Frischfleisch im Labortest: Außen scheinbar frisch, innen ranzig

Von Langno

Frischfleisch in Kühltheken von Supermärkten wird systematisch einer kosmetischen Behandlung mit erheblichen Risiken und Nebenwirkungen für die Kunden unterzogen. Mithilfe eines Gas-Gemisches färben die Handelskonzerne das Fleisch von außen rosig-rot, innen wird es dadurch jedoch schneller zäh und ranzig. Hochkonzentrierter Sauerstoff in der sogenannten „Schutzatmosphäre“ der Packungen sorgt dafür, dass das Fleisch über Tage hinweg wie schlacht-frisch aussieht. Gleichzeitig beschleunigt er den Fettverderb und die Oxidation von Eiweißen, was das Fleisch zäh macht. Einziger Vorteil: Die Produkte lassen sich so aufgehübscht länger und besser verkaufen. „Die Handelsketten gaukeln ihren Kunden Frische vor und jubeln ihnen minderwertiges Fleisch unter“, erklärte Matthias Wolfschmidt, stellvertretender Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch. „Aus reinem Gewinninteresse werden in vollem Bewusstsein erhebliche Nachteile für die Kunden in Kauf genommen.“

In einem Labortest ließ foodwatch 17 unterschiedliche Rind- und Schweinefleischprodukte vom Hackfleisch bis zum Schnitzel untersuchen, die luftdicht „unter Schutzatmosphäre“ in Plastikschalen abgepackt waren. Insgesamt wurden 154 Frischfleischpackungen aus Filialen der Handelsketten Aldi (Nord), Lidl, Marktkauf (Edeka-Gruppe) und Rewe analysiert. 120 Mal wurde dabei der Sauerstoffgehalt geprüft. Das Ergebnis: Die vier Handelsketten setzten bei allen getesteten Produkten hochkonzentrierte Sauerstoffatmosphäre ein. 34 Mal wurde zudem der so genannte TBARS-Wert ermittelt, ein Indikator für den Fettverderb. Daraus ergaben sich deutliche Hinweise für eine Ranzigkeit der sauerstoffbehandelten Proben.

„Eine solche Behandlung hat für den Kunden nur Nachteile. Hochkonzentrierter Sauerstoff sollte auf keiner Stufe der Produktion und Verarbeitung von Frischfleisch mehr eingesetzt werden“, sagte Matthias Wolfschmidt. foodwatch forderte Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner auf, die Verwendung von Sauerstoff in höheren Konzentrationen als in normaler Umgebungsluft in der gesamten Fleischwirtschaft per Verordnung zu untersagen. Während Einsatz und Kennzeichnung von „Schutzatmosphären“ zwar EU-weit geregelt sind, ist die Zusammensetzung der Gasgemische nicht festgeschrieben – und kann demnach auf nationaler Ebene bestimmt werden.

Sowohl dem Bundesverbraucherministerium als auch den Handelsketten sind die Probleme längst bekannt. Das bundeseigene Max-Rubner-Institut schrieb im Branchenblatt „Fleischwirtschaft“ (Ausgabe 6/2009) in aller Deutlichkeit, „dass keinerlei Notwendigkeit zur Behandlung von Fleisch mit höheren Sauerstoffkonzentrationen besteht, außer einem Vermarktungsvorteil durch Aufrötung erzielen zu wollen. Als ob dies nicht genügen würde, wird derartig dem Sauerstoff ausgesetztes Fleisch auch noch schlagartig ranzig, entwickelt Altgeschmack, erfährt vielfältig stoffliche Umsetzungen der Lipid- und Proteinfraktion und wird zäh.“ Neben solchen sensorischen Mängeln berichten die Wissenschaftler auch von der Bildung gesundheitsgefährdender Cholesteroloxide in Sauerstoff-Atmosphäre. Dabei handele es sich um „anerkannt toxische Substanzen“, die mit der Entstehung von „Arteriosklerose oder auch Krebs“ in Zusammenhang gebracht würden. Die Messer Group, ein Anbieter von Industriegasen, schreibt in einer Produktbroschüre über Sauerstoff unverblümt: „Verursacht die Oxidation von Fetten/Ölen. Erlaubt das Wachstum von aeroben Bakterien und Schimmel, aber erhält die rote Farbe von Fleisch und hemmt anaerobe Bakterien.“

Matthias Wolfschmidt von foodwatch: „Sowohl die Bundesregierung als auch die Branche weiß längst über die Nebenwirkungen und Risiken der Sauerstoff-Behandlung für die Verbraucher, ignorieren und vertuschen sie aber – das ist der eigentliche Skandal.“ Kostenneutrale Alternativen zu den Verpackungen mit Sauerstoff-Atmosphäre sind längst bekannt. Die Wissenschaftler des staatlichen Max-Rubner-Instituts nennen den Einsatz von Stickstoff statt Sauerstoff oder die Verwendung von Vakuumverpackungen. Der Nachteil für den Handel: Das Fleisch wird dabei nicht künstlich aufgehübscht.

Quelle: foodwatch