Als intensiv, effektiv und gesund für den ganzen Körper wird das sogenannte Functional Training angepriesen. Doch was steckt hinter diesem Begriff und dem damit verbundenen Trend, der seit geraumer Zeit viel Beachtung findet?
Die folgenden Kapitel beleuchten den Ansatz, sie verdeutlichen den angestrebten Nutze und nennen sinnvolle Geräte. Dazu treten Hinweise, wie man das Ganze angehen kann – und wo die Grenzen liegen. Dabei ist vorab anzumerken, dass Functional Training das konventionelle Krafttraining an Geräten oder Einheiten am Ergometer nicht ersetzen soll.
Vielmehr markiert es eine Alternative oder ein Zusatzangebot, welches sich für bestimmte Trainingsziele eignet: Symmetrie, Kraft-Ausdauer, Rehabilitation, Stärkung der Körpermitte, Bodyshaping und vor allem die Entwicklung sogenannter Funktioneller Kraft sind hier vorrangig zu nennen.
Was Functional Training konkret bedeutet
Grundsätzlich setzt das Functional Training auf freie und koordinative Übungen zur Stabilisierung und Flexibilisierung des Bewegungsapparates. Pragmatisch lässt sich der Begriff als zweckmäßige Leibesübungen in die deutsche Sprache übersetzen. Verwendet wird das eigene Körpergewicht oder passende Geräte wie beispielsweise Schlingentrainer, ein Medizinball oder die beliebten Kettlebells bzw. Rundhanteln (siehe unten).
Einige Klassiker des Sports kehren in neuer Form zurück, denn Kniebeugen, Ausfallschritte und Liegestütze sind traditionell bewährte Übungen mit dem eigenen Körpergewicht. Das bemängeln einige Kritiker insofern zu recht, als dass diverse Inhalte unter dem Label “functional” nicht wirklich neu sind.
Gymnastikbälle werden im Functional Training variantenreich bei vielen Trainingsformen eingesetzt.
Im Unterschied zu herkömmlichen Trainingskonzepten des Kraftsports steht nicht die Entwicklung roher Muskelkraft im Vordergrund, obgleich der Kraftzuwachs eine direkte Folge der Übungen im Rahmen des Functional Trainings darstellt. Die erworbene Kraft wird Funktionelle Kraft genannt. Es ist jene “Power”, die man beim Freizeitsport und im Alltag immer wieder benötigt.
Der Fitnesstrend ist eine aus der Physiotherapie sowie aus dem Leistungssport stammende Trainingsmethode, welche durch das Buch Functional Training* von Michael Boyle sehr populär wurde. Sie stellt den Bezug zu den Lebenswelten der Trainierenden in den Vordergrund.
Nach Boyle wachsen die Muskeln bei den dynamischen Übungen ganz von alleine. Er betont vor allem die Minimierung des Verletzungsrisikos und die Steigerung der Leistungsfähigkeit, weil die Trainingsresultate vielen Menschen ganz praktisch im täglichen Leben helfen. Eben deswegen wird das Konzept als sinnvoll und zweckmäßig beschrieben.
Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass mit wachsender Beliebtheit immer mehr Autoren und Trainer den Begriff nach eigenen Vorlieben deuten, sodass eine klare Definition des Functional Trainings nicht vorliegt. Das führt bisweilen zu kontroversen Einschätzungen über Sinn, Nutzen und zukünftige Entwicklung des Ansatzes.
Zudem wird die Unterteilung in funktionale und nicht-funktionale Muskeln bemängelt, weil die Funktion selbst vom Kontext und den sportlichen Anforderungen abhängt. Der Diskurs ist im vollen Gange und wird mit Sicherheit weitere wissenschaftliche Studien nach sich ziehen.
Kernbewegungen & Grundbewegungen verbessern
➥ Als Ziel wird grundsätzlich angestrebt, die Qualität von Bewegungsabläufen und Muskelfunktionen zu verbessern. Gleichzeitig soll eine Leistungssteigerung jener Basisfähigkeiten erlangt werden, die für möglichst viele Sportarten und im normalen Alltag von Bedeutung sind.
➥ Deswegen trainiert man bei diesem Ansatz immer wieder Grundbewegungen, welche in beinahe allen Sportarten vorkommen. Grundelemente stellen Kernbewegungen wie Laufen, Springen, Hüpfen und Drehen dar. Breitensportler üben schwerpunktmäßig viele Abfolgen des täglichen Lebens wie Aufstehen, Aufrichten, Heben, Gehen oder Tragen. Ambitionierte Sportler schätzen vor allem die Möglichkeit, die Gelenke sowie den gesamten Rumpf zu stärken (Core Stability). Sie trainieren zudem meist deutlich intensiver.
