Freiheit für und von Religion

Ich habe den Kollegen von “Die Freiheitsliebe” ein Interview gegeben, in dem ich etwas über die Gründe für mein Bloggen erzähle. Und weil ich denke, dass das auch für den einen oder anderen hiesigen Leser von Interesse sein könnte… Nic Frank

Nic Frank

Die Relevanz von Blogs in Deutschland nimmt zu, immer mehr vor allem junge Menschen lesen Blogs und sehen sie als Gegenmedium, zu dem eta­blier­ten Mainstreammedien. Die meis­ten Blogs sind deut­lich spe­zia­li­sier­ter als große Zeitungen, wir haben des­halb mit dem Betreiber eines der größ­ten reli­gi­ons­kri­ti­schen Blogs in Deutschland, Nics Bloghaus, über Religion und Religionskritik gespro­chen.

Die Freiheitsliebe: Du betreibst einen der größ­ten deut­schen Blogs, die sich mit Religion und Religionskritik beschäf­ti­gen. Wie bist du zum blog­gen gekom­men?

Nic Frank: Danke erst ein­mal für das Kompliment. Ich nehme das so gar nicht wahr und ver­su­che alles Mögliche und Unmögliche, um das Bloghaus bekann­ter zu machen.

Wie ich dazu gekom­men bin? Das kann ich nicht so ganz genau sagen: ich denke, ich habe ein­fach die Möglichkeit wahr­ge­nom­men, als sie sich tech­nisch anbot. Ich schreibe schon seit mei­ner Jugend – und das ist schon ein paar Tage her.

Anfang der 90iger habe ich das Internet für mich ent­deckt – damals gab es noch kein www – und habe aktiv in Newsgroups geschrie­ben. Als dann die ers­ten Blogsysteme das ein­fa­che Bloggen ermög­lich­ten, war ich dabei. Das war vor etwas mehr als sie­ben Jahren. Wenn ich nicht irre, ging mein ers­tes Bloghaus am ers­ten April 2006 an den Start. Und genau vier Jahre spä­ter bin ich auf WordPress umge­stie­gen – und nutze es noch immer.

Habe ich anfangs einen, maxi­mal zwei Artikel pro Tag gehabt, bin ich heute eini­ges pro­duk­ti­ver. Das ist wie über­all: mit dem Zuspruch kommt auch der Anspruch an sich selbst. Wenn man beginnt, schreibt man für sich und drei Freunde, die einen ken­nen. Doch spä­tes­tens dann, wenn man sich einen Leserstamm auf­ge­baut hat, der auch aus „Fremden“ besteht, möchte man seine Leser nicht mehr ent­täu­schen. Vor nem Freund kannste dich ent­schul­di­gen und faul sein; vor Dritten nicht mehr.

Das Schreiben hilft mir manch­mal selbst, mit mir ins Reine dar­über zu kom­men, was ich denke, was ich fühle, wo ich stehe. Dass ich das zum Teil auch öffent­lich mache, mag ver­wun­dern. Aber dabei geht es ja immer auch um mei­nen Standpunkt in der Welt. Und nur äußerst sel­ten um meine pri­va­ten Dinge. Die bewäl­tige ich zwar auch durch das Schreiben; diese Texte werde ich aber ganz sicher nicht öffent­lich machen.

Inzwischen habe ich aus dem Bloggen ja mei­nem Beruf gemacht. Meine Berufung ist das Schreiben ja sowieso. Und ich arbeite seit eini­gen Jahren für den hpd (Humanistischen Pressedienst) – in vier Wochen werde ich von mei­nem Freund und bis­he­ri­gen Chefredakteur Carsten Frerk eben die­sen „Job“ über­neh­men. Und: ja, dar­auf bin ich stolz und das macht mich glück­lich. Das wird natür­lich auch Auswirkungen auf den Blog haben – der wird wohl ein wenig dar­un­ter lei­den, denn ich werde weni­ger Zeit für ihn auf­brin­gen kön­nen.

Das ist aber nicht wei­ter tra­gisch: denn die Themen ähneln sich ja.

Wieso haben Religion und Säkularismus eine so wich­tige Rolle auf dem Blog?

Dir ist ver­mut­lich nicht klar, wie schwie­rig diese Frage für mich zu beant­wor­ten ist?

Es ergab sich so. Das klingt irgend­wie selt­sam, wenn man bedenkt, dass diese Themen mein öffent­li­ches Wirken bestim­men. Doch wie das so ist: ich bin schon immer ein poli­tisch den­ken­der und aktiv han­deln­der Mensch. Und eher durch Zufall als durch akti­ves Suchen fand ich zu den Brights spä­ter dann via Buskampagne zur Giordano-Bruno-Stiftung …und Voilá! da bin ich noch immer.

