Hier bin ich wieder. Mit einer Woche voller Überraschungen
Müll wird immer systematisch ignoriert ...
Dienstag, der 2. November ist hier ein absolute religöser Zum-Friedhof-geh-Tag, weshalb er auch schul- und landesweit frei ist. Es wird schon seit einer Woche Blumengesteck aus Blumen oder Papier gebastelt und verkauft, die seither auf Käufer und ihr Ende als Dekoration auf dem Grab von Angehörigen warten. Wir schauen uns das am Nachmittag natürlich auch an, da ist allerdings “nicht mehr so viel los”. Was ungefähr zehn Verkäufer und fast 100 Menschen vorm und im Friedhof bedeutet. Es wird, ganz nach Jahrmarktstradition Zuckerwatte, Popcorn und anderes Esszeugs verkauft. Es kommen mittels öffentlichen und kleinen, privaten Bussen auch viele Menschen aus den umliegenden Gemeinden um ihre hier begrabenen Verwandten zu besuchen.
Der Friedhof hat keine gekennzeichneten Wege, man geht machmal unabsichtlich über Gräber, die oft nur aus einem kleinen Holzkreuz bestehen. Sehr wenige Gräber sind auch mit Zaun oder gar kleinem Eisendach verziert, aber die Mehrheit der Gräber hat nur Eines gemein: Blumen. In tranparenten Plasticksäcken eingeschweißte Blumenringe auf den Kreuzen, lose Blumenblätter am Boden. Die ärmeren Gräber sind nur mit selbstgepflückten Blumen geschmückt. Und überall sitzen Angehörige der Gräber, weil man schon so weit gereist ist oder einfach, um die Blumen vor stehlenden Strolchen zu verteidigen.
Es herrscht noch Baustelle und mitunter eigenartige Sicherheitsvorstellungen
In der kurzen Woche haben Lina und ich dann noch ein großes Projekt in Angriff genommen: Das letzte große Geburtstagsfest geschenketechnisch zu organisieren. Es gibt nämlich einige Schachteln mit Kleiderspenden, die als Geschenke für die Kinder gedacht sind. Das Problem war dann allerdings, erst mal die Geburtstagskinder zu eruieren und dementsprechend viele Pakete zusammen zu stellen. Nachdem es sich nur um die letzten drei Monate – Oktober, November, Dezember – handelt, weil alle anderen schon ihre Geschenke erhalten haben, war es nicht so schwer die ungefähr 60 Kinder aus dem Einschreibeheft zu suchen. Es wird aber noch schwieriger werden, uns wurde nämlich zugetragen, dass kein einziges Kind aus dem Manualidades-Kurs gefeiert wurde und die Kinder im Computerkurs nicht unbedingt im eigentlich als allwissend bezeichneten Heft aufscheinen. Wenn dann aber die Kinder erfahren, dass es Geschenke gibt, wird vielleicht der Eine oder Andere noch behaupten, er habe auch Geburtstag, oder wurde noch nicht gefeiert …
Ein weiteres Projekt nimmt Formen an, krankt aber noch an zwei entscheidend gravierenden Problemen: Die Filmnacht. Die Leinwand ist inzwischen fertig, hängt im Computerzimmer bei mir zu Hause und sieht einfach riesig aus. Sowohl in Größe als auch in Erscheinung. Fehlen tut aber noch der Beamer und der Film. Der Beamer kann ausgeborgt werden und es wurde sogar von einem eh notwendigem Kauf gesprochen. Inzwischen steht für mich als Film WALL-E fest. Und zwar deshalb, weil es ein Film für Jung und Alt ist und das Thema Verantwortlichkeit für Müll und Verschmutzung der Umwelt ist, das hier immer wieder angeschnitten aber trotzdem geflissentlich ignoriert wird. Nachdem der Film hier sehr unbekannt ist, werde ich wohl auf Werbung á la “Wie Shrek und Ice Age!” einschlagen müssen, denn wenn ich Müll erwähne, vermutet jeder einen klassisch langweiligen Fortbildungsfilm.
Hier wieder eine kleine Umfrage: Was für Filme könnte man sonst noch so zeigen? Für Kinder und Erwachsene gleichermaßen und trotzdem mit einer nicht allzu versteckten Botschaft. Shrek und Ice Age sind hier zum Beispiel total beliebt, fallen mir aber nicht durch grandiose Handlung oder Botschaften auf .
