Ihr Lieben,
in den letzten Tagen des April habe ich einen Text veröffentlicht mit dem Titel:
"Eine Generationengeschichte - Etwas für die Älteren unter uns"
Gestern hat sich eine liebe Blog-Leserin, die schon über 80 Jahre alt ist, bei mir gemeldet und hat mir berichtet, dass sie einen Text kennt, der über die Zeit ihrer Generation berichtet, und sie hat mich gebeten, diesen Text auf dem ESELSKIND-Blog zu veröffentlichen.
Dieser Bitte komme ich sehr gerne nach, weil ich der Meinung bin, dass auch dieser Text eines unbekannten Autors es wert ist, dass wir einmal in Ruhe über ihn nachdenken:
"Für die vor 1945 geborenen Menschlein......
Wir wurden vor der Erfindung des Fernsehers, der Antibiotika, der Tiefkühlkost, der Schluckimpfung und des Kunststoffs geboren und kannten Kontaktlinsen und die Pille noch nicht.
Wir kauften Mehl und Zucker noch in Tüten, Sauerkraut und Hering aus dem Fass und die frischen Brötchen hingen morgens im Beutel an der Tür.
Wir waren schon da, bevor es Radar, Kreditkarten, Telefax, die Kernspaltung, Laser und den Kugelschreiber gab.
Wir kannten keinen Geschirrspüler, keine Wäschetrockner, Klimaanlagen, Lastminute-Flüge und niemand dachte daran, auf dem Mond zu landen.
Aber die große Wäsche beschäftigte uns mindestens einen Tag und danach die Gardinen wieder in Form zu bringen, verlangte von der Hausfrau so etwas wie ein Meisterstück.
Wir haben erst geheiratet und dann zusammengelebt. Zu unserer Zeit waren Bunnies noch kleine Kaninchen und Käfer keine Volkswagen. Und mit jemandem „zu gehen“ hieß, fast verlobt zu sein.
Wenn wir zum Arzt gingen, dann waren wir krank. Wenn der Arzt zu uns kam, dann lagen wir wirklich auf der Nase.
Zu unserer Zeit gab es noch keine Gruppentherapie, keine Weight-Watchers und keine Sonnenstudios, kein Kindererziehungsjahr für Väter und auch keine Zweitwagen. Wir waren da, bevor es den Hausmann, die Gleichstellungsbeauftragte, die Pampers, die Aussteiger und die computergesteuerte Heiratsvermittlung gab.
Wir haben damals Transistorradios nicht gekannt, hörten Musik nicht vom Tonband und die New Yorker Symphoniker nicht via Satellit. Es gab auch keine elektrischen Schreibmaschinen, keine künstlichen Herzen, keinen Joghurt in Plastikbechern und auch keine Jungs, die Ohrringe tragen.
Die Worte „Software“ für alles, was man beim Computer nicht anfassen kann, und „Non Food“ für alles, was nicht ess- oder trinkbar ist, waren noch nicht erfunden.
In dieser Zeit bedeutete „Made in Japan“ billiger Kram und man hatte noch nichts von Pizzas, McDonald und Instant Coffee gehört.
Wir kauften uns auf der Straße für 5 Pfennige eine Tüte Eis und für 10 Pfennige einen Beutel Studentenfutter. Ein Taschengeld von 5.- Mark im Monat war Grund genug, den glücklichen Empfänger zu beneiden.
Wir haben Briefe mit 10 Pfennig-Marken frankiert, und der Postbote trug sie mindestens zweimal am Tag aus.
Wir sind mehr gelaufen als gefahren, obwohl man für 50 Pfennige mit der Straßenbahn von einem Ende der Stadt bis zum anderen fahren konnte.
In der Schule lernten wir früh, dass die „Glocke“ nicht nur im Kirchturm hing und die „Neunte“ nicht nur ein Klassenzimmer bezeichnete, dass dieses „Colmar“ nicht an der Elbe liegt und „Ranke“ nicht nur ein Begriff aus der Biologie war.
Nach der Grundschulzeit zahlten unsere Eltern Schulgeld und wir kauften nach der Versetzung die nächsten Lehrbücher unseren Vorgängern nach zähen Verhandlungen ab.
Wenn Eltern das Schulgeld nicht aufbringen konnten, wurde es ihnen erlassen, vorausgesetzt, Tochter oder Sohn konnten was.
Zu uns gehören die, die gekämpft und verloren, gehungert und gefroren haben, die glaubten und betrogen wurden, die des Menschen Niedertracht und Erbärmlichkeit, aber auch seine Unbeugsamkeit und Größe erfahren haben, denen Schuld zugewiesen wurde, ohne dass sie sich schuldig gemacht hatten und die ihre Heimat verloren.
Wir haben auch nicht vergessen, dass in der Not ein Brot, ein paar intakte Schuhe, einen warmen Ofen zu besitzen, schon Reichtum bedeuten konnte.
Wir haben inmitten von Trümmern, Not und Elend nicht nach Zukunftsperspektiven gefragt. Wir haben sie uns und denen, die nach uns kamen, geschaffen.
Wir mussten fast alles selber tun und gaben dem Staat mehr, als wir von ihm beanspruchten.
Und „Bock“ mussten wir immer haben.
Wen wundert es schon, wenn wir manchmal mit dem Kopf schütteln, wenn wir uns heute Land und Leute ansehen.
Aber wir haben alles überlebt und unser Lebensschiff nicht untergehen lassen."
Das Foto wurde von Karin Heringshausen zur Verfügung gestellt