Für das Baby nur das Beste

Haben vor einigen Tagen bei der Frauenärztin ultraschallenderweise erfahren, dass wir tatsächlich Eltern werden. Sitzen nun am Frühstückstisch und besprechen, welche notwendigen Anschaffungen für das Baby zu tätigen sind. Wollen nicht, dass es uns wie den Freunden ergeht, deren Shoppingtour für die Baby-Erstaustattung derart aus dem Ruder lief, dass sie an der Kasse zur Begleichung ihrer Einkäufe einen Kleinkredit der örtlichen Sparkasse aufnehmen mussten.

Habe erst kürzlich einen Artikel über die perfiden Marketingkampagnen der mafiösen Babyindustrie gelesen, die darauf abzielen zukünftigen Eltern, die ob der nahenden Ankunft ihrer Lendenfrüchte bis zum Haaransatz mit glücksspendenden Endorphinen vollgepumpt sind, das Geld schneller aus der Tasche zu ziehen als ahnungslosen Touristen am Kudamm beim Hütchenspiel. Sehen bei uns aber keine Gefahr, als rationale und mit scharfem Intellekt gesegnete Menschen auf solch manipulative Werbestrategien hereinzufallen. Beschließen möglichst frühzeitig die notwendigen Einkäufe zu erledigen, um von Panik getriebene überflüssige und überteuerte Last-Minute-Anschaffungen zu vermeiden. Wollen uns stattdessen auf die elementar notwendige Grundausstattung für das Baby beschränken.

Suchen noch am selben Tag ein über die Stadtgrenzen Berlins bekanntes Baby-Kaufhaus auf, das von A wie Autositze bis Z wie Zahnputzlernsets alles im Sortiment hat. Bekommen am Eingang des Baby-Einkauftempels von einer freundlichen Verkäuferin einen voluminösen Einkaufswagen übergeben, in den problemlos ein komplettes Kinderzimmer aufgebaut werden könnte. Müssen erstaunlicherweise trotz seiner riesigen Ausmaße keinen LKW-Führerschein nachweisen, um den Einkaufswagen zu fahren.

Steuern sofort zielstrebig und alle Werbereize souverän ausblendend die Kinderwagenabteilung an. Erkundigen uns dort nach dem preisgünstigsten und unserem Budget entsprechenden Modell. Bekommen daraufhin ein Exemplar vorgeführt, dessen grenzwertige Farbkombination selbst ein Farbenblinder nicht als optisch ansprechend bezeichnen würde. Werden außerdem von dem umtriebigen Verkäufer, der sein Gesicht in Sorgenfalten legt wie Heiner Geisler, wenn er in Talkshows über die Tugendlosigkeit der gegenwärtigen Gesellschaft fabuliert, auf die recht fragile Konstitution des Fahrgestells hingewiesen, welche ein beträchtliches Amputationsrisiko für die kleinen Babyfingerchen darstelle. Wollen unserem ungeborenen Nachwuchs selbstverständlich nicht schon in jungen Jahren der Möglichkeit einer Weltkarriere als Pianist berauben. Fragen daher nach einem sichereren Modell. Mit einem Stoßseufzer der Erleichterung holt der Verkäufer, der nun strahlt wie Raimund Calmund beim Anblick eines all-you-can-eat-Buffets, ein Modell hervor, welches in Design, Ausstattung und vor allem Preis an einen italienischen Sportwagen erinnert. Verrechne den Kaufpreis mit den zu erwartenden Einnahmen bei einem Open-Air-Klavierkonzert in der ausverkauften Berliner Waldbühne. Finde die Investition sehr gerechtfertigt.

Lassen uns noch eine Wickeltasche vom gleichen Hersteller vorführen, die mittels praktischer Clip-Verschlüsse direkt am Kinderwagen befestigt werden kann und deren ergonomische Fächeraufteilung von US-amerikanischen Wissenschaftlern im Windkanal getestet wurde. Die Freundin weist darauf hin, dass Gwyneth Paltrow die gleiche Tasche besitzt und dass sie dann wohl unseren Ansprüchen genügen sollte. Finde diese Logik äußerst schlüssig und lege die Tasche in den Einkaufswagen, in den bereits der zusammengeklappte Edelkinderwagen verstaut ist.

Widersetzen uns beim Verlassen der Kinderwagenabteilung größtenteils den farbenfrohen Sonderangebotsverlockungen für automatisierte Kinderwagenrüttler, furchteinflößende Nasensekret-Sauger und angeblich geruchsabdichtende Windeltwister. Packen lediglich einen wirklich praktischen Babytragegurt sowie einen wärmespendenden Heizstrahler für den Wickeltisch in unseren Einkaufswagen.

Fragen in der Bettchenabteilung nach Modellen der günstigsten Preiskategorie. Die Verkäuferin bekommt ob unseres Anliegens einen temporären Schwächeanfall und erklärt mit zittriger Stimme, die billigen Betten seien zumeist mit pentachlorphenolhaltigen Holzschutzmitteln behandelt, deren Langzeitwirkung auf die Gesundheit des Kindes unbekannt sei. Kommen nach einer kurzen Überschlagsrechnung zu dem Schluss, dass wir das gesparte Geld beim Bettchenkauf später um ein Vielfaches in Nachhilfe und sonderpädagogische Förderung für unser durch die chemischen Ausdünstungen retardierten Kindes stecken müssen. Entscheiden uns daher für ein Bett, das aus nachhaltig angebautem Holz angefertigt ist, das ausschließlich mit biologisch abbaubaren Schutz- und Pflegemitteln auf Wasserbasis behandelt wurde.

