Spekulanten. Hedge Fonds. Neoliberale. Globalisierung. Leerverkäufer. Banken. Märkte. In lustigem Wechsel treiben Erklärbären wie Gregor Gysi, Peer Steinbrück, Wolfgang Schäuble und unzählige andere die Schuldsauen durchs Dort, seit die Rechnung für das mit billigem staatlichen Geld erkaufte Dauerwachstum der 90er und 2000er Jahre vorliegt. Nein, nein, das System war es nicht, obwohl es eben genau auf Innovation und Zerstörung beruht. Und nein, nein, die Politik war es auch nicht, obwohl die in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten ausgiebiger denn je versucht hat, die unumgänglichen zyklischen Krisen des kapitalistischen Wirtschaftens mit niedrigen Zinsen zu bekämpfen, als könnte ein heißgelaufener Motor mit mehr Benzin im Tank dazu gebracht werden, weiter immer schneller zu laufen.
Der gesunde Menschenverstand sagt, dass das nicht geht. Die Politik behauptet weiter, dass es möglich ist. Beim Bankhaus Rott findet sich zum Thema eine Situationsbeschreibung, die auch von ökonomischen Laien nachvollzogen werden kann. Von wegen, niemand versteht das mehr! Es ist eigentlich ganz einfach: "Seit den 60ern lag die Wachstumsrate der öffentlichen Verschuldung höher als die der Wirtschaftsleistung", heißt es im Text mit dem Titel "Im okönomischen Fantasialand", der am beispiel der USA erzählt, wie die Grundzusammenhänge zwischen Staatsverschuldung, Wachstum und Finanzkrise verstanden werden müssen.
Zahlen, mit denen niemand prahlen wird: "Im Mittel nahm die öffentliche Hand in den vergangenen fünf Jahren für jeden Dollar Wachstum drei Dollar an weiteren Schulden auf." Mit anderen Worten ging Wachstum also einen Weg, den kein vernünftiger Mensch beschreiten würde: Um die Voraussetzungen zu schaffen, einen Euro mehr zu verdienen, drei Euro Schulden aufzunehmen. Ein Prinzip, das nichtsdestotrotz auch in Deutschland Staatsräson war.
Was heute freilich weder Gysi noch Steinbrück noch Schäuble noch irgendein anderer Politiker zugeben würde. Denn "Hut ab", schreiben Rott und Meyer, "es gab einige mittlerweile insolvente Unternehmen des Neuen Marktes, die solider aufgestellt waren." Wohin auch immer der Staat die Gelder gepumpt habe, einen großartigen Ertrag brachten sie nicht ein, heißt es weiter. Weshalb noch mehr vom selben und immer mehr und noch mehr mobilisiert werden muss: Das wachstum, das nur theoretisch ist, weil es auf dem Verbrauch der Guthaben der Zukunft beruht, muss erhalten werden um den Preis, dass der Grenznutzen immer geringer wird, während die Rettungspakete immer gigantischere Ausmaße annehmen.
Ein Traum der Linken wird wahr, der Staat wird Gurkensalat, allerdings bald auch ohne Gurken. "Bemerkenswert ist dies vor dem Hintergrund, dass die nicht-staatlichen Sektoren die Verschuldung seit Anfang des Jahres 2009 um rund $2.000 Mrd. reduziert haben", schreiben Rott und Meyer und sie beschreiben damit, woher die Klage von Politikern rührt, die Politik habe ihr Primat verloren.
Nein, nicht verloren, sondern verkauft hat sie es. Verkauft für Wahlerfolge, verkauft für das Wohlverhalten des Volkes, verkauft für die Illusion, staatliche Plankomitees könnten das Prinzip von Innovation und Zerstörung aushebeln, Konkurrenz einhausen, Märkte durch staatliche Eingriffe über Zinsen zwingen, zu tun, was politisch opportun ist. Hätte es noch eines Beweises bedurft, zeigt die Krise, dass dem nicht so ist.
Bankhaus Rottmeyer. Im ökonomischen Fantasialand