Es mag anders aussehen aber ich habe mein 100 Bücher Projekt nicht vergessen. In den letzten Monaten habe ich sogar mehrere Bücher von der BBC-Liste gelesen, mich jedoch nicht dazu überreden können, diese auch zu kommentieren. Da aber heute ein besonders nasser, grauer Herbsttag in Berlin mein - sowieso meist überdurchschnittliches hohes - Fernwehlevel auf die Spitze treibt, behelfe ich mir mit der Erinnerung an Japan (und einer Portion Edamame mit Salz.)
Nicht, dass ich jemals dort gewesen wäre, aber als ich vor einiger Zeit die Geisha von Arthur Golden gelesen habe, kam es mir nach der letzten Seite fast so vor, als wäre ich gerade aus einem fremden Land wieder nach Hause gekommen. Dabei lässt die Geisha eigentlich keine Urlaubsstimmung aufkommen, dafür ist die Geschichte zu düster. Gleichzeitig ist sie so fremdartig, dass der Leser quasi in diese Welt der Traditionen und Regeln, der Heimlichkeiten und Verbote, Tänze und teuren Kimonos, der weißen Schminke und roten Lippen hineingesaugt wird.
Sayuris Welt.
Sayuri ist noch ein kleines Mädchen, als sie und ihre Schwester ihrem Vater von einem reichen Mann abgekauft werden. Sie versteht nicht, was passiert, findet sich jedoch bald darauf in einer Okiya, einem Geisha-Haus wieder. Ihre Schwester ist nicht mehr bei ihr, wohl aber die schöne und sehr erfolgreiche Hatsumomo, die erste Geisha des Hauses. Von Sayuris Schönheit in die Enge getrieben, lässt sich Hatsumomo alle möglichen Grausamkeiten einfallen, um dieser das Leben zur Hölle zu machen und ihr den Weg in die Welt der Geisha zu versperren. Beinahe gelingt ihr das auch, bis Hatsumomos schärfste Konkurrentin beginnt, sich für das junge Mädchen zu interessieren und sie zu sich in die Ausbildung nimmt. Sayuri wird zu einer der begehrtesten Geishas in Kyoto, sie hat Zutritt zu den exklusivsten Teehäusern und den begehrtesten Männern. Dies ist ihre Geschichte.
Sayuris Welt ist keine fröhliche Welt. Auch keine Welt, die mir besonders sympathisch ist, aber Arthur Golden verpackt sie in eine derart bildgewaltige Sprache, dass sie mich fest in ihren Bann gezogen hat. Es ist eine Welt, die kleine Mädchen zu Gegenständen macht, welche in die Prostitution verkauft werden können, in der Männer das Sagen haben und gleichzeitig so abhängig von dem strengen gesellschaftlichen Verhaltenskodex sind, dass auch sie nie wirklich frei entscheiden können. Sayuri hat ein feines Gespür für Menschen und kann schon als kleines Mädchen die Männer mit einem Blick einschätzen.
Diese Fähigkeit hilft ihr später dabei, die Männer von sich zu beeindrucken und sie zu manipulieren. Doch auch die erfolgreichste Geisha ist vollkommen abhängig von ihrer Stellung in der Männerwelt. Sie braucht einen danna, einen Mann der sie selbst und damit auch ihre Okiya finanziert, denn alle Frauen, die in der Okiya leben, sind vom ebenso vom Verdienst der Geisha abhängig. Findet sie einen danna, kann dieser relativ frei über die Geisha verfügen, denn er zahlt dafür, dass sie ihre Zeit bevorzugt mit ihm verbringt. Sie tanzt und singt für ihn, bewirtet ihn im Teehaus und lauscht seinen Geschichten. Während sich Sayuri in ihrer Geschichte vehement dagegen verwehrt, Geishatum und Prostitution miteinander in Verbindung zu bringen, ist es offensichtlich, dass sie zu keinem Zeitpunkt selbst über ihr Liebesleben entschieden kann.