➥ Das Training soll mehr Spaß machen und freier sein, so die recht häufig zu lesende, aber doch recht allgemeine Forderung. Der Trend selbst reflektiert ebenfalls die Tatsache, dass immer Frauen mit Widerständen und dem eigenen Körpergewicht trainieren. Gesundheit, das Erlangen von mehr Stärke und Bodyshaping gehen hier Hand in Hand.
Das folgende Video verdeutlicht und diskutiert die Idee:
Transfer in den Alltag – Funktionelle Kraft entwickeln
Der angestrebte Transfer der gestärkten Bewegungen in den Alltag ist nützlich, denn die physischen Anforderungen im normalen Leben bestehen oftmals aus komplexen Einheiten. Große Muskeln werden etwa beim Heben einer schweren Kiste ebenso benötigt wie die stützende und stabilisierende Muskulatur.
Je fitter der gesamte Körper und je mehr man auf seine Funktionelle Kraft zurückgreifen kann, um so leichter gelingt etwa ein großer Umzug – und zwar ohne sich zu verheben. Tagelange Nachwirkungen wie Muskelkater, Abgeschlagenheit oder Verspannungen gehören im Idealfall der Vergangenheit an. Frauen profitieren etwa beim Tragen eines Babys von mehr Funktioneller Kraft (Anmerkung: Väter übrigens auch).
Ganze Muskelgruppen trainieren
Im Rahmen des oftmals intensiven Trainings werden viele Muskelgruppen gleichzeitig angesprochen. Ein sehr deutlicher Unterschied zu isolierten Trainingsformen beim klassischen “Pumpen”: Hinter dem populären Fitnesstrend steckt der explizite Aufruf, den gesamten Körper zu fordern und zu fördern.
Functional Training strebt eine gesunde und kräftigende Ganzkörperentwicklung an. Somit beinhaltet der moderne Ansatz neben Muskelaufbau auch Flexibilisierung, Koordination, viel Kraft-Ausdauer und Geschmeidigkeit. Alles ummantelt von einem kognitiven Anspruch, denn die Einheiten sollen konzentriert absolviert werden.
Als positive Folge zeigt sich eine ästhetische und symmetrische Körperentwicklung. Ein Gegensatz zu dem klischeebesetzten Bild junger Bodybuilder mit dicken Oberarmen und dürren, untrainierten Beinchen.
Hinweis: Gleichwohl sollte beachtet werden, dass Functional Training nicht immer Krafttraining ist. Von Krafttraining spricht man erst, wenn Übungen mit mindestens 50% der Maximalkraft absolviert werden. Bei hohen Wiederholungen mit wenig Gewicht bzw. Widerstand steht hingegen die Fitness im Vordergrund. Die Ausgestaltung des Functional Trainings bestimmt somit die Zielrichtung.
Belastungen des Körpers besser “verkraften”
Ein Pluspunkt des FT zeigt sich im ganz normalen Leben: Die Trainierenden sind schlichtweg belastbarer und verkraften z.B. den Vereinssport besser. Gleichzeitig nimmt durch den ganzheitlichen Ansatz die Verletzungsanfälligkeit ab, da komplexe Bewegungsabläufe mit Widerstand eingeübt werden.
Der so gestärkte Körper agiert gleichsam flexibel; er zeigt sich beweglicher als vorher, weil Sehnen und Bänder ebenfalls darauf eingestellt sind, Belastungen abzufangen.
Beim Staubsaugen beugen sich viele Menschen nach vorne, der ungünstige Winkel belastet die Körpermitte – besonders den unteren Rücken. Ein starker Rumpf hilft dabei, die Bewegungen besser auszuführen und die Belastungen zu reduzieren
Ziele & Wirkungen des Functional Trainings
Merkmale, Wirkungen und Ziele des Functional Trainings lassen sich wie folgt stichpunktartig bündeln:
- Komplexe Bewegungsabläufe sicher absolvieren, die Koordination verbessern
- Ganzkörpertraining und -entwicklung
- Orientierung an individuellen Zielen
- Zeitlich begrenztes, aber intensives Training
- Nur wenige Geräte werden gebraucht, dadurch halten sich die Kosten in Grenzen
- Alltagsbezug
- Grundstabilität der Körpermitte nutzt in allen anderen Sportarten
- Muskelaufbau “nebenbei” als latente Wirkung des ganzheitlichen Ansatzes
- Ästhetische Ziele (Definition, flacher Bauch)
- Gewichtsreduktion
- Präventiver Charakter, Abnahme der Verletzungsanfälligkeit
- Freude an natürlichen Formen der Bewegung zurückerlangen
Core Training – Funktionsgymnastik und Koordinationstraining
Wie oben kurz angedeutet, spielt ein stabiler Rumpf in nahezu allen Sportarten eine wichtige Rolle. Er stellt die Verbindung zwischen der Unterkörperkraft und der Oberkörperkraft sicher. Zudem bildet der Rumpf den Körperschwerpunkt, schon diese Tatsache unterstreicht die Relevanz dieser Zone. Dennoch wurde die Bedeutung der Körpermitte recht lange Zeit verkannt, doch aktuell ist ihre Stärkung aus dem Training vieler Spitzen- und Freizeitsportler nicht mehr wegzudenken.