Der völlig runde Zeichensaal ausgebreitet in einem 360°-Panorama
Und gerade eben, mitten am Samstag Nachmittag ist es richtig gefährlich geworden …
Angelika und ich gehen auf der Suche nach einer passenden DVD für die Filmnacht zum Hauptplatz, nur um festzustellen, dass das einzige Geschäft in Condega, das diese anbietet geschlossen hat. Aber wenn man schon mal auf den Beinen ist, kann man auch gleich noch ein bisschen spazieren gehen. Also auf zum Fluss, dort kennt Angelika eine fesche Stelle, war dort schon mal alleine auf Entdeckungsreise. Nach etwa einer halben Stunde herumsitzen, reden und Fotos machen schaut Angelika auf einmal angespannt in die Richtung, der ich den Rücken zugekehrt habe und sagt, da seien zwei maskierte Männer. Ich drehe mich um und sehe gerade noch einen der Beiden im reichlichen Ufergestrüpp verschwinden. Ich packe meine Kamera ein, Angelika ein knallrotes Trillerpfeifchen aus und wir verlassen in entgegengesetzte Richtung den “Strand”. Ständig nach hinten blickend, ob die Beiden denn näher kommen. Bis wir die Straße erreichen, passiert überhaupt nichts mehr, wir denken schon, wir hätten sie abgeschüttelt. Auch so wirklich unsicher fühlen wir uns noch nicht, ist die vermeintliche Gefahr doch fast 100 Meter hinter uns.
Da wir die Straße aber an einer anderen Stelle erreichen, als wir sie verlassen haben, müssen wir uns entscheiden, ob wir weiter weg gehen, oder doch wieder ein bisschen in ihre Richtung zurückgehen, wo wir wissen, dass in nach weniger als 100 Metern die Bäume aufhören und nach einer Rechtskurve 50 Meter weiter das erste Haus steht. Das Haus ist aber wegen einem Hochwasserschutzwall, über den die Straße führt noch nicht sichtbar. Dafür jedoch einer der Maskierten, der gerade seine Maske, also sein weißes, hochgezogenes T-Shirt ein bisschen zurechtrückt, was wirkt, als hätte er aufgegeben und sich außerdem offenbar unbeobachtet fühlt. Wir besteigen den Wall und nachdem bei dem Haus auch jemand gut sichtbar vor der Gartentür steht und dabei vergleichsweise nett aussieht, entscheiden wir uns für den bekannten Weg – Trillerpfeifchen in Bereitschaft. Nach ein paar Schritten kommt uns ein Motorrad entgegen, die Unsicherheit wird schon wieder weniger.
Nach etwa drei Viertel des Weges sehen wir allerdings den schwarz maskierten Kameraden im Gebüsch links von uns; sitzend und offensichtlich auf uns lauernd. Wir gehen flott weiter, ich sehe durch ein Loch im Gebüsch dem wahrscheinlich nicht mehr als 25 Jahre alten Mann ins Gesicht, das nur noch aus Augen und Nase besteht, die aus der Öffnung seines T-Shirts lugen. Wir beginnen zu laufen und beim nächsten Blick zurück ist schon eine mit Machete oder Knüppel bewaffnete Person mit zehn Metern Abstand hinter uns her. Wir beginnen zu rennen, Angelika ihr Trillerpfeifchen zu benutzen und schon erreichen wir die Kurve. Der Maskierte verschwindet wieder und wir erreichen unbeschadet aber mit Puls 200 das Haus, vor der völlig unbeeindruckt der ältere, aber nette Herr steht, der uns erst auch gar nicht weiter beachtet. Erst als ihn Angelika anspricht und kurz umreißt, was geschehen ist, ist er ganz aus dem Häuschen und erklärt uns, dass hier gerne mal die Vagos (meist arbeitslose, manchmal drinkende Unruhestifter; sehr oft auch Bandenmitglieder) unterwegs wären, “auch mit Messer und Aufschlitz-Handbewegung“. Als wir uns dann vom Ort des Geschehens entfernen, kommt die gesamte Familie aus dem Haus, der alte Mann zeigt in Richtung Fluss und erklärt vermutlich, wieso da jetzt zwei Ausländer ganz aufgeregt vorbeigekommen sind.
