Frühling

Jetzt ist er da, der Frühling. Das Wetter wird besser, genauso wie die Stimmung. Nach Tagen der Dunkelheit endlich wieder Licht. Nach kurzer Tauglichkeitsprüfung sind die Fahrräder auch wieder bereit für den Großstadtdschungel. Leider nicht die Mitmenschen dieser Metropole. So mancher Autofahrer zeigt sich überfordert mit den aus allen Ecken kommenden Radlern. Verständlich ist dies nur manchmal, denn in Berlin gibt es schon den ein oder andern Vollprofi mit Carbonrad, der mit gefühlten 50 km/h über die Radwege fliegt. Doch die Mehrzahl der Radler ist mit gemütlichen 15-20 km/h unterwegs. Also für das menschliche Auge gerade noch wahrnehmbar.
Wir sind stolze Besitzer eines Fahrradanhängers in dem zwei Kinder bequem Platz finden. Und da mir das Risiko auf Berlins Straßen bewusst ist fahre ich nicht die kürzeste sondern die sicherste Strecke. Doch selbst hier kommt es vor, dass Autofahrer wenig einsichtig sind. Sie fahren hupend an einem vorbei, weil sie in ihrer normalen Fahrt behindert werden. Ich muss aber auf der Straße fahren, gibt ja kaum Radwege. Also muss ich mich damit abfinden und immer freundlich winken. An manchen Stellen kommt es vor, dass ich tatsächlich aus Angst um unser aller Leben auf den Fußweg ausweiche. Das stellt ein neues Problem dar: In Berlin gibt es die breitesten Gehwege, die ich je gesehen habe und trotzdem haben die Fußgänger anscheinend immer noch nicht genug Platz. Wenn ich die Ausnahme mache und den Gehweg nutze fahre ich natürlich viel langsamer und mit Bedacht, aber ich ernte nur Unverständnis. Meist von älteren Herren, die auf die Einhaltung von Regeln besonders viel wert legen. Da wird dann der rüstige Rentner durchaus so manches Mal ausfällig. An guten Tagen versuche ich zu erklären, dass die Straße für mich und meine Kinder im Anhänger leider nicht der sicherste Platz ist. Erkläre dann auch noch, dass der Gehweg sehr breit ist, aber es nützt nichts. Alles was ich zu hören bekomme ist irgendetwas von Anzeige und Polizei. Ich winke ab und fahre weiter. An schlechten Tagen mache ich das gleich. Ja, ich kann sie verstehen, ich mache etwas falsch und womöglich würde ich, wenn mich keiner darauf hinweisen würde es nicht mal richtig bemerken. Aber in meinen Augen gibt es in Berlin wirklich schlimmere Vergehen, die auf offener Straße geschehen.

Hier ein Beispiel, das mir vor gar nicht langer Zeit geschehen ist:

Ich bin mal wieder auf dem Gehweg unterwegs, als ein Herr aus einem Hauseingang tritt. Er hat einen Hund dabei, der nicht an der Leine ist. Er steckt sich einen Joint in den Mund und zündet ihn an. Das ist ja in Berlin noch ziemlich normal… Und es stört mich auch nicht, aber als dann der unangeleinte Hund auf einen uniformierten Polizisten zurannte und diesen ankläffte, rechnete ich mit Unterhaltung. Die bekam ich auch prompt, aber nicht wie erhofft. Der Polizist ging an dem kiffenden Herrchen vorbei und ließ auch dessen zähnefletschenden Hund links liegen. Stattdessen kam er auf mich zu und ermahnte mich, dass dieser Gehweg ausschließlich den Fußgängern vorbehalten sei. Es gibt nicht viele Situationen, in denen ich sprachlos bin, aber diese zählte dazu.

 


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