Erinnert sich noch jemand an den vierten Teil der Fluch der Karibik-Reihe? Die Episode der Pirates of the Caribbean, in der weder Orlando Bloom noch Keira Knightley zu sehen waren und die Hollywood-Anzugträger dachten, Johnny Depp alleine würde ausreichen, um das Franchise fortzusetzen? Nunja, Captain Jack Sparrow mag zu Johnny Depps Paraderolle geworden sein, aber er benötigt ein ebenso starkes Umfeld um als Seeräuber die Karibik unsicher zu machen. Vielleicht liegt sein kleines Schiff in Pirates of the Caribbean: Salazars Rache deshalb fest verankert an einem kleinen Strand, wo es seit geraumer Zeit kein Wasser zu spüren bekommen hat. Aber mit diesem fünften Film darf man sich wieder auf ein feuchtes Piraten-Abenteuer freuen.
Captain Jack Sparrow wird von seinem alten Nemesis Armando Salazar (Javier Bardem) verfolgt, der bereits zu Lebzeiten ein gefürchteter, spanischer Piratenjäger war, der auf seinen Gewässern keine Piraterie dudelte. Inzwischen leidet er mit seiner Crew unter dem Fluch der Untoten und ist im berüchtigten Teufelsdreieck gefangen. Aber nur solange, bis Jack Sparrow seinen magischen Kompass aus den Händen gibt und damit Salazar freisetzt. Von seinem auf Rache getriebenen Feind gejagt, findet Jack in Henry (Brenton Thwaites) und Carina (Kaya Scodelario) neue Verbündete, mit denen er nach Poseidons Dreizack suchen muss, der die Kontrolle über das Meer gewährt und die einzige Waffe ist, durch die Salazar besiegt werden kann.
Carina (Kaya Scodelario) und Henry (Brenton Thwaites)
Pirates of the Caribbean: Salazars Rache kommt von den Regisseuren Joachim Rønning und Espen Sandberg, die in 2012 schon das äußerst starke Abenteuer auf hoher See Kon-Tiki gedreht haben (für den es eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film gab). Neben Johnny Depp sind auch Kevin McNally (als Joshamee Gibbs) und Geoffrey Rush (als Hector Barbossa) wieder mit dabei. Ebenso kehren Orlando Bloom und Keira Knightley als Will Turner und Elizabeth Swan zurück – womit sich dieser fünfte Teil schon viel mehr wie der Filmreihe zugehörig anfühlt, als es noch mit Fremde Gezeiten der Fall war.
Während Johnny Depp wieder die ewig selbe Rolle spielt – nicht schlecht, aber vor allem anders als noch im allerersten Fluch der Karibik aus 2003, wo Captain Jack Sparrow noch ein trunkenes Abenteuer-Genie war, das sich gewitzt aus brenzligen Situationen zu retten wusste, der inzwischen aber zum Trottel geworden ist, der nur noch durch Zufall gefährliche Situationen übersteht – ist es vor allem die neue Cast, die diese fünfte Pirates of the Caribbean-Story so sehenswert macht,dass man sich vorstellen kann, mit diesen Figuren noch ein paar mehr Filme zu überstehen.
Brenton Thwaites (Maleficent, Oculus) ist der eigentliche Held der Geschichte. Ein junger Mann auf der Mission, seinen Vater zu befreien, der ähnlich wie Salazar von einem Fluch des Meeres befallen ist. Er ist ein in Ungnade gefallener britischer Soldat, der zu Beginn des Films nur die Mythen um Jack Sparrow und dessen Abenteuer kennt, aber weiß, dass er diesen Mann benötigt, um seinen Vater zu befreien.
Wo Thwaites eine solide Leistung abliefert – die allemal besser ist als Sam Claflins Rolle in Fremde Gezeiten – die aber noch sehr viel Raum nach oben lässt, bekommt Kaya Scoledario (Skins, Maze Runner) als Carina Smyth eine Figur an die Hand, die als Showstealer des Films gesehen werden darf. Ihre Astrologin wird dauerhaft als Hexe abgetan, weil es sich um eine starke Frau handelt, die mit Intelligenz und Menschenverstand das klügste Wesen sein dürfte, das jemals durch einen Fluch der Karibik-Film und unter Piraten und wirklichen Hexen gewandelt ist. Ihre Verbindung zu den übrigen Figuren macht sie am Ende des Films sogleich zur interessantesten Figur, um das Franchise weiter voran zu tragen.
Eine kurze Erwähnung sollte aber auch die Iranerin Golshifteh Farahani bekommen, die zuletzt neben Adam Driver als dessen Ehefrau in Jim Jarmuschs Paterson zu sehen war. Sie spielt hier die überaus gruselig ausschauende wirkliche Hexe Shansa, die wir ebenso gerne wiedersehen möchten.
Javier Bardem als gefürchteter Captain Salazar
Salazars Rache – oder Dead Men Tell No Tales (Originaltitel) – hält aber nicht nur ein hervorragendes neues Ensemble parat, sondern auch Set Pieces, an die man sich nach dem Film weiterhin erinnern kann. In einem überdrehten Opening möchte Jack Sparrow eine Bank ausrauben, raubt aber gleich das ganze Bankgebäude und lässt es von einer Horde von Pferden durch die Stadt ziehen, zerstört dabei so einiges, während er selbst über das Dach torkelt und sich mit der britischen Armee herumschlagen muss – zu der im übrigen auch Darsteller David Wenham (Der Herr der Ringe, Marvels Iron Fist) gehört.
Solche Momente versprühen einfach nur puren Spaß, wie es in Fremde Gezeiten gänzlich gefehlt hat. Mit dieser Lockerheit sehen wir dann auch Jack Sparrow in der “neuesten französischen Erfindung”, die Guillotine! Während der Pirat um seinen Kopf bangen muss, soll ihm gegenüber die vermeintliche Hexe Carina gehängt werden, woraus das Drehbuch von Jeff Nathanson und Terry Rossio eine wunderbare Unterhaltung zwischen den Totgeweihten macht, die von dem wartenden Zuschauern wie ein Tennis-Spiel-Schlagabtausch beobachtet wird.
Und ebenso stellt sich das Finale als gigantisches Spektakel vor wunderschöner Unterwasser-Kulisse dar, wenn sich alle Beteiligten im Grab des Poseidon versammeln um den Dreizack an sich zu bringen. Hier merkt man dann aber auch, wie wenig Johnny Depp noch zu dem Franchise beizutragen hat, wenn er sich von Salazar nur herumschubsen lässt, während Brenton Thwaites und Kaya Scodelario die ganze Arbeit machen (mehr noch unterstützt durch Geoffrey Rushs Captain Barbossa).
Auch wenn man sich bei einer Hochzeitsszene fragen darf, was diese im Film zu suchen hat (wirklich, man könnte diese zwei Seiten Drehbuch verbrennen und es würde niemanden auffallen), ist Pirates of the Caribbean: Salazars Rache eine willkommene Fortsetzung der Fluch der Karibik-Reihe, die das Franchise wie ein Jurassic World oder Fast & Furious 5 neu beleben könnte und definitiv kein Rückschritt wie Prometheus oder Alien: Covenant darstellt. Man darf nach dem Kinobesuch also wieder beruhigt das Pirates-Theme von Komponist Klaus Badelt pfeifen.