Der Bund fürs Leben ...
... dachte ich, wäre meine Ehe gewesen, bis ich eines Besseren belehrt wurde. Mein Mann ging – meine Freundinnen blieben. Freundinnen waren mir schon immer wichtig und wäre ich in Wolfsburg geblieben, wäre ich noch immer meiner Grundschulfreundin Sabine hinterhergelaufen (auch wenn sie mit mir Scheidungskind nicht mehr spielen durfte). Wenn man eine große Erschütterung erlebt und mit Freunden nicht nur gelacht, sondern auch geweint hat, bekommt Freundschaft plötzlich noch eine weitere Dimension. Sie kann Lebensretter sein. Ich habe das große Glück, gleich zwei tolle Frauen als beste Freundinnen zu haben.
Mit Steffi habe ich sogar mal zusammen in wilder WG gelebt. Bevor wir Mütter wurden. In jedem Fall haben wir zusammen gelitten, sind gut im zusammen Weinen, beim Streiten und noch besser im zusammen Lachen. Erst neulich wieder im Film „Der Vorname“. Es ist schön, an den gleichen Stellen eines Films zu lachen. Der Soziologe Ferdinand Tönnies spricht von einer „Gemeinschaft des Geistes“. Mindestens 50 Stunden muss man miteinander verbracht haben, damit aus einer Bekanntschaft eine Freundschaft wird. Damit meinen die Soziologen sicherlich nicht Facebook- oder Instagram-Zeit. Vielmehr echte Begegnungen und Erlebnisse. Nie werde ich vergessen, wie Steffi mir vor dem Van-Morrison-Konzert im Stadtpark einen Hasch-Cookie andrehte. Und mir später im legendären Kochsalon auf dem Kiez die Beine versagten. Als wir am Wochenende Rhabarberkuchen von Bodos Bootssteg aßen und mit Polly ihrem sich in jeder Pfütze wälzenden Labrador um die Alster spazierten. Wie wir mit Sandra Bullock um die Wette lachten und unser Interview verhagelten und mit Kenneth Brannagh nachts über den Markusplatz tanzten. Oder mit Udo Kier in einer Bar in Cannes versackten.
Natürlich gab es auch immer mal Drama, wo große Nähe herrscht, da walten stets tiefe Emotionen. Und ab und zu herrschte auch mal Sendepause. Trotzdem haben wir uns nie ganz aus den Augen verloren und selbst wenn wir in unterschiedlichen Lebenssituationen stecken, haben wir gemeinsame Schnittmengen wie unsere Liebe für John Irving oder die Magie der Mode. Auch ich hätte gern wie sie eine Yoga-Ausbildung gemacht und würde viel lieber in Ottensen wohnen, als am Klosterstern. Eine Kindheit auf Sylt stelle ich mir auch schöner vor, als in der Autostadt Wolfsburg. Und Steffis Talent sich auszudrücken, kann mich zu Tränen rühren oder himmelhochjauchzend stimmen. Ihre Gabe inspiriert mich und ich glaube echte Freundschaft ist, wenn man mit Stolz anstelle von Neid auf die Erfolge des Anderen schaut. Ihr Empathievermögen gegenüber Mensch und Tier ist grenzenlos und ich kenne nur sehr wenige Menschen, die buchstäblich ihr letztes Hemd für einen anderen Menschen geben würden.
