Fuck Trade

Fair Trade Fuck TradeNeulich betrat ich mal wieder, in einem Moment geistiger und konditioneller Schwäche, einen Berliner Bio-Markt. Dabei hätte ich es doch besser wissen müssen. Aber es war nun einmal geschehen und so machte ich mich auf die Suche nach Irgendetwas.Vielleicht hatte ich ja Glück und würde in der Lebensmittelabteilung etwas finden, das wirklich gut schmeckt und bezahlbar ist. Wie konnt ich nur… Nach einem ergebnislosen Bummel durch die Reagle mit den ach so ganz fair gehandelten und ökologisch produzieren Lebensmitteln wandte ich mich der Non-Food-Fair-Trade-Bio-Öko-Abteilung zu, in der Biocremes aus Elefantenkot, Ökoparfümchen aus Knochenmark glücklicher Freilandrinder und andere, biologisch wertvoll vorgekaute Gesichts- und Arschpasten angeboten werden. Natürlich heute zum Sonderpreis. Und wie immer fair gehandelt. Auch die Hühner haben etwas davon, wenn Sie sich damit eindieseln. Und wenn ich meine Zähne mit der grünen Pasta direkt vom Erzeuger putzen, kann dessen Familie ein Jahr lang essen und scheißen.

Ich war noch mittendrin in der Suche nach der Ökonadel im Biomisthaufen, als sich zwei typische ÖkomarkteinkäuferInnen, eine männlich, eine weiblich, nebst Kinderwagen rücksichtslos an mir vorbeidrängelten und dabei mit ihrem Einkaufswagen, gefüllt mit Bioäpfeln aus Chile, angeblichen Fair-Trade-Bananen aus der Domrep, ein paar angegammelten Steckrüben sowie einem weiteren, etwas zu fettem, Kind, in und über meine Hacken rollten als wäre es das Normalste der verschissenen Biowelt. Als der erste Schmerz langsam nachließ und ich gerade überlegte, ob ich es mit verweichlichten Gegendemonstrierern, dummgrüngehirnten Autobahnverhinderern, linkskonservativen Häuserneubaudagegensprotestlern oder mit höhenuntauglichen Flugroutenabweichlern zu tun habe (oder alles zusammen), waren sie schon an mir vorbei und reihten sich, ohne sich noch einmal nach mir umzusehen, in die Zwei-Personen-Schlange (bedeutet im Biomarkt etwa die gleiche Wartezeit wie eine Zwanzig-Personen-Schlange im Supermarkt) an der Kasse ein.

Okay, dachte ich, das ist die Strafe. Warum bist Du auch hier rein gegangen. Ich machte mich also Richtung Ausgang los und war fast schon draußen, als ich hörte, wie die Hackenroll-Tante den Kassierer fragte, ob er denn garantieren könne, dass die Bananen fair gehandelt seien. Sie hätte da etwas “läuten gehört”. Ja, natürlich. Sie könne sich darauf verlassen. NEIN. SIE KÖNNEN SICH NICHT DARAUF VERLASSEN. Schrie ich von draußen durch die offene Tür in den Markt hinein. ES GIBT KEINEN FAIREN HANDEL MEHR. IHRE SCHEIß BANANEN AUS DER DOMREP WERDEN VON ILLEGALEN HAITIANERN GEPFLÜCKT, DIE FÜR NEN HUNGERLOHN ARBEITEN. FAIR TRADE IST FUCK TRADE!

Das Pärchen und ein paar Leute mehr schauten mich verdutzt, entsetzt, verwundert an. Der Kassierer dagegen schüttelte den Kopf und machte ein eher mitleidiges Gesicht. Armer Irrer, schien sein Blick zu sagen. Es war Zeit, das Feld zu räumen. Hatte eh keinen Zweck, solcherart Leute mit dieser Art Wahrheiten zu belästigen. Aber ich weiß es eben. Besser als die meisten. Denn selbst wenn es das eine oder andere Produkt schafft, fair bis nach Deutschland zu kommen, so endet das Ganze spätestens in den Hallen der Großhändler, wo Billiglohnkräfte den ganzen Biomüll in Akkordarbeit versandfertig machen. Ich weiß, wovon ich rede, ich habe selbst in zwei solcherart Unternehmen geschuftet. Meist in der Nacht, in Kühl- oder Kältekammern oder auch im Trockenlager, haben wir einen “Rolli” nach dem anderen gepackt. Oft bis in die frühen Morgenstunden. Und das Ganze für nen vergammelten Appel und n Ei von glücklichen Hühnern. Selbstverständlich zuschlagsfrei. Beschwerden über Lohn oder Arbeitsverhältnisse bedeuteten Stress mit dem Cheffe oder gar Kündigung. Zumindest bei diesem Großhändler in Berlin. Was dort abging (und wahrscheinlich immer noch passiert) ist dermaßen herabwürdigend und unwürdig und damit von Fair Trade weit, weit entfernt. Noch weiter entfernt ist nur noch der Eigentümer des Unternehmens selbst von seinen einstigen Ideen und Idealen. Fair Trade ist Fuck Trade. Oder eben Banane.


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