Freedom (Freiheit) – Jonathan Franzen
Mein Lieblingsbuch des Jahres 2012 war Franzens Freedom-Vorgänger “Die Korrekturen”.
Ein Roman, der mich in neue Sphären der Lesefreude geschossen hat und meine über die Jahre erlahmte Begeisterungsfähigkeit in ein jungfräuliches Ausgangsstadium zurückversetzt hat.
Dementsprechend euphorisch sah ich der Lektüre des Folgewerks entgegen. Zugegeben ein Hauch von Besorgnis schwang mit, denn viele Autoren finden in ihrem Leben nur die Kraft für ein einziges sensationelles Buch. (Donna Tarrt, I’m looking at you!).
Zudem hat der Roman selbst bei Franzen-Freunden für sehr unterschiedliche Reaktionen gesorgt.
Die Handlung in einem Satz:
“Freedom” ist die Biographie einer dysfunktionalen Familie und zugleich ein Portrait unserer Zeit.
Mit dieser Beschreibung könnte man auch “Die Korrekturen zusammenfassen. Kann das gewichtige Werk also den immensen Erwartungen der Leser standhalten?
Meine Antwort lautet: Und wie!
Meine Erwartungen wurden nicht nur erfüllt sondern gesprengt, abgehängt und überrundet.
Ich fühle mich fachlich nicht kompetent genug eine angemessene Rezension zu schreiben aber soviel sei gesagt: “Freedom” begeistert auf allen Ebenen.
Und davon gibt es jede Menge. Das Leben der Berglunds ist der rote Faden um den Franzen ein Netz aus gesellschaftspolitischen Themen spannt, von Überbevölkerung über Umweltschutz, Korruption und Politik. Das Ganze wie immer anbetungswürdig auf den Punkt gebracht.
Die Handlung ist im Gegensatz zu “Die Korrekturen” deutlich stringenter erzählt. Und das trotz ständiger Wechsel der Erzählperspektive. Damit erzeugt Franzen einen Sog, der den Leser immer mehr in die emotionalen Abgründe der Protagonisten zieht. Wie ein Abhängiger sehnt man sich nach mehr Information. Und alle voyeuristischen Sehnsüchte werden erfüllt.
Auch in “Freedom” wird immer wieder das Thema Depression gestreift, der Grundton des Romans ist aber deutlich versöhnlicher. Die Protagonisten streben danach ihr Leben zu verbessern und schaffen es aus ihren Lebenskrisen stärker hervorzugehen.
Minimaler Kritikpunkt: Das Liebesdreieck um Walter Berglund wird etwas zu banal aufgelöst (geradezu unwürdig für einen so talentierten Autoren) und auch das Hollywood-Ende will nicht so richtig zum düsteren Grundtenor des Romans passen.
Fazit – Die intellektuellste Soap-Opera der Dekade
Freedom ist literarisches Crack. Wer einmal reinliest kommt nicht mehr davon los. Ein episches Werk über unsere Zeit. Vom intimen Familienkreis bis zur internationalen Politik.
Leid, Depression und Familienstreitigkeiten waren nie so unterhaltsam. Mehr kann man von einem Roman nicht verlangen. Bleibt zu hoffen, dass Franzen nicht wieder eine knappe Dekade für einen Nachfolger braucht.
Wertung 5/5
1. Geht gar nicht 2. Is OK 3. Gut 4. Richtig gut 5. awesomatik!
awesomatik Kuriosum
Jonathan Franzen ist passionierter Vogelbeobachter. Davon kann sich jeder bei der Lektüre von “Freedom” überzeugen. Nicht ohne Grund prangt ein Pappelwaldsänger auf dem Cover.
Doch seine Leidenschaft spiegelt sich nicht nur in seinen Romanen wieder. Er hält auch Vorträge zu diesem Thema und publiziert Artikel. Zum Beispiel für National Geographic:
Singvögel – Flug in den Tod
Why novelist Jonathan Franzen loves Birds
Auch in meinem Lieblingsartikel über social Media und Tech consumerism findet sich das Thema wieder (Must read!):
Liking is for cowards, go for what hurts
Freiheit (deutsch)
Freedom (Original)