Im Heft 1 – 13 (März 2013) der Zeitschrift „Freidenker” geht Dr. Horst Schild (Dresden) mit seinem Leitartikel „Vor 300 Jahren – Discourse of Free-Thinking” auf die Bedeutung von Anthony Collins und seines Buches sowie des Wirkens anderer früher Freidenker (William Coward, John Toland) für die Aufklärung und des atheistischen Bewußtseins ein.
Ergänzung findet Schild durch einen historischen Abriß von Klaus Hartmann (Offenbach) über „Freies Denken im Wandel seiner Bedeutung.”
Besonders hervorzuheben in diesem Heft ist ein längerer Artikel von Dr. Wolfgang Beutin (Bremen): „Karlheinz Deschners Kritik am Christentum”. Anlaß hierfür war das Erscheinen des zehnten und damit letzten Bandes von Deschners „Kriminalgeschichte des Christentums”. Beutin rezenziert nicht bloß den aktuellen Band, er betrachtet vielmehr die Prinzipien von Deschners Kritik. Deschner gehe es, so Beutin um eine „Geschichtsschreibung in aufklärerisch-emanzipativer Absicht”. Daher widme sich der Kirchenkritiker ganz besonders der „Legendenzerstörung und der Aufdeckung von Manipulationen”. Gemeint sind nicht zuletzt Manipulationen des Klerus an biblischen Texten selbst – und das bis heute.
Stichwort Legendenzerstörung. Hierzu sei aus Beutins Artikel zitiert: „Legendenauflösung ist keine Kleinigkeit. Deschner unterzieht sich verdienstlich der Mühe, hier anzupacken und manche äußerst fatale, trotzdem heutzutage immer noch verbreitete und deshalb von vielen geglaubte Legende zu widerlegen. (Luther hatte seine Gründe, als er den Terminus „Legende” variierte und in „Lügende” abänderte.)
Eine solche Lügende lautet, es wäre die Kirche gewesen, der die Menschheit – jedenfalls im Bereich des Christentums – die Abschaffung der Sklaverei verdanke. Nein, widerspricht Deschner, die Kirche befand sich ‚stets auf der Seite der Unterdrücker‘.
‚Paulus, Augustinus, Thomas von Aquin und Tausend weitere ‚Heilige‘, sie alle verteidigen die Unfreiheit. Noch in der Neuzeit vertritt die katholische Theologie ganz allgemein das Recht auf Sklaverei. (…) Und nicht zufällig hielt unter allen Hauptstädten Europas das päpstliche Rom am längsten an der Sklaverei fest.‘” (S. 24/25)
„Die Pussy-Riot-Story” – so ist ein bemerkenswerter Artikel von Olaf Brühl überschrieben. Angesichts des überbordenden Anti-Putinismus um die strafrechtliche Verurteilung von Mitgliedern der weiblichen Punk-Gruppe (Kläger war der Moskauer Klerus, nicht der Präsident!) schreibt Brühl, daß man sich hierzulande ‚…empört über einen Strafbestand, der in Berlin genauso gegeben wäre…‘ und zitiert dazu den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Artikel des § 167 Strafgesetzbuch. Alle Empörung hierzulande entlarve sich somit selbst ‚eindeutig als Lüge und Heuchelei‘. (S. 48)
Und daß das nicht bloße Hypothese ist, macht Brühl hieran fest:
„Immerhin mußten erst im Jahr 2005 wegen Randale in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale und in der Marienkirche Andreas Roy für 17 Monate hinter Gitter, Christian Arnhold für 10 Monate. Nicht genug damit, am Sonntagmorgen, dem 19. August störte eine maskierte Gruppe (…) den Gottesdienst im Kölner Dom. (…) Wie die Kölner Polizei auf Anfrage mitteilte, wurde gegen die drei Störer Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz, Hausfriedensbruch und wegen Störung der Religionsausübung gestellt.” (S. 48)
Ganz so wie in Moskau auch…
In Verbindung mit der Märzausgabe des „Freidenker” soll unbedingt auch auf die Ausgabe 4-12 vom Dezember 2012 verwiesen werden. Diese versammelt aktuelle und grundlegende Dokumente des Deutschen Freidenker-Verbandes. An erster Stelle sei hier genannt „Aufgaben der Aufklärung – Die Richtigstellung der Begriffe” (Oktober 2012): darunter „Menschenrechte”, „Völkerrecht und Frieden”, Rechtsstaat und Demokratie”. Es folgt ein Verbandsvorstandsbeschluß vom Herbst 2009 – „Gegen Volksverdummung und die Zerstörung der Vernunft!” Besonders hervorzuheben ist aber die „Berliner Erklärung – Wer sind die Freidenker und was wollen sie?” aus dem Jahre 1994. Für Laizisten – egal welcher Weltanschauung oder Religion – dürfte von besonderer Bedeutung der Abschnitt „Für die Trennung von Staat und Kirche, Kirche und Schule sowie den Dialog mit religiösen Menschen sein”. Dieser Abschnitt schließt mit der Feststellung:„In diesem Sinne verstehen wir Religionskritik als Gesellschaftskritik”. In dieser Hinsicht dürften zumindest linke Laizisten und Freidenker sich in voller Übereinstimmung befinden.
Siegfried R. Krebs
„Freidenker” – das Verbandsorgan des Deutschen Freidenkerverbandes erscheint vierteljährlich und ist über den GNN-Verlag Köln zu beziehen. Das Einzelheft kostet 2,50 Euro zzgl.Versand.