Als Frau, die daran gewöhnt ist, frei zu entscheiden und zu sagen, was ich denke, ist mir eine Umgebung wie die der Geisha erst einmal fremd. Da ich nie in Japan war, kann ich nicht einschätzen wie authentisch die Kultur hier beschrieben wird, noch dazu spielt das Buch ja in den 30er Jahren, bevor die Geisha Traditionen auch in Japan zusehends in Vergessenheit gerieten. Ich hatte deshalb Schwierigkeiten, mich mit Sayuri zu identifizieren. Evtl. auch, weil das Buch von einem Mann geschrieben wurde, was meiner Meinung nach bei einem weiblichen Hauptcharakter fast immer auffällt, besonders wenn die Erzählung, wie hier, aus der Ich-Perspektive geschieht. Wie bei vielen männlichen Autoren fand ich außerdem die Erzählweise emotionsloser als ich sie bevorzuge. Ein zweiter „Störfaktor“ des Buches ist, dass die Geschichte gegen Ende fatal an Tempo zunimmt, jedoch nicht an Spannung. Golden fliegt durch die Jahre des zweiten Weltkrieges, als hätten sie auf Japan kaum Wirkung gezeigt, nur um zu einem etwas konstruiert wirkenden Ende zu kommen. Hätte er das Buch nach drei Vierteln beendet, täte dass der Wirkung keinen Abbruch, eher im Gegenteil.
Andererseits wird auf den letzten Seiten deutlich, wie sehr der Verlust des Geishatums die japanische Kultur beeinflusst hat. Das Buch hat mich trotz einiger Kritikpunkte fest in seinen Bann gezogen; Arthur Golden schafft eine faszinierende Gegensätzlichkeit zwischen dem schillernden, mysteriösen Schein der Geishas in der Außenwelt und der Gnadenlosigkeit, mit der diese sich im Geheimen untereinander ausstechen und um die reichsten Männer und die besten Positionen wetteifern. Tatsächlich müssen wohl einige der Geschichten auf realen Geschehnissen beruhen, denn Goldens Quelle Mineko Iwasaki, eine frühere Geisha die er im Anhang namentlich nennt, verklagte ihn im Nachhinein, da er ihr Anonymität versprochen hatte. Als herauskam, dass sie die traditionelle Schweigepflicht der Geishas gebrochen hatte, bekam sie sogar Morddrohungen, denn Geishas sind verpflichtet, Stillschweigen über ihre Kunden zu wahren.
Eine bildgewaltige Erzählung über Schönheit und Grausamkeit, die Abhängigkeit von gesellschaftlichen Normen und eine Welt, die fremden Augen normalerweise vollständig verschlossen bleibt. Eine Welt von der ich froh bin, dass sie nicht meine ist, die mir aber noch lange Zeit nach der letzten Seite nicht aus dem Kopf ging.
Nicht, dass ich jemals dort gewesen wäre, aber als ich vor einiger Zeit die Geisha von Arthur Golden gelesen habe, kam es mir nach der letzten Seite fast so vor, als wäre ich gerade aus einem fremden Land wieder nach Hause gekommen. Dabei lässt die Geisha eigentlich keine Urlaubsstimmung aufkommen, dafür ist die Geschichte zu düster. Gleichzeitig ist sie so fremdartig, dass der Leser quasi in diese Welt der Traditionen und Regeln, der Heimlichkeiten und Verbote, Tänze und teuren Kimonos, der weißen Schminke und roten Lippen hineingesaugt wird.
Sayuris Welt.
Zur Story:
Sayuri ist noch ein kleines Mädchen, als sie und ihre Schwester ihrem Vater von einem reichen Mann abgekauft werden. Sie versteht nicht, was passiert, findet sich jedoch bald darauf in einer Okiya, einem Geisha-Haus wieder. Ihre Schwester ist nicht mehr bei ihr, wohl aber die schöne und sehr erfolgreiche Hatsumomo, die erste Geisha des Hauses. Von Sayuris Schönheit in die Enge getrieben, lässt sich Hatsumomo alle möglichen Grausamkeiten einfallen, um dieser das Leben zur Hölle zu machen und ihr den Weg in die Welt der Geisha zu versperren. Beinahe gelingt ihr das auch, bis Hatsumomos schärfste Konkurrentin beginnt, sich für das junge Mädchen zu interessieren und sie zu sich in die Ausbildung nimmt. Sayuri wird zu einer der begehrtesten Geishas in Kyoto, sie hat Zutritt zu den exklusivsten Teehäusern und den begehrtesten Männern. Dies ist ihre Geschichte.
Meine Meinung:
„It took me a while to understand that my father had been married before, a long time ago, and that his whole family had died. I went back to those graves not long afterward and I found as I sttod there that sadness was a very heavy thing. My body weighed twice what it had only a moment earlier, as if those graves were pulling me down toward it.“
Sayuris Welt ist keine fröhliche Welt. Auch keine Welt, die mir besonders sympathisch ist, aber Arthur Golden verpackt sie in eine derart bildgewaltige Sprache, dass sie mich fest in ihren Bann gezogen hat. Es ist eine Welt, die kleine Mädchen zu Gegenständen macht, welche in die Prostitution verkauft werden können, in der Männer das Sagen haben und gleichzeitig so abhängig von dem strengen gesellschaftlichen Verhaltenskodex sind, dass auch sie nie wirklich frei entscheiden können. Sayuri hat ein feines Gespür für Menschen und kann schon als kleines Mädchen die Männer mit einem Blick einschätzen.