Rückblickend lässt sich aber auch von Glück und absolut dummen Banditen sprechen. Wir haben in der “Nachbesprechung” einige Fehler ihrerseits und sogar unsererseits entdeckt. Zum Beispiel haben wir verabsäumt uns mit einem der reichlich vorhandenen Steinen zu bewaffnen. Der Bandit hat aus irgend einem, uns unklarem Grund verabsäumt früh genug aus seinem Hinterhalt zu kommen, was uns so unbewaffnet vor ein gewaltiges Problem gestellt hätte.
Jetzt verstehen wir auch, wieso es hier ständig Meldungen über Banden und Überfälle gibt, die bisher als Unfug oder Übertreibung abgetan wurden. Wir haben jetzt bis auf Weiteres sämtliche selbstständigen explorativen Tätigkeiten eingestellt und der Drang danach wird sich vorraussichtlich auch – zumindest in nächster Zukunft – nicht so schnell wieder melden. Heute Abend jedenfalls gehen wir mit Rey Antonio, dem Sohn von Martha (der normalerweise in Managua wohnt, aber heute auf Besuch da ist) noch fort .
Natürlich mit mehreren Menschen, die dann fast alle Nicas sind und natürlich ein bisschen besser als diese naiven Touristen Bescheid wissen, wo man hingehen kann und wo nicht . Wir geben nicht kleinlaut bei .
Also, braucht euch keine Sorgen machen, wir haben das jetzt wieder im Griff.
Und die Umfrage nicht vergessen
Saltamonte
Hier bin ich wieder.
Der 2. November ist hier ein absoluter Zum-Friedhof-geh-Tag. Es wird schon seit einer Woche Blumengesteck aus Blumen oder Papier gebastelt und verkauft, die seither auf Käufer und ihr Ende als Dekoration auf dem Grab von Angehörigen warten. Wir schauen uns das am Nachmittag natürlich auch an, da ist allerdings “nicht mehr so viel los”. Was ungefähr zehn Verkäufer und fast 100 Menschen vorm und im Friedhof bedeutet. Es wird, ganz nach Jahrmarktstradition Zuckerwatte, Popcorn und anderes Esszeugs verkauft. Es kommen mittels öffentlichen und kleinen, privaten Bussen auch viele Menschen aus den umliegenden Gemeinden um ihre hier begrabenen Verwandten zu besuchen.
Der Friedhof hat keine gekennzeichneten Wege, man geht machmal unabsichtlich über Gräber, die oft nur aus einem kleinen Holzkreuz bestehen. Sehr wenige Gräber sind auch mit Zaun oder gar kleinem Eisendach verziert, aber die Mehrheit der Gräber hat nur Eines gemein: Blumen. In tranparenten Plasticksäcken eingeschweißte Blumenringe auf den Kreuzen, lose Blumenblätter am Boden. Die ärmeren Gräber sind nur mit selbstgepflückten Blumen geschmückt.
Und gerade eben, mitten am Nachmittag ist es richtig gefährlich geworden …
Angelika und ich gehen auf der Suche nach einer passenden DVD für die Filmnacht zum Hauptplatz, nur um festzustellen, dass das einzige Geschäft in Condega, das diese anbietet geschlossen hat. Aber wenn man schon mal auf den Beinen ist, kann man auch gleich noch ein bisschen spazieren gehen. Also auf zum Fluss, dort kennt Angelika eine fesche Stelle, war dort schon mal alleine auf Entdeckungsreise. Nach etwa einer halben Stunde herumsitzen, reden und Fotos machen schaut Angelika auf einmal angespannt in die Richtung, der ich den Rücken zugekehrt habe und sagt, da seien zwei maskierte Männer. Ich drehe mich um und sehe gerade noch einen der Beiden im reichlichen Ufergestrüpp verschwinden. Ich packe meine Kamera ein, Angelika ein knallrotes Trillerpfeifchen aus und wir verlassen in entgegengesetzte Richtung den “Strand”. Ständig nach hinten blickend, ob die Beiden denn näher kommen. Bis wir die Straße erreichen, passiert überhaupt nichts mehr, wir denken schon, wir hätten sie abgeschüttelt. Auch so wirklich unsicher fühlen wir uns noch nicht, ist die vermeintliche Gefahr doch fast 100 Meter hinter uns.