In das Core Training sind Elemente aus Funktionsgymnastik und Koordinationstraining integriert. Sie sollen die grundlegende Stabilität und die gezielte Impulsübertragung – etwa beim Tennis, Eishockey oder Baseball – optimieren. Wer mit hohen Gewichten hantiert, benötigt ebenfalls ein kräftiges Körperzentrum, um unnötige Verletzungen – beispielsweise beim Heben schwerer Hanteln – zu vermeiden.
Doch was bedeutet Core genau? Zunächst beschreibt der englische Begriff vorrangig die Rumpfmuskulatur. Weil Rumpf und stabilisierende Muskeln in Hüften und Beinen aber eng verzahnt sind, klappt die genaue Abgrenzung sogenannter “Core-Muskeln” nicht immer. Dem Konzept wohnen daher kleinere Ungenauigkeiten terminologischer Art inne.
Mehrheitlich werden allerdings folgende Muskeln für das Core Training als relevant erachtet:
- Muskeln an der Hüfte
- Muskeln im Becken
- Unterleibsmuskulatur
- Gerade, quere, schräge und innere Bauchmuskeln
- Muskulatur am unteren Rücken
- Muskeln an und zwischen den Rippen
- Muskeln zwischen den Schulterblättern
Das Bauchmuskeltraining ist integraler Bestandteil des Core Trainings. Eine attraktive Optik spielt mit den wichtigen gesundheitlichen Zielen zusammen
Stärkung der Körpermitte
Core Training kann somit als pragmatisches Konzept für die Körpermitte gesehen werden, welches die skelettalen, ligamentären und muskulären Partien vom Zwerchfell bis zum Becken abdeckt. Als passive Elemente des Core Bereiches sind die Knochenarchitektur von Wirbelsäule, Rippen und Zwerchfell, die verbindenden Bänder und die Fascia thoracolumbalis zu nennen.
Primäres Ziel ist, dass die Trainingsinhalte die Stabilität der Rumpfmuskulatur erhöhen. Im selben Zuge steigt die Kraft der Rumpfmuskeln auf ein neues Niveau. Konzeptuell gilt der Körperkern (Core) als Zentrum der Körperkraft. Er soll Leistungen auf ambitioniertem Niveau überhaupt erst in die Wege leiten, weil das Zentrum des Körpers für den Übertrag der Kräfte zuständig ist. Das betonen Vertreter dieser Trainingsform wie etwa Mark Verstegen immer wieder. Aus diesem Grund existieren spezifische Core Trainingspläne für viele Sportbereiche.
Wie oben erwähnt, spricht man beim Training mit geringen Gewichten weniger von Krafttraining. Core Training spielt daher im Rahmen der Regeneration, der grundlegenden Fitness, dem Training von Sportarten mit Rotations- und Drehmoment (Tennis) sowie in der Rehabilitation eine Rolle.
In Hinblick auf den Schutz der Wirbelsäule kann diese Trainingsart ebenfalls punkten, weil nach Studien des Biomechanics Research Laboratory der Yale University School of Medicin kein Muskel isoliert zur Stabilität der Wirbelsäule beiträgt. Verständlich formuliert: Der Schutz der Wirbelsäule klappt nur im komplexen Zusammenspiel vieler anliegender Muskeln – und genau das propagiert das Core Training.
Wer erfolgreich trainiert merkt irgendwann, dass das eigene Körpergewicht bei diversen Übungen nicht mehr langt. In solchen Situationen kommen im Kontext des fokussierten Trainings der Körpermitte Zusatzgewichte (z.B. Sandsäcke) zum Einsatz. Die Zielrichtung selbst bleibt unverändert: Es gilt, die Rumpfmuskulatur zu kräftigen und zu stabilisieren.
