Es gab mal Zeiten, da war es eben nicht so einfach, ein Angestellter zu sein. 1946 zum Beispiel. Grund genug, für die Redakteure der neu gegründeten “Freiheit” in Halle, über jene zu berichten und deren Stellung kalr zu stellen. Klar, waren (und sind) doch die Redakteure auch Angestellte. Das Fundstück der Woche – aus der ersten “Freiheit”-Ausgabe vom 16. April 1946.
- Aus Zuschriften, die wir laufend aus Angestelltenkreisen erhalten, geht hervor, daß die Angestellten heute vielfach als fünftes Rad am Wagen betrachtet und behandelt werden. Die Stärke und die Bedeutung der früheren Angestellten-Gewerkschaften sind ein Beweis dafür, welche Rolle die Angestellten im öffentlichen Leben, insbesondere aber in der Gewerkschaftsbewegung, gespielt haben. Die Gesamtzahl der Angestellten und Beamten wurde im Altreich auf etwa 4 Millionen geschätzt. Wenn die Angestellten auch keine Sonderstellung einnehmen können, so sind wir dennoch verpflichtet, dem Los der Angestellten im Rahmen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes unsere volle Aufmerksamkeit zu widmen. Vergessen wir nicht, daß der Büroangestellte am Wideraufbau unserer Wirtschaft und Verwaltung ebenso beteiligt ist, wie der Arbeiter an der Werkbank. (…)
- Es ist abwegig, diese Verwaltungsarbeit in irgendeiner Form zu diskriminieren. Hat nicht zum Beispiel der Einkäufer eines Werkes, der unter unsäglichen Schwierigkeiten Roh- und Hilfsstoffe heranschafft, das gleiche Recht auf die Würdigung seiner Leistung wie der Betriebsarbeiter, für den er die Voraussetzungen zur Arbeit schafft? (…)
- Wenn die Bedeutung der Angestellten in den früheren Verbänden einen übertriebenen Ausdruck gefunden hat, so besteht jetzt der Eindruck, daß ihre wichtigen Funktionen heute bewußt oder ubewußt zu wenig beachtet werden. Es ist nicht sozialistisch, den Angestellten deshalb geringer zu schätzen, weil er infolge seiner anders gearteten Tätigkeit auch andere Gewohnheiten der Lebensführung angenommen hat. Von dem früher mit Recht verspotteten Standesdünkel der Angestellten ist nach den schweren sozialen Erschütterungen der beiden letzten Jahrzehnte nicht mehr viel übrig geblieben. Der Angestellte hat längst erkannt, daß er als Arbeitender den gleichen Gesetzen des Wirtschaftskampfes unterworfen ist, wie der Arbeiter.
Und gleich noch ein Fundstück aus der ersten “Freiheit”-Ausgabe. Unter der Überschrift “Sommergetreide zu 90 Prozent bestellt” kommen die Bauern in Holleben nicht gerade gut weg in diesem Artikel der Zeitung:
- Holleben. Diese Gemeinde fällt aus dem großen Rahmen der rastlosen Tätigkeit aller Bauern und Werktätigen bei der Sicherung der deutschen Volksernährung erheblich heraus. Jezt sind noch 300 Morgen Acker zu pflügen. Es herrscht eine übergroße Schlaffheit und Lauheit unter den Bauern Hollebens. Allerdings berichten sie auch, daß man ihnen von behördlicher Seite nicht das heute notwendige Interesse entgegenbringt. So fehlt es an Kohlen für den Betrieb des Dampfpfluges. Die Behörden, die den Sinn der Frühjahrsbestellung noch immer nicht begriffen haben, werden zur Verantwortung gezogen werden.
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