Meine andere Freundin Vera ist auch so – hat immer die Ruhe weg und ist mein Fels in der Brandung. Es war Liebe auf den ersten Blick. Dabei kannte ich ihren Ex-Freund zuerst. Als ich Vera zum ersten Mal sah wusste ich: Diese Frau muss ich kennenlernen! Ich habe sie dann bis nach Lech regelrecht gestalkt, bis sie sich erbarmt hat mich zu treffen. Zum Dank habe ich sie dann mit meinem besten Freund verkuppelt. Das Ergebnis: drei wunderbare Kinder, eine gemeinsame Firma und einen Hund Humphrey. Parallel haben wir Kinder bekommen und wen wundert’s: auch sie sind eng befreundet und wachsen fast wie Geschwister auf. Auch Vera bewundere ich – nie hat sie schlechte Laune und ist eine echte Rheinländische Frohnatur. Sie ist der organisierteste Mensch, den ich kenne und ihre langen Listen sind legendär. Auch ihr Aufräumtick. Ihre Energie ist grenzenlos und als sie mir neulich erzählte, dass sie nach einem 12 Stunden Dreh via Skype aus Afrika mit ihrem Sohn noch Latein geübt hat, verschlägt es mir schon mal die Sprache. Vera kann man überhaupt nicht pieksen oder ärgern. Sie killt mich mit ihrer „kindness“ und ich liebe es, sie zum Lächeln zu bringen. Dann sehe ich ihre Grübchen und mir geht das Herz auf. Natürlich verliert auch sie mal die Contenance bei ihren drei Söhnen – aber das hält nie lange an und ich finde das sehr beruhigend, denn mir platzt auch gern mal der Kragen. Die schönste Zeit haben Vera und ich gerade jetzt. Sie hat sich ein Sabbatjahr genommen und nun laufen wir jeden Morgen mit Humphrey um die Alster. Nie ist sie bewertend oder sagt mir, was ich tun soll beiziehungsweise besser lassen sollte. Vielmehr stellt sie Fragen über deren Antworten ich lange nachdenken muss. Sie ist in ihrer Kritik immer sehr sanft und behutsam und das schätze ich über alle Maßen an ihr. Zu Weihnachten hat sie mir das schönste Bild von uns gerahmt und mir so einen tollen Brief geschrieben, dass ich eine Träne verdrücken musste. Vera weint dann immer mit und die Kinder machen dann immer ihre Sprüche. Aber es ist einfach schön so tiefe Emotionen zu haben und diese Verbundenheit gibt Sicherheit. Es ist ein Fundament – und ein Sprungbrett von dem aus wir in die Welt springen können. Auch in unvernünftige Abenteuer.
Meine Freundinnen können mich häufig besser erklären als ich mich selbst und über die Jahre sind wir so etwas wie lebendige Tagebücher füreinander geworden. Steffi war mir immer eine Nase voraus: Ob mit Heirat, Kinderkriegen oder Trennung - und ich durfte mich immer an ihrer dem Leben geschuldeten Weisheiten erfreuen und spiegeln. Niemand darf mir so schonungslos ehrlich, ja manchmal sogar distanzlos den Spiegel vorhalten wie meine besten Freundinnen. In Zeiten, als alles um mich zusammenbrach, waren sie für mich da und zwar Tag und Nacht. Stundenlange Telefonate, tränenreiche Tagungen an Küchentischen und vorsichtiges wieder Laufen lernen – dies alles begleiteten meine Freundinnen mit unendlicher Geduld, viel Trost und Kontakten zu Therapeuten und Astrologen. Nur wer einmal auch die Tiefebene einer Gefühlslandschaft zusammen durchwandert hat, weiß wie der andere tickt, wenn er nur seine Stimme hört oder in seine Augen sieht. Freundschaften sind niemals statisch und auch sie sind von verschiedenen Lebensumständen beeinflusst und nur wenn man immer bereit ist, den Kern eines geliebten Menschen zu sehen, lässt man sich von Ablenkungsmanövern, den Schutzpanzern und Patzern nicht ablenken. Übersteht Spannungen, sogar Kränkungen und verzeiht sich gegenseitig Fehler. Für mich geht es in Freundschaften auch darum, sich mit seinen Spleens und charakterlichen Schwächen trotzdem zu lieben. Und eigentlich ist das „trotzdem“ überflüssig. Wir haben alle unsere Schwächen. Neulich las ich bei Steffi in der Küche auf der Kühlschranktür auf einem Klebezettel den Spruch „Der Mantel der Liebe bedeckt alle Fehler.“ Eine inspiriernde Affirmation fürs neue Jahr ...
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