Fremde Federn: Euro-Scheitern einfach erklärt

Seit Wulff wackelt, die NSU nicht mehr mordet und im Mittelmeer beinahe ein Kreuzfahrtschiff versunken wäre, ist der Euro ja eigentlich gerettet. Die Herde der Berichterstatter ist weitergetrabt, die Rettungsgipfel finden allenfalls noch telefonisch statt, die Fernsehgerichte bei Plasberg und Jauch beschäftigen sich mit Fastfood-Ketten und Bekleidungskonzernen. Wenige Stimmen nur nörgeln noch und wenige Blätter finden noch den Platz, Miesmachern eine Plattform zu bieten. Stefan Homburg von der Uni Hannover darf heute im „Tagesspiegel“ gegen das Staatstheater ätzen, das Europas Anführer seit nunmehr über zwei Jahren inszenieren: Fiskalunion und Schuldenbremse, Rettungsschirm, Hamonisierung und EZB-Unabhängigkeit – klar und deutlich wie nur selten spricht der Niedersachse aus, was von den vermeintlichen Bemühungen um „mehr Europa“ zu halten ist. „ Langfristig“, legt Homburg sich fest, „wird der Euro scheitern“.
Das komme, weil Anreize für die Akteure in der Währungsunion auch nach all den Rettungsgipfeln falsch gesetzt blieben. „Derzeit haben alle Länder einen Grund, unsolide Finanzpolitik zu betreiben“, heißt es. Schuldenländer wie Griechenland oder Italien wollten sich auf Kosten der reichen Länder sanieren, die wiederum hofften, dass sie unpopuläre Beistandszahlungen vermeiden können. Da Dilemma ist das altbekannte: Das Recht zur Verschuldung ist das wichtigste Recht aller Regierenden, „ihr wichtigstes Instrument, um die jeweilige Wiederwahl zu sichern“, sagt Homburg. So sei fast jeder Regierungschef ins Amt gekommen.
Der sogenannte Fiskalpakt sei denn auch nur „ein großes Theaterspiel“. Alle tun so, als ob, würden aber im Fall der Fälle natürlich immer die eigenen Interesse des Augenblicks höher werten als das Glück der Bevölkerung des Nachbarlandes oder eigener nachfolgender Generationen. Ob die deutsche Schuldenbremse jemals funktionieren werde, sei deshalb höchst unsicher, glaubt Stefan Homburg, der dazu nicht einmal das Beispiel der amerikanischen Schuldenbremse bemühen muss, die seit Jahrzehnten existiert, nur um immer wieder in einem angespannten Ringen zwischen Regierung und Opposition gelöst zu werden. Nein, das vorbildliche Deutschland selbst liefert die Vorlage: „Finanzminister Wolfgang Schäuble versucht ja bereits, die deutschen Regeln aufzuweichen.“ Denn das lehre die Geschichte: „Irgendetwas kommt der Politik immer dazwischen, etwa eine Rezession oder eine politische Krise.“
Politiker von heute und ihre Wähler wollen sich möglichst viel Geld sichern – zulasten künftiger Generationen. „In der EU kommt ein internationales Verteilungsproblem hinzu: Jedes Land möchte vom europäischen Kuchen ein möglichst großes Stück. Die Schuldenmacherei per Vertrag oder Gesetz zu beschränken, ist noch nie gelungen. Die Politik bricht systematisch alle Regeln, um an Geld zu kommen.“ Das zeige die die Historie des Euro eindrucksvoll: „Deutschland und Frankreich haben den Stabilitätspakt gebrochen, Griechenland hat seine Schulden verfälscht. Trotz des Verbots in den EU-Verträgen helfen die Länder einander mit Milliardensummen. Und die rechtlich gebotene Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank hat die Politik im Handstreich kassiert.“ Als der Maastricht-Vertrag verhandelt worden sei, hätten die deutschen Schulden bei gut 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gelegen, heute seien es rund 80 Prozent. Eine Umkehr sei nicht zu sehen: „Die Regierung verteilt ja viele Wohltaten: Rentenerhöhung, Betreuungsgeld, Subventionen für die Häusersanierung und so weiter. Und 2012 will Schwarz-Gelb erneut mehr Schulden machen.“
Alles Übrige im „Tagesspiegel“


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