Trainingsgeräte für den Kraftgewinn im Rahmen des FT
Im Rahmen des Functional Trainings wird auf große Maschinen weitestgehend verzichtet. Und das sogar in klassischen Fitnessstudios. Die Einheiten finden jenseits der platzfressenden Geräte auf freien Flächen statt.
Will man aber bewusst den Schwerpunkt des Krafttrainings im Rahmen des FT betonen, dann gilt es, den Widerstand zu erhöhen. Hilfe bieten spezielle Geräte, welche den ganzen Körper durch das Ausnutzen physikalischer Gesetze zu Kraftleistungen anregen:
- Schlingentrainer
Widerstandsbänder bzw. Schlingentrainer eignen sich hervorragend dazu, den gesamten Körper anzusprechen. Das Körpergewicht wird als Trainingswiderstand verwendet, wobei der Winkel bei den Übungen bestimmt, wie stark dieser Widerstand ausfällt. Mittlerweile sind hunderte Methoden bekannt, sodass individuelle Trainingsziele immer ihre korrespondiere Übung finden. Neben den großen Muskelketten werden stets die kleinen und gelenknahen Muskeln aktiviert. Der Einsatz ausgleichender Muskulatur fördert gleichzeitig den Aspekt der Koordination - Kettlebells
Kettlebells bringen die Schwungkomponente und somit den gezielten Einsatz von Fliehkräften ins Spiel. Mit ihnen lassen sich komplexe Bewegungsfolgen mit Widerstand realisieren. Ein sehr effizientes und intensives Vorgehen, welches den Körper deutlich stärkt – und vor allem viel Energie verbraucht. Da viele Übungen existieren, kann der ganze Körper gefordert und geformt werden. Besonders die Körpermitte profitiert und verleiht den Trainierenden eine ganz neue Stabilität. Wichtig ist die saubere und richtige Durchführung der Trainingseinheiten. Nicht nur Freizeitsportler nutzen die meist gusseisernen Gewichte mit starkem Griff, auch Profisportler und Bodybuilder runden ihr Training mit den Rundhanteln ab
Ist Functional Training zu Hause sinnvoll?
Fazit: Wie immer entscheiden die persönlichen Ziele sowie der eigene Gesundheits- und Fitnesszustand darüber, welche Trainingsform individuell Sinn macht. Dazu tritt die Motivation: Sportliche Betätigung muss Spaß machen, sonst schwindet die Begeisterung und die Aktivität wird eingestellt.
Da nicht viel Platz benötigt wird und mögliche Zusatzgeräte leicht unterzubringen sind, ist Functional und Core Training gut zu Hause möglich. Von grundlegender Bedeutung ist eine saubere Technik und die langsame Steigerung der Intensität. Man sollte zwar ins Schwitzen kommen, aber sich nicht extrem überfordern. Eine realistische Einschätzung der eigenen Physis, Bekannte mit Erfahrung, die Schulung in einem Studio oder die entsprechende Literatur* helfen dabei, dosiert anzufangen. Durch regelmäßiges Training und feste Ruhetage wird im Verlauf eine positive Entwicklung angestoßen.
Functional Training hilft Menschen grundsätzlich dabei, den gesamten Körper zu trainieren. Der Ansatz hebt Bewegungsabläufe und Muskelfunktionen auf eine bessere Ebene. Beim Training verbrauchen die Sportler gleichzeitig viel Energie, weshalb sich diese Art Sport gut zum Abnehmen eignet. Besonders hilfreich: Die Fettverbrennung geht selbst in der Ruhephase nach dem Workout weiter.
Man lernt Schritt für Schritt, den eigenen Körper mit oder ohne Zusatzlast in verschiedenen Positionen zu stabilisieren und auszubalancieren. Davon profitiert nicht nur die Ästhetik, auch Wohlbefinden, Reaktionsbereitschaft und Alltagsleistung verbessern sich. Daher sprechen Autoren gerne von einem anforderungsorientierten Training, welches Kompetenzen, die sportartübergreifend notwendig sind, gezielt fördert.
Der Einsatz von Bändern oder Kettlebells während des FT macht es darüber hinausgehend möglich, den Widerstand zu erhöhen. Dadurch werden mehrere Muskelgruppen gleichzeitig in Richtung Kraftgewinn trainiert. Der Aspekt des Muskelaufbaus wird stärker betont. Wer zudem seine Leistungen in Sportarten mit viel Rotations- und Drehmoment fördern will, profitiert besonders vom Core Training, um die nötigen Bewegungen ebenso dynamisch wie gezielt ausführen zu können.
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