Functional Threshold Power (FTP)

Von Wonseong

Nachdem ich nun schon wieder seit ein paar Monaten mit einem Leistungsmesser am Rad (power2max NG Road) und nun auch mit der neuesten Version des KICKR von Wahoo als Smart-Trainer indoor trainiere, fühle ich mich genötigt, mal wieder einen „Debunking“-Artikel (zu deutsch „Blödsinn entlarven“) zum Thema FTP zu schreiben.

Aus für mich unerklärlichen Gründen hat es offenbar vollkommen ausgereicht, dass Hunter Allen & Andrew Coggan vor gefühlten drei Jahrhunderten (meine Ausgabe 2006) ihr Standardwerk „Training and Racing with a Power Meter“ vorstellten und diverse Trainingsplattformen (allen voran Trainingpeaks) diese Grundgedanken übernahmen, dass anscheinend fast ausnahmslos ALLE völlig unreflektiert die FTP als den heiligen Gral der Radperformance anbeten. Hallo?!

Die FTP (Functional Threshold Power) ist der Leistungswert, der von einem beliebigen Athleten zu einem bestimmten Zeitpunkt maximal über 1 Stunde durchgehalten werden kann. Nicht mehr und nicht weniger. Zugegeben, die aktuelle wissenschaftliche Forschung zeigt, dass dieser Wert meist relativ gut mit dem übereinstimmt, was landläufig unter anaerober Schwelle (o.ä.) tituliert wird; dem Punkt also, an dem die Laktatkonzentration im Blut schlagartig progressiv ansteigt.

Die viel spannendere Frage ist doch aber, ob das irgendwelche Auswirkungen für uns Triathleten hat, und wenn ja, welche?! Im Training? Im Wettkampf? Ich verfolge den Triathlon-Zirkus ja nun schon eine Weile und die Zahl derjeniger, die bis T2 bombig im Rennen liegen und dann, wenn’s richtig spannend wird, gnadenlos abkacken ist nicht gesunken über die Zeit. Trotz FTP, Wattmesser, Smart Trainer, Trainingszonen, mehr oder minder „professionellem“ Coaching. Eher im Gegenteil. Und so eine Entwicklung sollte uns stutzig machen…

Für ein einstündiges Zeitfahren – perfekt! Keine Frage. Für ein 2½-stündiges Zeitfahren mit 30-minütigem Einschwimmen und eineinhalbstündigem Auslaufen (70.3 – nur ganz grob meine Werte) passt dieser Wert schon gar nicht mehr so toll. Klarer ausgedrückt strebt die Aussagekraft des FTP-Werts dann schon gegen Null. Gleiches trifft übrigens am anderen Ende des Spektrums für einen echten Sprinter zu (er muss halt die Etappe „überleben“, aber das Rennen gewinnt er eben auf dem letzten Kilometer mit brachialen Werten weit jenseits der 1000 Watt). Oder auch ganz spannend: Für einen XC Mountain Biker. Nino Schurter’s FTP ist sicherlich sehr beeindruckend, aber die Rennen gewinnt er mit einem brachialen Antritt am Berg weit jenseits seiner Schwelle oder aber eben auch im Sprint (okay, in seinem speziellen Fall kommen ihm noch seine überlegenen Bikehandling-Skills zu Hilfe, mit denen er auch schon mal ein Rennen bergab auf einem technisch besonders schwierigen Abschnitt gewinnen kann).

Ganz extrem trifft das natürlich für die Langdistanz-Triathleten unter uns zu. Sorry, wenn ich das hier nochmals erwähnen muss, aber Langdistanzen werden mit dem Kopf gewonnen, nicht mit den Beinen. Aber davon abgesehen, dass alles, was Herr und Frau Triathlet nicht kennt und das schwer in Zahlen zu messen ist, nichts wert ist: Auch auf körperlicher Ebene ist die FTP nur am Rande spannend als ganz ordentlicher Indikator der aeroben Fitness. Aber viel spannender ist die Frage, mit welchem „Aufwand“ diese Leistung unter Dauerbelastung erbracht wird. Wenn ich (gerade hier im radlastigen Deutschland) mal wieder mit einer ganz tollen Radzeit angeben kann, aber einmal mehr eine 5 Stunden-Wanderung einlege, müsste doch eigentlich dem dümmsten Bauern klar werden, dass da was nicht passt.

„Ja aber ich hab die ganze Zeit auf meinen Radcomputer geguckt und war immer um xy unter meiner FTP!“

Ja, aber mit welchen physiologischen Kosten? Mal ganz abgesehen von den üblichen Details, die dann gern ausgeblendet werden: Temperatur, Regen, Streckenlänge, Wind, Windschatten, etc.

Darüber hinaus meine ich eine Gravitation hin zum Training rund um die FTP zu erkennen. In Allen/Coggan wird damals auch tatsächlich noch das Training rund um die Schwelle favorisiert. Genau das machen sehr viele Amateure…und bleiben regelmäßig weit hinter ihren Möglichkeiten zurück. Schade eigentlich. Das Triathlon-Training könnte so viel effektiver und effizienter sein…

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