Für den freien Markt!

Apologeten wie Milton Friedman haben es dem Kapitalismus dem Staatssozialismus gegenüber nicht zu Unrecht als Vorzug zugerechnet, dass der Markt politisch neutral sei: auch ein kommunistischer Arbeiter kann eine Anstellung finden, auch ein anarchistischer Künstler ein Bankkonto eröffnen. Doch wie immer bei diesen „Vorzügen“ des freien Marktes – die ohnehin stets nur relativ gemeint sein können (es wäre schlimmeres denkbar) – gilt auch dieses Versprechen nur im Prinzip. Dies ist natürlich keine brandneue Erkenntnis, lässt jedoch die jüngsten Vorfälle rund um wikileaks in einem anderen Licht erscheinen. Der Skandal an dem Handeln von amazon und paypal (oder auch twitter) besteht ja gerade darin, sich aller liberaler Ideologie zum Trotz de facto als verlängerter Arm der Exekutive verhalten zu haben. Die Diskretion, die noch für jeden Steuerhinterzieher oder Händler von illegaler Pornographie gilt, hat in politisch wirklich brisanten Fällen plötzlich keine Gültigkeit mehr.1 Anstatt gegenüber den anmaßenden Forderungen der Regierung auf die selbstverständliche Neutralität eines Unternehmens gegenüber den politischen Aktivitäten oder Gesinnungen seiner Kunden zu beharren, wird ohne jede konkrete juristische Klärung des Falls vorauseilender Gehorsam geleistet.

Was im Augenblick vor sich geht, ähnelt den schlimmsten Befürchtungen naiver Liberaler: wer sich politisch inopportun verhält, verliert seinen Job, seine Wohnung, wird unter Vorwänden strafrechtlich verfolgt. Gerade demgegenüber ist es angebracht und erfolgsversprechend nichts weiter als bürgerliche Mindeststandards, banale Grundvoraussetzungen geliegenden Handels und Wandels, einzufordern und de facto-Staatsunternehmen wie paypal und amazon zu boykottieren. Waren die „Terroristen“, gegen die der demokratische Rechtsstaat zur Not auch mal faschistisch agieren darf, bisher ominöse „Islamisten“, zeigt sich jetzt immer deutlicher, dass dieselben einmal etablierten Methoden sich auch gegen innerwestliche „Systemgefährder“ umstandslos eingesetzt werden.
Zu hoffen bleibt, dass sich wikileaks nicht unterkriegen lässt und sich nicht alle Unternehmen, die irgendwie mit wikileaks in Verbindung stehen, dem Druck der Regierungen beugen. Denn: wer sich angesichts von Enthüllungen so verhält wie diese, der hat mit Sicherheit „was zu verbergen“.

Ergänzend:

Presseerklärung der Wau Holland Stiftung zur Sperrung ihres paypal-Accounts.

Nützliches:

Direktlink zur Auflösung des Kontos bei paypal (ist normalerweise extrem schwer zu finden)

  1. Vgl. hierzu auch gamestar.de: „Auch andere Anbieter im Zahlungsverkehr wie VISA, Mastercard und sogar die Schweizer Postfinance blockieren jegliche Geldtransfers zu Wikileaks oder dessen Gründer Julian Assange, ohne dass irgendein Urteil vorliegt, das einen Rechtsverstoß der Organisation oder Assange erkennt. Spenden über VISA oder Mastercard an den Ku Klux Klan, der von den Spendern verlangt »reinrassig weiß« zu sein und keinerlei Kontakte zu Nicht-Weißen zu pflegen, sind laut The Guardian aber weiterhin problemlos möglich.“ [zurück]

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