Sagen wir mal so: eigent­lich habe ich mit Religionen nichts am Hut. Und das soll vor allem hei­ßen: ich habe weder gute noch schlechte Erfahrungen mit ihnen gemacht. Ich bin „Geburts-Nichtgläubiger“. Das Wort „Atheist“ ver­meide ich dabei bewußt, da ich mich nicht dadurch defi­nie­ren möchte, dass ich GEGEN etwas bin.

Ich bin lie­ber FÜR etwas. Für die uni­ver­sel­len Menschenrechte. Und hier setzt meine Religionskritik an: mir per­sön­lich ist es völ­lig gleich­gül­tig, wer an wel­chen Gott glaubt – oder woran auch immer. Aber es kann mir nicht gleich­gül­tig sein, wenn die­ser Glaube schein­bar ver­langt, dass z.B. Frauen weni­ger wert sind als Kinder. Wenn sich reli­giöse Führer (oder die, die sich dafür hal­ten) in die Gesellschaft ein­mi­schen und ihre Glaubenslehren und Moralvorstellungen für die ein­zig rich­ti­gen hal­ten. Das kön­nen sie gern für sich selbst so hal­ten – von mir aus sol­len katho­li­sche Priester noch 2000 Jahre lang zöli­ba­tär leben. Aber dann bitte die Hände (und andere Körperteile) von Kindern las­sen.

Wenn irgend­ein Mullah meint, dass es gott­ge­ben sei, dass sich Frauen ver­schlei­ern, dann kann er das gern in sei­nem Kämmerlein vor sich hin den­ken. Wenn er aber ver­langt, dass sich Frauen an diese unter­drü­ckende Regel hal­ten; dann muss ich dage­gen anschrei­ben.

Noch ein­mal: solange sich die Menschen an die Regeln des Zusammenlebens hal­ten und – gut Preußisch – jeder nach sei­ner Fasson glück­lich wer­den kann, werde ich nicht wider­spre­chen. Selbst wenn mir Dinge dabei absurd vor­kom­men. Aber in dem Moment, wo sich Religion in das öffent­li­che Gemeinschaftsleben ein­mischt, werde ich gran­tig.

Was hoffst du mit den Artikeln zu dem Thema zu bewir­ken?

Aufklärung. Aufklärung. Aufklärung.

Ich will nie­man­den mis­sio­nie­ren. Aber ich möchte, dass die Menschen ler­nen, nach­zu­den­ken. Nicht nach­zu­be­ten. Und wenn es mir gelingt, einen ein­zi­gen Leser dazu zu brin­gen, eine Frage neu zu stel­len, hat das, was ich mache, einen Sinn.

Wie sieht dein Idealbild einer Gesellschaft aus?

Ich kann diese Frage nicht beant­wor­ten. Wirklich nicht. Ich weiß dazu viel zu wenig. Ich kann nur sagen, was ich mir wün­sche: Eine Gesellschaft, in der die Schere zwi­schen arm und reich klei­ner ist. In der auch die Schwachen eine Chance haben, am Reichtum der Gesellschaft zu par­ti­zi­pie­ren. Und damit meine ich nicht, dass auch die drin­gend ein fet­tes Auto haben müs­sen. Sondern dass sie sich Bücher leis­ten kön­nen; ver­nünf­ti­ges, gesun­des Essen; ein ange­mes­se­nes Dach über dem Kopf.

Bildung ist dabei das erste Ziel. Bildung, die über reine Wissensvermittlung hin­aus­geht. Menschens-bildung. Herzensbildung.
Ich wün­sche mir eine Gesellschaft, in der jeder zu dem wer­den kann, der er ist. In der nie­mand mehr Dinge tun muss, die ihm miß­ha­gen. In der jeder ein­fach er (oder sie) selbst sein kann.

Es ist ja kein Geheimnis, dass ich das Bedingungslose Grundeinkommen für einen Weg halte, die­ses Ziel zu errei­chen. Ich halte das vor allem für eine Utopie – an denen in unse­rer Zeit schwe­rer Mangel herrscht – eine, über die es nach­zu­den­ken lohnt.

Und – damit sich der Kreis schließt – solange irgend­wel­che reli­giö­sen Führer noch bei Fragen, die diese Gesellschaft drin­gend beant­wor­ten muss, als „Experten“ befragt wer­den, solange muss ich schrei­ben und manch­mal auch schreien. Denn eines ist sicher: mit die­sen Herren (und es sind meist Männer!) ist eine sol­che Gesellschaft nicht mach­bar. Religionen haben sich schon immer gegen Ände­run­gen gestellt. Das tun sie noch heut. Denn es geht hier knall­hart um die Machtfrage. Und davon hat bis­her noch nie­mand gelas­sen. Weder Kirchen noch Kaiser.

Hast du auf dem Blog auch schon Erfahrungen mit rech­ter Religionskritik gemacht, die sich in Deutschland vor allem gegen Muslime rich­tet? Wie setzt du dich mit die­ser aus­ein­an­der?