Da wir die Straße aber an einer anderen Stelle erreichen, als wir sie verlassen haben, müssen wir uns entscheiden, ob wir weiter weg gehen, oder doch wieder ein bisschen in ihre Richtung zurückgehen, wo wir wissen, dass in nach weniger als 100 Metern die Bäume aufhören und nach einer Rechtskurve 50 Meter weiter das erste Haus steht. Das Haus ist aber wegen einem Hochwasserschutzwall, über den die Straße führt noch nicht sichtbar. Dafür jedoch einer der Maskierten, der gerade seine Maske, also sein weißes, hochgezogenes T-Shirt ein bisschen zurechtrückt, was wirkt, als hätte er aufgegeben und sich außerdem offenbar unbeobachtet fühlt. Wir besteigen den Wall und nachdem bei dem Haus auch jemand gut sichtbar vor der Gartentür steht und dabei vergleichsweise nett aussieht, entscheiden wir uns für den bekannten Weg – Trillerpfeifchen in Bereitschaft. Nach ein paar Schritten kommt uns ein Motorrad entgegen, die Unsicherheit wird schon wieder weniger.
Nach etwa drei Viertel des Weges sehen wir allerdings den schwarz maskierten Kameraden im Gebüsch links von uns; sitzend und offensichtlich auf uns lauernd. Wir gehen flott weiter, ich sehe durch ein Loch im Gebüsch dem wahrscheinlich nicht mehr als 25 Jahre alten Mann ins Gesicht, das nur noch aus Augen und Nase besteht, die aus der Öffnung seines T-Shirts lugen. Wir beginnen zu laufen und beim nächsten Blick zurück ist schon eine mit Machete oder Knüppel bewaffnete Person mit zehn Metern Abstand hinter uns her. Wir beginnen zu rennen, Angelika ihr Trillerpfeifchen zu benutzen und schon erreichen wir die Kurve. Der Maskierte verschwindet wieder und wir erreichen unbeschadet aber mit Puls 200 das Haus, vor der völlig unbeeindruckt der ältere, aber nette Herr steht, der uns erst auch gar nicht weiter beachtet. Erst als ihn Angelika anspricht und kurz umreißt, was geschehen ist, ist er ganz aus dem Häuschen und erklärt uns, dass hier gerne mal die Vagos (meist arbeitslose, manchmal drinkende Unruhestifter; sehr oft auch Bandenmitglieder) unterwegs wären, “auch mit Messer und Aufschlitz-Handbewegung“. Als wir uns dann vom Ort des Geschehens entfernen, kommt die gesamte Familie aus dem Haus, der alte Mann zeigt in Richtung Fluss und erklärt vermutlich, wieso da jetzt zwei Ausländer ganz aufgeregt vorbeigegangen sind.
Rückblickend lässt sich aber auch von Glück und absolut dummen Banditen sprechen. Wir haben in der “Nachbesprechung” einige Fehler ihrerseits und sogar unsererseits entdeckt. Zum Beispiel haben wir verabsäumt uns mit einem der reichlich vorhandenen Steinen zu bewaffnen. Der Bandit hat aus irgend einem, uns unklarem Grund verabsäumt früh genug aus seinem Hinterhalt zu kommen, was uns unbewaffnet vor ein gewaltiges Problem gestellt hätte.
Jetzt verstehen wir auch, wieso es hier ständig so viele Schreckensmeldungen gibt, die bisher als Unfug oder Übertreibung abgetan wurden. Wir haben jetzt bis auf Weiteres sämtliche selbstständigen explorativen Tätigkeiten eingestellt und der Drang danach wird sich vorraussichtlich auch – zumindest in nächster Zukunft – nicht so schnell wieder melden. Heute Abend jedenfalls gehen wir mit Rey Antonio, dem Sohn von Martha (der normalerweise in Managua wohnt, aber heute auf Besuch da ist) noch fort .
Natürlich mit mehreren Menschen, die dann fast alle Nicas sind und natürlich ein bisschen besser als diese naiven Touristen Bescheid wissen, wo man hingehen kann und wo nicht . Wir leben also noch und ziehen uns nicht völlig zurück .