Stellen dann fest, dass ein Bettchen ohne Matratze wenig funktional ist. Wählen daher eine laut Herstellerbeschreibung antiallergische, atmungsaktive Matratze aus gezwirnter Diolenwatte. Frage mich, um was es sich bei gezwirnter Diolenwatte handeln könnte. Erhoffe mir aber, dass der damit angeblich verbundene besonders hohe Schlafkomfort auch den Eltern einen Mehrwert bietet. Eventuell hat die gezwirnte Diolenwatte einen schalldämpfenden Effekt, welcher lautes Babygeschrei absorbiert.

Hieven die erstaunlich schwere Matratze in den Einkaufswagen und legen gleich noch drei Spannbettlaken, zwei Babyschlafsäcke und ein Schaffell dazu. Stellen dabei überrascht fest, dass sich in dem Wagen eine Wickelauflage, ein paar Molton-Tücher sowie eine Babybadewanne befinden. Können uns nicht erinnern, sie in den Wagen gelegt zu haben. Entscheiden uns dennoch dafür, sie im Wagen zu belassen, da sie allesamt das Kriterium der elementaren Erstausstattung zu erfüllen scheinen.

Werden von der Verkäuferin gefragt, ob wir uns bereits Gedanken um ein Mobile für das Bett gemacht hätten. Müssen die Frage beschämt verneinen. Erhalten dafür ein kenntnisreiches Kurzreferat über die existenzielle Bedeutung optischer Reize für die kognitive Entwicklung des Säuglings. Wage einzuwenden, eine Kuh, ein Esel, ein Schaf, ein Pferd und ein Huhn, die zu „Old McDonald had a farm“ im Kreis tanzen, förderten vielleicht weniger die frühkindliche Gehirnentwicklung, sondern ebneten vielmehr den direkten Weg ins Unterschichtenfernsehen zum DSDS-Casting inklusiver öffentlicher Bloßstellung durch Dieter Bohlen. Ernte dafür einen fassungslosen Blick der Verkäuferin, als hätte ich soeben verkündet, unser Kind im Rahmen eines sozialpsychologischen Experiments ohne jeglichen sozialen Kontakt in einer dunklen Kammer aufwachsen lassen zu wollen. Verfrachte schleunigst zwei Mobiles in unseren Einkaufswagen, um den eher unvorteilhaften Eindruck der Verkäuferin zu zerstreuen.

Kommen auf dem Weg zur Kasse an der Still-Ecke vorbei, wo sich die Freundin nach Still-BHs erkundigt, deren Körbchen praktischerweise vorne geöffnet werden können, um das Baby schnell und effizient zu füttern. Schlage vor, stattdessen einen preisgünstigeren und ähnlich funktionalen busenfreien BH bei Beate Uhse zu erwerben, da dieser nach der Stillzeit eine Anschlussverwendung ermögliche. Scheine die Freundin mit meinem Vorschlag nicht restlos zu überzeugen, denn sie lehnt ihn kommentarlos ab. Entscheiden uns noch für den Erwerb eines angeblich für Mutter und Kind äußerst bequemen und dem Stillvorgang förderlichen wurstartigen Kissens, das um den Körper der Mutter gewunden wird, damit der Säugling sich darauf in spätrömischer Dekadenz wie auf einem Diwan ablegen kann, um sein Mahl im Liegen einzunehmen. Packen zusätzlich noch ein paar Kissenbezüge aus nachhaltig angebauter Biobaumwolle in den Wagen.

Stimme der Freundin geflissentlich zu, dass der Kauf einer Milchpumpe im Prinzip ein feministischer Akt sei, welcher einerseits die Mutter von der Bürde der permanenten Verfügbarkeit zum Stillen befreit und andererseits den Vater die Möglichkeit schenkt, durch den Akt des Fläschchengebens soziale Nähe zum Nachwuchs aufzubauen. Konsequenterweise erwerben wir einige spezielle Fläschchen und Sauger, eine Fläschchenbürste, Einfrierbeutel im 100er-Pack sowie einen Fläschchenwärmer.

Kurz vor Erreichen der Kasse finden noch einige Strampler, Bodys im Fünferpack, vier zahn- und kieferschonende Schnuller aus Biokautschuk sowie ein paar Kirschkernkissen, die den Schmerz blähender Bäuchlein lindern sollen, auf wundersame Weise den Weg in unseren Einkaufswagen. Haben allmählich Schwierigkeiten, den zum Bersten gefüllten Wagen zu schieben oder gar zu lenken. Fahren folglich frontal in ein Regal mit Ohr-Fieberthermometern und finden für eines der nicht zerbrochenen Exemplare noch ein Plätzchen auf dem Warenberg, der aus unserem Wagen herausragt.

An der Kasse addiert eine Kassiererin mit Tränen der Freude in den Augen unsere Einkäufe zusammen. Habe ebenfalls Tränen in den Augen als sie die von uns zu entrichtende Gesamtsumme präsentiert, deren Höhe gefährlich Nahe an das Berliner Haushaltsdefizit heranreicht. Überlege, ob neben der weithin bekannten Altersarmut nicht das Phänomen der Werdende-Eltern-Armut stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden müsste.

Finde dennoch, bei den Anschaffungen handelt es sich um äußerst rationale Investitionen in die Zukunft unseres Kindes. Niemand soll uns schließlich später vorwerfen können, es habe nicht zum Physik-Nobelpreis, Oscargewinn und Olympiasieg gereicht, weil es dem Kind an intellektuellen Stimuli und einer optimalen Umgebung zur Entfaltung seines körperlichen und geistigen Potenzials gemangelt habe.


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