gelacht, als ich einen Witz gemacht habe. Die Witze sind eingeschlagen, wie Wattebällchen. Ich glaube hier bin ich richtig. Es ist die Realität. Alles ist sehr mittelmäßig.

Klar, könnte ich es mir aussuchen wäre ich unglaublich. Ich wäre dann grandios. Oder auch unantastbar. Aber ich kann es mir nicht aussuchen. So wie alle sterblichen Kreaturen auf unserem Planeten haben wir einen Weg zu gehen. Eine Entwicklung durchzumachen.
Die Entwicklung von anfangs furchtbar zu mittelmäßig und zum Schluss – großartig.

So langsam verstehe ich…

Es hat lange Zeit gebraucht bis ich verstanden habe, dass man einige Gesetzte auf unserer Erde nicht umgehen kann. Das mit dem fallenden Apfel war mir von Anfang an klar – die Schwerkraft, auch ohne Newton. Das mit dem Anfangs furchtbar sein eher nicht.

Jetzt mache ich aber diese Erfahrung. Das was ich auf der Bühne sage ist furchtbar, einfach schlecht. Ich kann es schon kaum erwarten etwas Mittelmäßiges zu sagen. Meine Performance, mein Auftreten ist mittelmäßig. Ich mache kleine Schritte. Großartig ist immer noch weiter entfernt.

Wenn ich gut sein möchte, großartig, auf der gleichen Ebene mit den Besten stehen möchte, dann habe ich noch viel Zeit zu verbringen mittelmäßig zu sein. Damit muss ich mich anfreunden. Hättest du mir das noch vor zwei Jahren gesagt, dann hätte ich dich schief angeschaut und den Kopf geschüttelt. „Entweder man ist gut oder man ist es nicht“, hätte ich dir gesagt. Mittlerweile aber, stelle ich immer mehr und mehr fest, dass wenn wir gut in etwas sein wollen, wir anfangs furchtbar sind und nach und nach mittelmäßig werden.

Dort hören die Meisten auf. In der Mitte. Es ist ein Ort an dem man etwas ganz okay kann, mittelmäßig eben – weder sonderlich gut noch tomatenbewerfend schlecht.

Mittelmäßigkeit ist nicht das Ziel sondern eine Station

Dieser Ort ist aber kein Ziel, sondern eher eine Station auf dem Weg zum Ziel. Zumindest für mich. Wer zu früh aussteigt, den Weg nicht genießen kann, bleibt dort. In der Mittelmäßigkeit.

Bei dieser Station findest du viele Menschen. Einst wollten die großartig sein, dann haben sie sich entschieden dort auszusteigen. Seitdem machen sie nur noch das Gleiche. Keiner kann ihnen sagen, das was sie machen sonderlich schlecht ist. Und keiner sagt, dass sie herausragend sind. Sie haben ein Ego aufgebaut. Kritik ist unerwünscht. Daher ist es ein guter Ort, um sich wohl zu fühlen. Gleichgesinnte, links und rechts. Umgeben von Mittelmäßigkeit.

Zwar weiß ich, dass ich mich mit Mittelmäßigkeit anfreunden muss, jedoch habe ich auch Angst dort zu lange zu verweilen. Ich möchte nicht einer derer werden, die zu früh ausgestiegen sind. Davor habe ich Angst. Ich versuche daher Dinge zu machen, die mich dazu bringen stärker zu werden. Ich setze mich Druck aus, probiere Neues aus. Mein Ego, als größter Feind, versucht mich davon abzuhalten. „Es ist viel zu wichtig, wie mich andere Menschen wahrnehmen“ trichtert es mir ein. Aber ich weiß, dass wenn ich darauf höre, ich stehen bleibe. Höre ich darauf, steige ich aus. Dann bin ich angekommen, in der Mittelmäßigkeit.

Ich höre nicht darauf. Ich scheitere lieber.

Es ist für mich nicht leicht mittelmäßig zu sein oder gar furchtbar. Denn es ist nicht angenehm. Hinzufallen schmerzt. Fangen wir an Fahrrad zu fahren und stürzen bei jedem Versuch, dann riskieren wir nie wieder aufzustehen. Die Angst wird zu groß noch einmal hinzufallen. Vielleicht.

Für mich ist aber die Angst nie Fahrrad zu fahren höher, als die vor dem Hinfallen.
Es schmerzt, aber es ist okay. Ich kann es aushalten. Es ist Nichts im Vergleich zu dem Schmerz eines Tages zurückzuschauen und sich selbst zu sagen: „wäre ich doch Fahrrad gefahren“.

Ich denke das Leben ist da, um zu erfahren, zu versuchen und zu scheitern.

Deswegen falle ich lieber hin, anstatt es nicht auszuprobieren. Leid, Schmerz in unserem Leben ist nicht zu vermeiden. Wir können uns aber auswählen auf welchem Weg wir diesen spüren. Entweder beim Hinfallen oder beim nicht-Versuchen.

Hinfallen, aufstehen und noch einmal…

Bei jedem Hinfallen lernen wir etwas. Wir fallen hin, stehen wieder auf und haben etwas gelernt. Beim nächsten Mal sind wir um 0,0000001% schlauer. Wir verbessern uns. Kleine Schritte, hinfallen und wieder aufstehen.

Anfangs sind wir furchtbar, dann werden wir mittelmäßig und irgendwann hoffentlich großartig. Wenn dir ein anderer Weg bekannt ist, dann schreib ihn mir. Ich kenne nur einen. Furchtbar zu sein, hinzufallen, aufzustehen, mittelmäßig zu sein und weiter zu machen.
Weitermachen, bis wir großartig werden.

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Entscheidend ist die Reise,
Daniel