Darf man sich über den Tod Adolf Hitlers freuen, fragte sich das Fernsehgericht bei Anne Will pünktlich zum 66. Jahrestag der Niederlage des Massenmörders. Geladen waren neben dem Amerikaner John Kornblum, der Historiker Michael Wolfsohn, der Journalist Ulrich Kienzle, der Philosoph Richard David Precht und die SPD-Politikerin Hertha Däubler-Gmelin, die vor Jahren mit einem sogenannten Hitler-Vergleich versteckte Kritik am damaligen US-Präsidenten George W. Bush geübt hatte.
Das „Ich freue mich“ der Kanzlerin, urteilte Richard Precht eingangs, sei die Merkelsche Standardformulierung für sinkende Arbeitslosenzahlen, Halbfinals und so weiter, weswegen es ihr auch diesmal leicht über die Lippen gegangen sei. Dabei halte er es für völlig unpassend, sagte Precht, vom Kopfnicken Däubler-Gmelins begleitet. Eindeutig hätten die USA versuchen müssen, Hitler festzunehmen. Dass das nicht geschehen sei und der Diktator vor der Festnahme starb, könne kein Grund zur Freude sein. Schließlich gehe es um ein Menschenleben. Über Geschmacklosigkeit lasse sich leider nicht streiten, auch nicht in diesem speziellen Fall eines Massenmörders. „Ich könnte mir vorstellen, dass ein getöteter Hitler für die USA besser ist als ein lebender: So muss man keine Anschläge fürchten, die das Ziel haben, ihn freizupressen.“
Hingegen bei völligem Unwissen schon und zwar gerade aufgrund völligen Unwissens. War es von vornherein die Absicht der Amerikaner, Hitler zu töten? Wir wissen es nicht. Spielte der Führer, eingegraben in einen Bunker in Berlin, am Ende des Krieges wirklich noch eine operativ entscheidende Rolle? Wir wissen es nicht. Nicht einmal, ob seine Gefangennahme moralisch und im Sinne des Rechtsstaats erfreuliche Folgen gehabt hätte, wissen wir. So wenig wie wir die Zahl der Erpressungsversuche kennen, die ihr gefolgt wären.
Däubler-Gmelin lobte die Entführung des Nazi-Kriegsverbrechers Adolf Eichmann aus Südamerika. Die zeige, was möglich sei, wenn ein Rechtsstaat sich nicht an das Völkerrecht halte. Hier sei ein Prozess geführt worden, genau so habe sie sich das auch im Falle Hitler gewünscht.
Nicht nur der Journalist Ulrich Kienzle, sondern auch Gastgeberin Anne Will bekamen da glänzende Augen: Statt einer Woche hätte man medial mehrere Jahre von einem Hitler-Prozess leben können. Das zeige der Kachelmann-Prozess. Eventuell sogar so lange, bis der Führer seine Strafe verbüßt gehabt hätte. Sicher wäre Hitler dann mit einem fertigen Manuskript für "Mein Kampf III" aus dem Gefängnis gekommen und auf Lesereise gegangen. Speer und Dönitz stehen hier als Beispiel, beide konnten nach Absitzen ihrer Strafe ohne Sicherungsverwahrung auf freien Fuß gesetzt und in die Gesellschaft rückintegriert werden.
Die Todesstrafe sei ja in Deutschland abgeschafft, in den USA werde sie dagegen noch angewandt, sagte Anne Will. Eventuell sähen die Menschen die Dinge dort deshalb anders? Däubler-Gmelin mochte da nicht streiten, sie wisse es nicht. Precht erinnerte sich, dass es um ein Menschenleben gehe. Frau Merkel habe ihr Versagen in der Libyen-Frage, wo sie sich wie seinerzeit Frau Däubler-Gmelin in Sachen Irak geweigert hatte, deutsche Truppen für Angriffe bereitzustellen, mit dem Jubel über den Tod Hitlers bemänteln wollen. Er sehe hier ganz klar ein "Heranschmeißen an die USA". Die Sache selbst ändere gar nichts, denn mit Hitler sei nur ein Symbol beseitigt worden, nicht aber der Faschismus. Eine Einschätzung, die Ulrich Kienzle vorbehaltlos teilte. Der und eine düstere Prognose äußerte: "Wir müssen lernen, mit dem Terrorismus zu leben".