Ich wollte spon­tan ant­wor­ten: Aber natür­lich! – Doch wenn ich dar­über nach­denke, dass ich das für „natür­lich“ halte… dann weiß ich noch deut­li­cher, wel­che Gesellschaft ich will. Eine, in der für Ausgrenzungen kein Platz mehr ist. Die end­lich begreift, dass wir Menschen alle gleich sind.

Doch zurück zu Deiner Frage. Ja, auch rechte Spinner tau­chen bei mir auf und wol­len kom­men­tie­ren. Aber da gibt es zwei Hürden zu über­win­den: ers­tens: ich gebe (mit weni­gen Ausnahmen) alle Kommentare frei. Zweitens: ich lösche sie auch – selbst ältere Kommentare von Jemandem, der sich erst im Laufe der Zeit als Rechtspopulist her­aus­stellt. Doch ich bin da rela­tiv ent­spannt. Anfangs, als ich mich an diese Themen wagte, tra­ten die Spinner häu­fi­ger auf. Inzwischen hat es sich wohl auch unter denen her­um­ge­spro­chen, dass ich ihnen keine Plattform für ihren Hirndurchfall gebe. Heutzutage gibt es kaum noch sol­che Kommentare.

Ich habe – eben auch wegen sol­cher Kommentare – irgend­wann vor ein, zwei Jahren eine Serie gemacht, in der ich ganz genau defi­niere, dass ich sehr deut­lich unter­scheide zwi­schen Menschen, die reli­giös sind und der Religion als sol­che; als System.

Mir erscheint es über­aus wich­tig zu sein, klar­zu­stel­len: ich ver­achte oder miss­bil­lige kei­nen Menschen allein wegen der Tatsache, dass er gläu­big ist. Das ist jeden Menschens eigene Sache. So wirst Du bei mir auch keine Kritik an einem Moslem fin­den, WEIL er Moslem ist. Sehr wohl aber, wenn er erwar­tet, dass ich (oder wer auch immer) so den­ken oder glau­ben soll, wie er.

Welchen Wert hat Religionsfreiheit, wie wich­tig ist die die Trennung von Staat und Religion?

Die Frage erüb­rigt sich ja fast nach all dem, was ich bis­her gesagt habe.

Vielleicht noch das: zur Religionsfreiheit gehört auch, frei von Religion sein zu kön­nen – und zu dür­fen, ohne dafür scheel ange­se­hen zu wer­den. Das ist hier in Berlin ja nicht wirk­lich ein Problem. Aber ich kann Dir eine kurze Geschichte erzäh­len: als ich mit einem der MIZ-Macher sprach, wes­halb das Heftchen immer im Briefumschlag ver­sen­det wird (das kos­tet mehr), ant­wor­tete er mir, dass es in Bayern Leser gibt, die sich das Heft post­la­gernd zustel­len las­sen. Weil weder die Nachbarn oder in man­chen Fällen sogar die eigene Frau wis­sen dür­fen, dass solch blas­phe­mi­sches Zeug gele­sen wird.

Religionsfreiheit ist die Freiheit, zu glau­ben, was man will: an Gott, Jahwe oder Allah – oder eben auch an das Fliegende Spaghettimonster oder das unsicht­bare Einhorn. Aber es ist auch die Freiheit, das nicht zu tun; nicht zu glau­ben.

Damit eng zusam­men hängt die Frage nach der Trennung von Staat und Kirche. Ich rede jetzt nicht ein­mal über die Millionen, die der Staat an die Kirchen über­weist. Nicht über die Diskriminierung von kirch­lich Beschäftigten. Ich rede nicht ein­mal davon, dass in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkräten Kirchenvertreter sit­zen und kein Mitglied eines säku­la­ren Verbandes. Ich rede auch nicht dar­über, dass die Kirchen (grund­ge­setz­lich geschützt) an den Schulen eigene Schulfächer haben und reli­gi­ons­freier Werteunterricht kaum zu instal­lie­ren ist (mit Ausnahme von Berlin). Nein, all das wäre fast noch hin­zu­neh­men.

Das jedoch in allen deut­schen Parteien – und im Bundestag – die Kirchen noch immer als Ansprechpartner bei ethi­schen Fragen gel­ten; das ist der größte Skandal. Diese mora­li­sau­ren Gesellen wol­len in einer Gesellschaft, in der sich mehr als ein Drittel zu kei­ner Religion mehr beken­nen und selbst unter den auf der Steuerkarte als reli­giös ver­merk­ten Menschen nur noch wenige zu den grund­le­gen­den Glaubensgrundlagen beken­nen, in einer sol­chen moder­nen Gesellschaft wol­len die noch immer die Regeln bestim­men? Damit muss end­lich Schluss sein. Die Gesellschaft wäre viel­leicht noch nicht die ideale – aber sie wäre eine etwas gerech­tere.

Wir dan­ken dir für das Interview.

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