„Even as a child I could tell that Mr. Tanaka saw the world around him as it really was; he never wore the dazed look of my father. To me, he seemed to see the sap bleeding from the trunks of the pine trees, and the circle of brightness in the sky where the sun was smothered by the clouds. He lived in the world that was visible, even if it didn’t always please him to be there“
Diese Fähigkeit hilft ihr später dabei, die Männer von sich zu beeindrucken und sie zu manipulieren. Doch auch die erfolgreichste Geisha ist vollkommen abhängig von ihrer Stellung in der Männerwelt. Sie braucht einen danna, einen Mann der sie selbst und damit auch ihre Okiya finanziert, denn alle Frauen, die in der Okiya leben, sind vom ebenso vom Verdienst der Geisha abhängig. Findet sie einen danna, kann dieser relativ frei über die Geisha verfügen, denn er zahlt dafür, dass sie ihre Zeit bevorzugt mit ihm verbringt. Sie tanzt und singt für ihn, bewirtet ihn im Teehaus und lauscht seinen Geschichten. Während sich Sayuri in ihrer Geschichte vehement dagegen verwehrt, Geishatum und Prostitution miteinander in Verbindung zu bringen, ist es offensichtlich, dass sie zu keinem Zeitpunkt selbst über ihr Liebesleben entschieden kann.
"He was looking at me as a musician might look at his instrument just before he begins to play, with understanding and mastery. I felt that he could see into me as though I were a part of him. How I would have loved to be the instrument he played! (...) I watched him walk away with sickness in my heart."
Als Frau, die daran gewöhnt ist, frei zu entscheiden und zu sagen, was ich denke, ist mir eine Umgebung wie die der Geisha erst einmal fremd. Da ich nie in Japan war, kann ich nicht einschätzen wie authentisch die Kultur hier beschrieben wird, noch dazu spielt das Buch ja in den 30er Jahren, bevor die Geisha Traditionen auch in Japan zusehends in Vergessenheit gerieten. Ich hatte deshalb Schwierigkeiten, mich mit Sayuri zu identifizieren. Evtl. auch, weil das Buch von einem Mann geschrieben wurde, was meiner Meinung nach bei einem weiblichen Hauptcharakter fast immer auffällt, besonders wenn die Erzählung, wie hier, aus der Ich-Perspektive geschieht. Wie bei vielen männlichen Autoren fand ich außerdem die Erzählweise emotionsloser als ich sie bevorzuge. Ein zweiter „Störfaktor“ des Buches ist, dass die Geschichte gegen Ende fatal an Tempo zunimmt, jedoch nicht an Spannung. Golden fliegt durch die Jahre des zweiten Weltkrieges, als hätten sie auf Japan kaum Wirkung gezeigt, nur um zu einem etwas konstruiert wirkenden Ende zu kommen. Hätte er das Buch nach drei Vierteln beendet, täte dass der Wirkung keinen Abbruch, eher im Gegenteil.
Andererseits wird auf den letzten Seiten deutlich, wie sehr der Verlust des Geishatums die japanische Kultur beeinflusst hat. Das Buch hat mich trotz einiger Kritikpunkte fest in seinen Bann gezogen; Arthur Golden schafft eine faszinierende Gegensätzlichkeit zwischen dem schillernden, mysteriösen Schein der Geishas in der Außenwelt und der Gnadenlosigkeit, mit der diese sich im Geheimen untereinander ausstechen und um die reichsten Männer und die besten Positionen wetteifern. Tatsächlich müssen wohl einige der Geschichten auf realen Geschehnissen beruhen, denn Goldens Quelle Mineko Iwasaki, eine frühere Geisha die er im Anhang namentlich nennt, verklagte ihn im Nachhinein, da er ihr Anonymität versprochen hatte. Als herauskam, dass sie die traditionelle Schweigepflicht der Geishas gebrochen hatte, bekam sie sogar Morddrohungen, denn Geishas sind verpflichtet, Stillschweigen über ihre Kunden zu wahren.
Fazit:
Eine bildgewaltige Erzählung über Schönheit und Grausamkeit, die Abhängigkeit von gesellschaftlichen Normen und eine Welt, die fremden Augen normalerweise vollständig verschlossen bleibt. Eine Welt von der ich froh bin, dass sie nicht meine ist, die mir aber noch lange Zeit nach der letzten Seite nicht aus dem Kopf ging.