Für eine pragmatische SP

Pointierter Linkskurs
Die Wellen, die der Parteitag Ende Oktober in Lausanne geworfen hat, sind noch nicht abgeflacht, die Niederlangen bei der Ausschaffungs- und der Steuergerechtigkeitsinitative noch keineswegs überwunden und schon bringt die JUSO des Kantons Zürich eine Initiative auf den Tisch, die eine „Bonzensteuer“ fordert, welche nun dank einer hauchdünnen Mehrheit von SP Delegierten nun auch von der SP unterstützt wird. Juhu, die SP zieht nun gegen "Bonzen" ins Feld und erzieht sie also mit höheren Steuern zu besseren Menschen, schliesslich ist es "unanständig" ein Vermögen von 2 Millionen Franken zu besitzen (wie ein Juso Vertreter sagte). Die Cedric Wermuths unserer Partei ziehen derweil durchs Land, verbreiten linke Kampfrhetorik (wobei der zugegebenermassen rhetorisch brillante Cedric Wermuth rechte Politiker & Co. in Diskussionen in den Boden stampft, sodass es eine wahre Freude ist) und versprühen ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein (um es mal nett auszudrücken), indem sie behaupten, die SP müsse sich klar links positionieren, um wieder Erfolge feiern zu können.
Tatsächlich? Die Schweiz ist alles andere als ein „linkes“ Land. Umso schöner muss es für hoffnungslose Idealisten sein, wenn sie unter sich linke Kampfesrhetorik und Mini-Revolutionsträume verbreiten können. Wie stolz kann man doch sein, wenn man sich als Hüter der wahren Sozialdemokratie (pardon Sozialismus) sieht und dabei gerne einmal andersdenkende Sozialdemokraten als Verräter brandmarktet (wobei schnell vergessen geht, dass das soziale Gedankengut nicht nur für Gleichdenkende gilt). Selten habe ich die Worte „Verräter“ und „wahre Sozialdemokraten“ so oft gehört, wie am Parteitag in Lausanne. Dass dabei auch zum Zweihänder gegriffen wurde und ParteikollegInnen, die für den Gegenvorschlag der Ausschaffungsinitative warben, ausgebuht, als Verräter sozialdemokratischer Grundwerte oder in fremdenfeindliche Ecken gestellt wurden, scheint kein Widerspruch zur „solidarischen“ Gesellschaft zu sein. Das Ergebnis des Parteitags ist bekannt: Die SP fordert unter anderem einen „raschen EU-Beitritt“, die „Überwindung des Kapitalismus“ und die Abschaffung der Armee. Der linke Flügel der Partei, vor allem aber die JUSO, jubeln noch heute und wittern bereits revolutionäre Morgenluft. Die Medien schrieben einhellig "vom Sieg der Fundamentalisten über die Realisten der SP".  
Der Haken
Die Sache hat nur einen Haken: Mit linksaussen Kampfesrhetorik manövriert sich die SP selbst ins Abseits. Die einzigen Gewinner dieser Rhetorik sind die Rechten, die sich Negativpropaganda gegen unsere Partei sparen können. Ausserhalb eines linksintellektuellen Grüppchens stösst die ultarlinke Rhetorik der SP auf wenig Verständnis und die Bevölkerung nimmt die SP zunehmend weniger ernst. Für seine Ideale soll und muss man kämpfen, wer aber stur auf alten Idealen beharrt, tut nichts, aber auch gar nichts für eine sozialere Schweiz, sondern sorgt nur dafür, dass er weniger ernst genommen wird. Grundsätzlich könnte mir das ja egal sein, das Problem ist aber, dass die ganze Sozialdemokratische Partei und all ihre Mitglieder und Leute, die sich in dieser Partei engagieren mit diesem linksaussen Etikett angesehen werden.
