Freude über die natürliche Endlichkeit

Wie ist das eigentlich? Nehmen wir doch mal an, ein gewisser Herr Thilo S. aus B. - wir bleiben relativ namenlos, weil wir so etwas wie Anstand besitzen! - würde in einigen Wochen plötzlich und überraschend in seinem Schlafgemach verstorben sein. Sagen wir mal, es wäre ein Herzinfarkt gewesen - kein Mord! Meine - unserer aller - Phantasie soll ja kein billiger Krimi sein. Nehmen wir also an, Herr Thilo S., ein ausgesprochen knorriger und böser Mensch, rückständig im Denken, beleidigend und ehrabschneidend in seinem Auftreten, er wäre friedlich zwischen Bettzeug verschieden. Dürfte ich dann äußern, dass ich mich darüber freue? Dürfte ich ein Festchen feiern und ein Fässchen öffnen?

Nehmen wir das doch nur mal an. Ganz egal, was Herr S. aus B. getan hätte, sagen wir einfach nur, er war ein böser Mann - das sollte für das kleine, etwas pietätlose Gedankenspiel völlig ausreichen. Wobei es nur wenig gegen Pietät verstößt, denn wir ziehen keine konkrete Person heran, wie haben nur einen S. aus B. - mit Vornamen Thilo, weil wir doch etwas konkrete Menschlichkeit in die Abstraktion einfließen lassen wollen. Dieser böse Mann verstirbt also plötzlich und überraschend - ich würde aber nicht sagen "plötzlich und überraschend" sondern "Gott sei dank und freudigerweise", würde daraufhin bei Facebook ankündigen, dass hier und heute eine kleine Party stattfindet, Speis' und Trank, dazu als Requiem sozusagen, Laune machende Musik - wer will, so würde ich schreiben, bringt seinen Karaokeapparat mit. Und selbstverständlich darf auf das Ableben dieser abstrakten Person angestoßen werden!

Stellen wir uns das also alles mal schemenhaft vor. Läse man denn dann tagsdrauf in der Zeitung mit den vier großen Runen, dass da ein irrgewordener linker Blogger geschmacklose Orgien auf Herrn S.'s Ableben abhielt? Würden Leute wie Blome oder Quoos lauthals ins Moralisieren verfallen? Würde sich Wagner zu einen Gutmenschen wandeln, der moralisch über mich richtete? Welcher der Herren würde mich zuerst einen asozialen Kommunisten nennen, der womöglich auch Kinder frisst? Aufmacher dann: "Skandal! Verrückter Blogger feiert Tod des bösen Mannes aus B."? Und einige Tage später: "Lebt der Mescalero wieder?" Nicht mehr in Göttingen, so würde Blome oder sonstwer kritzeln, jetzt in Ingolstadt - "Kommt die RAF zurück?" oder "Ist der Ingolstädter Mescalero ein Anhänger des Terrors?"

Und der linke Spinner mit Feierlaune, meine Person, er würde befragt - abends im Boulevard-Fernsehen, das sich ja immer nach dem richtet, was die vier Runen täglich so von sich werfen. "Er feierte die tödliche Herzattacke des Herrn S. - wir haben ihn exklusiv befragt!" Was würde ich denn sagen? Vielleicht würde ich den Mescalero von einst etwas abwandeln: "Meine unmittelbare Reaktion, meine "Betroffenheit" nach dessen Ableben ist schnell geschildert: ich konnte und wollte (und will) eine klammheimliche Freude nicht verhehlen. Ich habe diesen Typ oft hetzen hören, ich weiß, das er bei der Verfolgung und Kriminalisierung von Erwerbslosen und Migranten eine herausragende Rolle spielte." Ich würde aber nachlegen, dass sich der Mescalero damals ausdrücklich (was damals vertuscht wurde!) gegen Gewalt äußerte. Er schrieb: "Unser Weg zum Sozialismus (wegen mir: Anarchie) kann nicht mit Leichen gepflastert werden." Und ab da würde es gefährlich, weil das böse S-Wort gefallen wäre - noch hätte ich mich aus der Bredouille winden können, aber mit dem S-Wort: Aus! Ende! Endgültig diabolisiert! Und dies, obwohl ich keinen Gewaltakt bejubelt hätte, sondern nur die Segnungen der Natur, die zuweilen welche ins Gras beißen lassen... die Frau, die derzeit unter mir als Wähler Bundeskanzlerin ist, sie hätte sich an der Gewalt erfreut; ich nur an der natürlichen Endlichkeit des Menschen. Wie sanftmütig ich doch wäre im Gegensatz zu dieser Frau!

Ich freue mich darüber, dass S. verstorben ist! Was wäre dann nur los? Solche Äußerungen, würden sie schreiben, dürfen nicht ungestraft bleiben. Ein Richter, stellt ihn vor einen Richter!, würden sie schreien. Des guten Geschmacks wegen! Aus Achtung vor dem menschlichen Leben! Darf man sich über den Tod eines Menschen freuen?, würden Feuilletonisten fragen. Nein, darf man nicht!, würden sie sich ihre Frage schroff selbst beantworten - und es wären die gleichen, die einige Wochen zuvor noch schrieben, dass man es doch dürfe...


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