Einig waren sich alle Redner bei der Kundgebung vor der Demonstration Freiheit 4.0 – Rettet die Grundrechte!: Der Überwachungsstaat macht sich auch in unseren freiheitlich-demokratischen Ländern des Westens immer mehr breit. Von „schleichend“ kann dabei aber kaum noch die Rede sein.
Gleichzeitig sahen sie sich mit dem Fakt konfrontiert, dass selbst fünf Jahre nach den Snowden-Enthüllungen über die standardmäßigen Massenüberwachung nicht nur in Merkels „Neuland“ das Thema die Massen heutzutage nicht mobilisieren kann.
Auch gestern war der Gendarmenmarkt vor dem Konzerthaus nicht wirklich voll. Der Datenschutzverein Digitalcourage hatte gemeinsam mit einem breiten Bündnis gut 50 Organisationen recht kurzfristig zu der Protestaktion aufgerufen. Diesem Appell folgten leider nur einige Hundert Bürger.
„Liegt es am Regen?“, fragte sich der Aktivist Padeluun. Er zieht den Strohhalm, der auch in solchen Situationen noch bleibt: Letztlich komme es nicht darauf an, wie viele, sondern wer dabei sei. „Wir arbeiten seit Jahren an einem Thema, das irrsinnig langweilig ist“, erklärte Padeluun. „Es ist anstrengend, komplex und es gibt keine einfachen Lösungen.“
Ein Scheißgesetz nach dem anderen
Der GroKo warf der Aktivist vor, vor der Sommerpause „ein Scheißgesetz nach dem anderen“ durch den Bundestag gejagt zu haben. Darunter sei „so was wie ein Videoüberwachungsverbesserungsgesetz„ gewesen, was bei ihm „Schütteleffekt erzeugt“.
Videoüberwachung mit Gesichtserkennung
Jetzt gebe es in Berlin sogar ein biometrisches Gesichtserkennungsprojekt, um bald die flächendeckende Identifizierung von Passanten auszurollen. „Diese Überwachungsnazis machen einfach weiter“, empörte sich Padeluun. Es sei bald soweit, dass sich Freiheitsliebende „falsche Reisepässe besorgen“ müssten, um ohne Überwachung auszureisen. Wo es auf der Welt besser sei, lasse sich aber kaum noch beantworten.
Privatsphäre ist kein Verbrechen
„Wir sind ganz nah dran an Orwell“, warnte auch Frank Überall vom Journalistenverband DJV. Forschungsprojekte der EU wie beispielsweise „Indect“ zeigten, dass in Zukunft schon das „zweckfreie Flanieren“ als abweichendes Verhalten definiert werde.
Die Lektüre von Orwells „1984“ habe bei einigen wohl „die feuchten Träume des Überwachungsstaats“ erst ausgelöst. Gerade erst habe die Polizei etwa beim G20-Gipfel „Datenmüll produziert, um unsere Grundrechte mit Füßen zu treten“. Überall forderte alle Journalisten und kritischen Bürger auf, Selbstauskünfte beim Bundeskriminalamt (BKA) zu stellen. Privatheit sei kein Verbrechen.
Nach dem Umzug vor dem Konzerthaus hatte das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) zu einer „Festtafel der Freiheit“ geladen, um über den Erhalt von Bürger- und Grundrechten „in offener Runde bei einem Glas Wein“ zu diskutieren.
Damit wollte der Zusammenschluss an die Zeit des Hambacher Festes von 1832 erinnern, „in der Versammlungsfreiheit und von Bürgern und organisierte Demonstrationen hart erkämpft und Forderungen nach Freiheit noch als Bankett getarnt werden mussten“.
Befürworter von Staatstrojanern an den Pranger
Parallel zu der Demo in Berlin und einen Tag vor ihrem 11. Geburtstag startete die Piratenpartei den Prangerwettbewerb Volkstrojaner in den sozialen Medien im Internet.
Einen detaillierten Bericht von der Demo gegen den „faschistoiden Sicherheitswahn“ finden sie bei Heise.