Schädliche Fundamentaleinstellungen
Natürlich kann man für eine Abschaffung der Armee sein und sich über dieses Sätzchen im Parteiprogramm wahnsinnig freuen. Dass dies aber allen RealpolitikerInnen schadet, die seit Jahren Knochenarbeit für eine Reform der Armee leisten, wird dabei rasch vergessen. Im Februar stimmen wir über die Waffenschutzinitiative ab, welche die Armeewaffe ins Zeughaus verbannen will, ein wichtiges Anliegen, für das sich viele Leute in der Partei jahrelang eingesetzt haben. Mit der Forderung, die Armee ganz abzuschaffen, servieren wir den Bürgerlichen aber ein Argument auf dem Silbertablett, um die Initiative zu bekämpfen. Schon jetzt muss ich mir anhören, dass es uns doch gar nicht um die Armeewaffe, sondern um die Abschaffung der Armee geht, womit man gar nicht mehr ernst genommen wird.
Dasselbe bei der Steuergerechtigkeitsinitative der SP. Das moderate Anliegen, das für zumindest ein wenig mehr Gerechtigkeit in unserem Land gesorgt hätte, wurde fortan mit dem Argument, die SP wolle den Kapitalismus überwinden, bekämpft. Die Gerechtigkeit stand nicht mehr im Vordergrund, sondern nur noch die Tatsache, dass die SP den Kapitalismus überwinden will, wofür die Steuergerechtigkeitsinitiative doch nur ein verkappter Anfang sein sollte.
Handicap bei Verhandlungen
Ideale hin oder her, linkes Kampfgeschrei nützt vielleicht innerhalb revolutionärer Grüppchen etwas und eignet sich für Waldhöckete, an welchen man um ein Lagerfeuer sitzt, einen Joint raucht und über eine Revolution in unserem Land sinniert. Damit hat man aber noch gar nichts für unser Land getan, im Gegenteil, man macht es jenen Politikerinnen und Politiker, die Verantwortung übernehmen und für eine gerechtere Gesellschaft kämpfen wollen, schwerer, in zähen politischen Verhandlungen soziale Kompromisse erzielen zu können.
Ein pointierter Linkskurs nützt unserer Partei nichts, er schadet uns. Die Leute nehmen uns nicht mehr richtig ernst, womit wir zunehmend Wählerinnen und Wähler verlieren. Klar kann man sagen, dass wir wenigstens keine Fahnen im Wind sind, die eigenen Ziele aber zu reflektieren, den eigenen Weg zu überdenken und Verbesserungen durch Kompromisse erzielen zu können, hat aber nichts mit der berühmten Fahne im Wind zu tun. Auch wenn Cedric Wermuth in allen Medien verbreitet, die SP habe nur eine Zukunft, wenn sie sich klar links orientiert und dabei die Labour Partei unter Tony Blair oder die SPD unter Gerhard Schröder als negative Beispiele eines mitte-links Kurses nimmt, bin ich überzeugt davon, dass dieser Weg direkt ins Ende unserer Partei führt. Cedric & Co vergessen nämlich, dass die Labour Partei in England und die SPD in Deutschland  1997 respektive 1998 erdrutschartige Rekorderfolge bei der Wählerschaft feierte, nachdem sie sich gegenüber der Mitte geöffnet hatten und einen mitte-links, statt einen klar linken Kurs verfolgten.
Nötiger Einsatz für eine gerechte Gesellschaft
Die Schweiz braucht, genauso wie jedes Land dieser Welt, eine sozialdemokratische Partei, die sich  (mit ihren beiden Flügeln) für eine solidarische Gesellschaft einsetzt. Und dass man mich hier ja nicht falsch versteht: der Klassenkampf tobt auch heute noch in der Schweiz. Allerdings subtiler und anders, als dies noch vor ein paar Jahren war. Deswegen braucht es auch andere Ansätze und eine andere Strategie, um unser Ziel, die Gesellschaft gerechter und sozialer zu gestalten, erreichen zu können.
Die SP nützt niemandem etwas, wenn sie sich als weltfremde Linksaussenpartei gibt, welche die Klassenkampfrhetorik aus Marxzeiten noch nicht überwunden hat. Als zweitstärkste Partei dieses Landes, mit dem Anspruch mehr Einfluss auf die Politik zu nehmen und die SVP als wählerstärkste Partei verdrängen zu können, müssen wir uns gegenüber der Mitte öffnen, was keineswegs bedeutet, dass wir unsere sozialdemokratische Herkunft verleugnen oder vergessen müssen. Nur mit einem sozialliberalen Kurs, der sich auch nicht vor linken Tabus scheut, erreichen wir unser Ziel, die Gesellschaft gerechter zu gestalten.

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