Lieber Alexander, Du sollst diese Email nicht als Versuch lesen, dich wieder zu erobern, denn das ist sie nicht. Ich habe die Endgültigkeit deiner Email gut verstanden und bin dabei zu versuchen, sie anzunehmen. Du solltest sie auch nicht als Anklage gegen dich nehmen.
Ich war so verrückt nach dir, so verliebt in dich, in dein Lächeln, in die Falten um deine Augen, in deine Stimme, in deine Küsse. Wenn ich könnte, würde ich Sylvester 2010 noch einmal feiern, würde ich noch einmal mit dir liegen, würde ich dich noch einmal Greensleeves spielen hören.
Ich habe dich idealisiert, kann sein. Das kann mir leicht passieren, wenn ich mein Herz an jemandem verliere.
So kitschig es auch klingen kann, sollst du wissen, dass du mich das Glück hast entdecken lassen. Ich wusste nicht, etwas so Schönes konnte in dieser Welt existieren.
Ich hatte mir eine Zukunft mit dir vorgestellt, eine Zukunft, wo es keine Entfernungen gab und wo wir endlich unbeschränkt zusammen sein konnten. Und für einige glückselige Momente habe ich geglaubt, du stelltest dir dasselbe vor.
Du hättest schon vor einem Jahr klarer sein sollen. Du hättest mir dieses Jahr erspart. Für dich war unsere Geschichte offenbar schon letzten Sommer am Ende, für mich aber nicht, weil du nicht die richtigen Wörter gefunden hast. Deine offensichtliche Unentschlossenheit hat sich auf mich widergespiegelt. Während dieser ganzen Zeit habe ich an einer Illusion gelebt, ich habe mich an den Widerspruch in deinen Wörtern geklammert, die deine Liebe der materiellen Entfernung unterwarfen. Vielleicht wollte ich es auch nicht kapieren, da ich zu verliebt war. Aber deine „Ja, vielleicht“ haben mir sicher nicht geholfen.
Ich wusste nicht was denken, aber in meiner Liebe hoffte ich weiter und weiter.
Ich brauchte Antworten, die du mir nicht gegeben hast, als ich sie nach dem Ende unserer Beziehung verlangte. Deine Stille war meine giftige Nahrung.
Im Nachhinein kann ich sehen, dass unsere Beziehung immer unter Kommunikationsmangel und als Folge davon Verständnismangel gelitten hat, nicht nur nach ihrem Ende. Als wir zusammen waren (ja so selten), war es schade, von Problemen zu sprechen, denn wir hätten die schon wenige Zeit verdorben. Und per Telefon ist es unglaublich schwierig, von so etwas zu sprechen. Dieses Fehlen des Dialogs war eine der Ursachen des Todes unserer Beziehung. Du hast nie von Problemen sprechen wollen, während ich ein verzweifeltes Bedürfnis hatte, deine Zerbrechlichkeit zu spüren, so wie du meine spürtest, wenn ich sie dir mitteilte. Ich brauchte zu wissen, dass deine immer seltener werdenden Bescheide kein Zeichen dafür waren, dass du mich nicht mehr liebtest.
Ja, ich habe ein ziemlich furchtbares Jahr verbracht, zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
Einmal habe ich dann bemerkt, dass ich langsam an meine Grenzen kam. Dieses Warten in der Unsicherheit frass mich auf, vernichtete mich Stück für Stück. Ich spürte die Wirkungen der Vergiftung und konnte sie nicht mehr ignorieren.
Ich habe versucht, nicht mehr an dich zu denken, aber irgendwie hat es nicht geklappt. Auch wenn du physisch nicht anwesend warst, warst du immer in meiner Nähe. Sogar beim Lernen warst du da und erklärtest mir die schwierigen deutschen Wörter, die ich nicht kannte. Du warst meine gefährliche Kraft, mein süsser Schmerz, und ich konnte dich nicht loslassen, ohne zu wissen.
Ich wollte dich sehen, um zu überprüfen, ob ich immer noch nur in Alexanders Gespenst verliebt war und in der Vergangenheit lebte, nur weil ich niemand anderen gefunden hatte. In meinem Kopf war ich so oft in deine Arme geschlossen worden, dass ich nun sehen wollte, ob ich nur in deine Erinnerung verliebt war und in die Zeit, die wir zusammen verbracht haben. Es hat sich aber das Gegenstück bewiesen, wie du ja weißt.
Ich will mich an dich erinnern wie an jemanden, der mich geliebt hat und den ich geliebt habe. So unmöglich diese Vorstellung jetzt auch sein kann, werde ich an einem Tag an dich denken und lächeln, weil du so wichtig für mich warst und weil ich einen Jungen geliebt habe, der mir an einem Abend am Kaminfeuer den grossen Sinn von Max Frischs „Homo Faber“ erklärt hat, einen Jungen, der mich nach Holland gefahren hat und sadistisch zugesehen hat, wie ich in dem eiskalten Meer fror, ohne einen Finger zu bewegen…
Für mich wird Köln für immer dein Gesicht haben, auch in fünfzig Jahren, auch wenn ich dann mit meiner Familie in dem gottverlassensten Dorf der Welt leben werde.
Du wirst für immer in mir leben.
Ich werde jetzt versuchen, nicht mehr an dich zu denken, jetzt, dass du mir so geschrieben hast. Ich weiss nicht, ob ich es schaffen werde. Jedes Flugzeug, das ich im Himmel sehen werde, wird dich in meinem Kopf zu mir bringen, und in jedem In Extremo-Fan werde ich dein Lächeln suchen.
Ich muss jetzt ein Jahr Luftschlösser zerstören. Aber wie du weißt, ist es für mich nicht das erste Mal, dass ich eine Trauer auf mich nehme und dass ich siegreich davon ausgehe.
Ich habe alles gemacht, was ich machen konnte. Für dich hätte ich alles riskiert. Ich habe dir alles von mir gegeben, aber ich bereue es nicht. Ich bereue keine Minute, keine Sekunde von unserer gemeinsamen Zeit, denn sie waren Teil einer der schönsten Zeiten meines Lebens.
Elena